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Kapitalismus

Schimmel, der ansteckt: Wie die Immobilienfirma Sveta ein bewohntes Haus zerstört – und das daneben

Blick ins Stiegenhaus mit Algenbewuchs. Das Haus der Immobilienfirma Sveta ist völlig durchnässt.
Blick ins Stiegenhaus mit Algenbewuchs. Das Haus der Immobilienfirma Sveta ist völlig durchnässt. Foto: Jessica Zekar
Ein Haus des Immobilienentwicklers Sveta im 17. Wiener Bezirk. Seit Jahren ist es eine Baustelle, seit 16 Monaten hat es kein Dach und läuft Wasser ins Haus, bis runter in den ersten Stock. Und da wohnen noch Leute. Auch im Nachbarhaus sind die Wände nass. Sveta sagt: alles nicht unsere Schuld. Während der Recherche entfernen sie ihren Firmennamen vom Haus. Der Fall landet bald vor dem OGH.

Wenn sie heute davon erzählt, lacht Vanessa Nejad sogar ein bisschen. Dabei war das lebensgefährlich, was in ihrem Haus in der Wichtelgasse 69 in Wien Hernals im November und Dezember vergangenen Jahres passierte. “In der Gasleitung vor unserer Wohnung hatten sie einen Nagel reingehaut. Irgendwann hat man im ganzen Stiegenhaus Gas gerochen”, sagt sie. “Und die Bauarbeiter hier sind alle Raucher. Die sind fröhlich mit ihrer Zigarette herumgelaufen, während das Gas leckt.” Das ist die Stelle, an der sie lacht.

Im November funktionierte die Therme in der Wohnung nicht mehr. Sie meldeten den Schaden beim Besitzer des Hauses und baten, da was zu machen. Der ist die Immobilienfirma Sveta Group, genauer: Sveta Levim Invest. Es ist eine von vielen Firmen in einem verschlungenen Firmengeflecht. Gründer ist Boris Yosopov. Sein Sohn Aviel Yosopov führt die Geschäfte.

Schimmel, Algen, Gasgeruch: Das Sveta-Haus verkommt

Sveta schickte auch Leute vorbei, aber leider: “Sechs Mal waren Installateure da”, sagt Nejad. “Sechs Mal hieß es dann: Wir haben leider die falschen Geräte mit.” Vier Wochen ging das so. “Wir mussten dann immer Freund:innen anrufen, ob wir bei ihnen duschen können”, sagt sie. Sie stellten Elektro-Radiatoren auf, um die Wohnung halbwegs warm zu bekommen. Zu Beginn des Winters waren Nejad und die anderen Bewohner:innen ohne Heizung und Warmwasser. Es ist nicht die beste Jahreszeit für so etwas.

Nejad steht in der Küche ihrer Wohngemeinschaft. Auf rund 160 Quadratmeter leben sie hier zu viert. Sie bietet Kaffee an, trägt dann die vollen Häferl hinüber ins Wohnzimmer und setzt sich an den Tisch. Die 32-Jährige arbeitet als Sprachförderin. Ihre Wohnung ist gemütlich eingerichtet. Sie könnten es hier schön haben. Wären da nicht die vielen Wasserflecken an den Decken und Wänden und der Schimmel, der sich dort eingenistet hat.

Nejad und die anderen sind die letzten verbliebenen Mieter:innen in dem Haus, das seit Jahren eine Baustelle ist. Statt Nachbarn haben sie nun eine Taubenfamilie in der Nebenwohnung und Schimmel an den Decken im Stiegenhaus. Im dritten Stock wachsen Algen an den Wänden.

Das Haus im Video: Bewohnerin Vanessa berichtet, wie es sich hier lebt.

@moment_magazin

Ein Haus im 17. Bezirk in Wien. Draußen ein Baugerüst mit dem Namen der Immobilienfirma Sveta darauf, drinnen Schimmel und Algenwuchs im Stiegenhaus. Das Dach ist abgetragen, Wasser läuft ins Haus. Flecken an den Decken zeugen davon. Seit fast drei Jahren ist hier eine Baustelle. Vanessa wohnt trotzdem hier in einer 4er WG. Sie sind die letzten verbliebenen Mieter:innen. Wie sie es hier aushalten, erzählt Vanessa im Video. #schrotthaus #baubranche #vermieter #mieten #wohnung #skandal #mieterschutz #österreich #wien #wirtschaft #immobilien #immobilienfirma

♬ Originalton – Moment Magazin

Ein Dach gibt es auch nicht mehr. Das wurde im Frühjahr 2022 abgerissen. Dann kam das Wasser, viel Wasser. Es sickerte durch die Decken und die offenen Wände bis zu ihnen in den ersten Stock. Durch die Fenster regnet es ins Stiegenhaus. “Es kommt ein richtiger Fluss, da stehen wir ein bisschen im Feuchten”, sagt Nejad. Inzwischen wirkt es ein bisschen wie Routine. “Man lernt, damit zu leben”, sagt ihr Mitbewohner Julian Sinn.

Aber das mit dem Gas und dem Nagel in der Leitung war dann noch eine Nummer schärfer. “In der Früh hat mein Mitbewohner das Gas gerochen”, sagt Nejad. Er habe dann einen der Bauarbeiter gefragt, wo das herkomme. Der habe ihm gesagt, das sei kein Problem, der Gaszähler werde gerade ausgetauscht. Am Abend waberte das Gas immer noch durchs Haus.

“Wir haben die Wiener Netze angerufen. Die sind gekommen und haben sofort die Zuleitung ins Haus abgedreht”, sagt Nejad. Dabei bemerkten sie den Nagel in der Leitung. Laut Wiener Netze wurde die Gasleitung am 14. Dezember gesperrt. “Wir haben den Besitzer aufgefordert, den Schaden zu reparieren”, sagt Sprecherin Manuela Gutenbrunner zu MOMENT.at. Das dauerte dann aber doch zwei Wochen.

Fünf Wochen vergehen, nichts passiert. Man wird müde vom ganzen Hin und Her.
Bewohnerin Vanessa Nejad

“Noch so einen Winter wollen wir nicht durchmachen”, sagt Nejad. Und das sei es auch, worum es Sveta gehe: “Die wollen uns ziemlich sicher raushaben. Wir könnten ihnen nicht egaler sein”, sagt sie. Wenn sie sich über die Zustände im Haus und ihrer Wohnung beschweren, reagiere die Sveta oft erstmal gar nicht. Dann werde versprochen, etwas zu machen, aber es kommt nichts.

Die Schlichtungsstelle für wohnrechtliche Angelegenheiten der Stadt Wien forderte Sveta in einer Entscheidung im März diesen Jahres auf, das Dach abzudichten und die vom Schimmel befallenen Wände in ihrer Wohnung zu sanieren. Vier Wochen Zeit dafür gab die Schlichtungsstelle der Sveta.

“Zwei Wochen vergehen, nichts passiert. Fünf Wochen vergehen, nichts passiert. Man wird einfach müde von diesem ganzen Hin und Her”, sagt Nejad. Auf den Spruch der Schlichtungsstelle reagierte Sveta: “Die Entscheidung wird vollinhaltlich angefochten”, teilte die Sveta Levim Invest dem Bezirksgericht Hernals im April mit. Dort liegt der Fall inzwischen. Was den Nagel in der Gasleitung angeht, fragt Nejad sich, wie der eigentlich in die Leitung kam. “Entweder war es Unachtsamkeit oder es war angestiftet”, sagt sie und schiebt hinterher: “Das kann ich jetzt aber nur vermuten.”

Ein Nagel in der Gasleitung? Das passiere eben

Mit Vermutungen sollte man vorsichtig sein. MOMENT.at fragte bei Sveta nach, wie die Episode mit dem Nagel aus deren Sicht ablief und auch, warum die Bauarbeiten am Haus in der Wichtelgasse einfach nicht vorankommen. Tags darauf schicken wir eine weitere E-Mail, erinnern an die Anfrage vom Vortag und wollen auch wissen, wie es um die Finanzen des Unternehmens bestellt ist. Nur ein paar Minuten vergehen und das Telefon klingelt. Am anderen Ende der Leitung: Sveta-Gründer Boris Yosopov. Kurz darauf ruft sein Anwalt Robert Gschwandtner an. Sie stellen ein Gespräch am Sitz des Unternehmens in Aussicht.

Die Sveta residiert nobel in der Singerstraße 6 im 1. Bezirk in Wien. Nur wenige Meter weiter beginnt der Graben, die Glocken des Stephansdom sind hier laut zu hören. Teppiche dämpfen die Schritte. An den Wänden hängen gerahmte Bilder von Projekten der Sveta. Es sind sehr viele. Boris Yosopov sagt, seine Gruppe besitze 130 Zinshäuser.

Im Empfangsraum steht auch ein großes Schaubild, das zeigt, wie die Sveta-Firmen untereinander verflochten sind. Wer das durchschauen will, muss Zeit mitbringen. Nicht weniger als 63 Unternehmen sind laut der Firmendatenbank North Data an der Adresse registriert. Die meisten von ihnen haben ein Sveta im Namen oder ihr Geschäftsführer heißt Yosopov.

In einem Besprechungsraum empfängt Anwalt Gschwandtner. Mit dabei ist auch Manuel Unfried. Er ist bei der Sveta zuständig für das Haus in der Wichtelgasse. Dann kommt Yosopov. Der Nagel in der Gasleitung? “Es gab diesen Schaden”, sagt Gschwandtner. “Das war die Baufirma.” So etwas passiere eben. Unfried ergänzt: “Das wurde behoben, wir haben alles gemacht.” Yosopov sagt, es habe ihn 20.000 Euro gekostet, die Steigleitung reparieren zu lassen.

Die Baufirma sei verantwortlich, und ist jetzt pleite

Überhaupt: die Baufirma. Diese sei dafür verantwortlich, dass im Haus in der Wichtelgasse das Wasser durch die Wände sickert. Die Firma hat Ende Juni Insolvenz angemeldet. Sveta könne nichts dafür. “Die haben schlechte Arbeit gemacht”, sagt Yosopov. Aber: “Wir haben einen Kontrakt mit denen. Wir können das nicht einfach jemand anderen machen lassen.” Denn dann könnten Nachforderungen kommen. “Wir kommen aus dem Vertrag nicht raus. Nur, wenn es unzumutbar ist.” Aber geht es noch unzumutbarer, als über ein Jahr ein offenes Dach zu haben?

Yosopov wehrt sich auch gegen den Verdacht, er vernachlässige das Haus, um Vanessa Nejad und ihre Mitbewohner:innen aus dem Haus zu bekommen. “Wir sind ein Familienunternehmen, wir machen sowas nicht”, sagt er. “Wir lassen nicht die Mistkübel überquellen, wir schalten den Strom nicht ab. Wir sind nicht absichtlich böse.”

Aber warum unternehme sein Unternehmen nichts gegen die untragbaren Zustände im Haus: das Wasser, den Schimmel, die Tauben, die Algen? Anwalt Gschwandtner sagt: “Es sind keine untragbaren Zustände. Das Dach war das Problem. Das ist jetzt abgedichtet.” Gschwandtner und Yosopov stellen Gegenfragen: Etwa danach, wie man überhaupt auf das Haus aufmerksam wurde. War es ein konkurrierendes Unternehmen, eine beteiligte Bank?

Die Antwort ist schlichter: Dass hier seit Jahren nichts weitergeht, ist augenscheinlich. Direkt gegenüber wurde in der gleichen Zeit ein Neubau hochgezogen und ist jetzt voll belegt. Am Sveta-Haus flattert ein löchriges Netz vor dem Baugerüst im Wind. Davor hängt ein riesiges Transparent. “Wir kaufen ihr Zinshaus”, steht darauf und eine Telefonnummer der Sveta.

Plötzlich ist das Transparent von Sveta weg

Oder besser: Das Transparent hing am Haus. Am Tag nach dem Interview lässt das Unternehmen es abmontieren. Zufall? “Nein, das war schon seit zwei Wochen geplant”, sagt Boris Yosopov auf Nachfrage. Dort solle jetzt der Name des neu beauftragten Bauunternehmens aufscheinen. Eine Anfrage an die neue Baufirma blieb bis Redaktionsschluss unbeantwortet.

Das Sveta-Haus in der Wiener Wichtelgasse. Tags zuvor nahm die Firma ihr Transparent vom Baugerüst.

Das Sveta-Haus in der Wiener Wichtelgasse. Tags zuvor nahm die Firma ihr Transparent vom Baugerüst.
Foto: A. Bachmann.

Von all dem war im Interview davor allerdings nie die Rede. Es hieß nur, die Bauarbeiten stehen jetzt. Sveta müsse darauf warten, was beim Insolvenzverfahren des vorher beauftragten Bauunternehmens herauskomme. Yosopov habe zudem ein Angebot erhalten: Die Firma, die das Haus bisher verwaltet, sei interessiert, das Gebäude zu kaufen.

Und zwar so, wie es jetzt ist und zu einem Preis, der weit über dem liegt, was die Sveta im September 2021 dafür zahlte. “Für das Haus in diesem Zustand kriegt er so einen Betrag nicht. Das geht nur, wenn es fertig gebaut ist”, sagt ein Branchen-Insider und früherer Geschäftspartner von Sveta zu MOMENT.at.

Mieter:innen sollen Ablöse bekommen, und dann raus

Doch Sveta wolle gar nicht bauen, sondern verkaufen, betont Yosopov. Warum also soll jetzt eine weitere Baufirma beauftragt werden? So richtig schlüssig ist nicht, was Sveta so sagt. Unter anderem auch das: Dem Hauptmieter in der Wichtelgasse 69 sei ein Angebot gemacht worden. Er sollte einen hohen zweistelligen Tausenderbetrag erhalten, wenn er und die anderen Bewohner:innen ausziehen.

“Das ist ausgemacht”, sagt Yosopov. Laut ihm suche der Mieter bereits nach einer Ersatzwohnung. Ist die gefunden, gehe der Deal über die Bühne. Darauf angesprochen, ist Bewohnerin Vanessa Nejad irritiert: “Mit uns ist nicht besprochen, dass wir ausziehen.”

Als es im Gespräch bei Sveta um das Angebot an die Mieter:innen geht, hakt Anwalt Gschwandtner ein. “Ich weiß nicht, warum sie das alles wissen wollen und wo hier plötzlich das brennende Interesse herkommt”, sagt er. Das Zinshaus ohne Dach sei in keinem desolaten Zustand. Wenn es voll belegt wäre oder sogar überbelegt, könne er verstehen, dass Fragen auftauchen. “Aber hier wohnt nur eine Mietpartei im Haus. Mich wundert das.”

Betroffen sind aber mehr Menschen als Nejad und ihre Mitbewohner:innen. Und ein Interesse an dem Fall scheint berechtigt. Denn das Haus und der Streit darum beschäftigt inzwischen Österreichs Obersten Gerichtshof OGH. Im Oktober soll er eine Grundsatzentscheidung treffen. Es geht um Schuld und Verantwortung und das direkt angrenzende Nachbarhaus.

Im Gebäude in der Sautergasse öffnet Ernest Cejka die Tür und bittet in die Wohnung. Der Pensionist und seine Frau wohnen seit 52 Jahren hier. Alles steht an seinem Platz: der Audio-Turm in der einen Ecke, das Sofa in der Mitte, der Esstisch in der anderen Ecke. Über die gesamte Längsseite des Wohnzimmers zieht sich die Schrankwand, gefüllt mit Erinnerungen eines Lebens.

Die Wohnung eine heile Welt – bis auf den Entfeuchter

Doch darauf steht ein Fremdkörper: In einem Plastikkorb gehängt, surrt ein Entfeuchter. Und direkt darüber zieht ein Wasserfleck seine Spuren über die Wand. “Die Wände im Haus sind waschelnass”, sagt Cejka. Von oben sickert es seit Monaten durch die Wand, die sich direkt an die Feuermauer des Hauses in der Wichtelgasse schmiegt. Wo das Wasser herkommt, ist klar. Cejka wohnt im ersten Stock, bis zu ihm ist es bereits vorgedrungen.

Weiter oben sieht es schlimmer aus. Im zweiten und dritten Stock wurde der Putz von den Wänden geschlagen. Die Nässe kann man riechen und im offenen Mauerwerk sehen. In den Räumen stehen große Entfeuchtungsgeräte. Sie laufen ununterbrochen seit fünf Monaten. Sieben Liter fassen sie, zwei Mal täglich leert Cejka sie. Inzwischen muss das aber seine Frau erledigen. Vom ständigen Tragen der vollen Wasserbehälter habe er einen Bandscheibenvorfall erlitten.

Es ist keiner da, keiner hilft, keiner tut was.
Mieter Ernest Cejka

Cejka führt akribisch Buch über jeden Liter, den die Entfeuchter aus der Wand ziehen. Er zieht einen Stapel mit Listen aus einem prall gefüllten Aktenordner. “Da gibt’s noch einen zweiten”, sagt er. Alle Dokumente stecken fein säuberlich in Klarsichthüllen. Die letzte Zahl darauf: 2.637 Liter Wasser. Vermerkt hat er auch, wann das Wasser erstmals bei ihm in der Wohnung ankam: Am 11. Juni dieses Jahres. Sämtliche Aufzeichnungen gehen an seinen Hausbesitzer, an Anwälte und an das Gericht. Alles könnte einmal wichtig werden.

Aber: “Wie komme ich dazu, dass ich das alles aufschreibe?”, fragt Cejka. “Ich möchte mal durchatmen, ich möchte Urlaub machen. Ich kann ja nichts tun.” Aber letztlich gehe es ja auch um das Haus und seine Wohnung. Da fühle er sich verantwortlich. “Für mich ist das Absicht, was die von Sveta machen. Und dann reden sie sich immer auf die Baufirma raus”, sagt er und klagt: “Es ist keiner da, keiner hilft, keiner tut was.”

Bewohner Cejka notiert, wie viel Wasser die Entfeuchter aus der Wand neben dem Sveta-Haus ziehen. Alles könnte wichtig werden.

Bewohner Cejka notiert, wie viel Wasser die Entfeuchter aus der Wand neben dem Sveta-Haus ziehen. Alles könnte wichtig werden.
Foto: A. Bachmann

Wie Vanessa Nejad und ihre Mitbewohner:innen nebenan sind Cejka und seine Frau die letzten Mieter:innen in ihrem Haus. Alle anderen Wohnungen stehen leer und sind entkernt. Die Vorzeichen hier sind aber ganz andere: Cejka hat ein gutes Verhältnis zu seinem Vermieter. Er muss nicht raus. Wenn das Haus saniert und ausgebaut wird, kann er bleiben. Und wenn seine Wohnung dran ist, könne er in eine der bereits fertiggestellten weiter nach oben ziehen oder eine Ersatzwohnung vom Besitzer bekommen.

Der hat hier Besonderes vor: Er will das Haus energieautark machen. Mit Geothermie, die Erdwärme aus dem Boden im Garten holt. Mit Wärmepumpen soll geheizt werden. Paneele für Solarthermie sollen aufs Dach montiert werden. Gas braucht es dann nicht mehr. Es könnte jederzeit losgehen. Aber jetzt ist die Wand nass und alles steht.

“Als ich das Haus vor drei Jahren gekauft habe und die Pläne für den Ausbau gemacht habe, konnte ich natürlich nicht ahnen, was nebenan passiert”, sagt Josef Bahula zu MOMENT.at. Der 82-Jährige ist der Besitzer des Hauses. Er kümmert sich noch immer um alles persönlich. Rund 100 Wohnungen vermietet er in seinen Zinshäusern.

Der Bezirkschef möge sich das ansehen

Vor dem Gespräch kündigt er an, Gutachten, Stellungnahmen, Schreiben ans Gericht und Schreiben vom Gericht auszudrucken und zu zeigen. “Das sind mehr als 200 Seiten, bringen Sie etwas Zeit mit”, sagt er. In seinem Büro in der Haslingergasse, nicht weit von der Wichtelgasse entfernt, liegt ein riesiger Stapel auf dem Tisch. Obenauf der bisher letzte Akt in dem Drama: Am Mittwoch vergangener Woche ging ein Schreiben an den Hernalser Bezirksvorsteher Peter Jaksch.

Unmengen an Wasser würden ins Gebäude sickern. Außergerichtliche und inzwischen gerichtliche Versuche, Sveta dazu zu bringen, etwas zu tun, hätten nichts gebracht. Ob der Bezirksvorsteher auf einen Lokalaugenschein vorbeikommen könnte, wird gefragt. Es klingt verzweifelt. Auch Bahula weiß ja: “Der Bezirksvorsteher kann ja nicht persönlich eingreifen. Die Behörden müssen was tun.”

Doch weder das Büro für Sofortmaßnahmen noch die Baupolizei hätten bisher etwas unternommen. MOMENT.at fragte dort nach: Cejkas Anzeigen seien bei ihnen eingegangen. Mit Folgen: “Wir haben eine Strafanzeige bei der MA 64 erstattet, weil ohne befugte Baufirma und ohne Prüfingenieur*in gebaut wurde”, sagt Gerhard Cech, Abteilungsleiter der Baupolizei.

“Der Vorwurf der Baupolizei stimmt nicht”, entgegnet Sveta-Anwalt Gschwandtner und fragt sich auch hier, woher MOMENT.at das eigentlich weiß. “Die von der Baupolizei dürfen das gar nicht an Sie herauszugeben. Es gibt eine Amtsverschwiegenheit.” Aber: Die Baupolizei teilte lediglich mit, dass Verfahren laufen. Gegen wen sie sich richten, aber nicht. Das ist selbst in Österreich nicht verboten, der beinahe letzten Bastion des Amtsgeheimnisses. Auch die Magistratsabteilung 64 handhabt das so.

Haus ging in drei Jahren durch vier Hände

Sie kümmert sich in Wien um Fragen des Baurechts. Die MA 64 bestätigt, dass Verfahren anhängig sind. Aber die dauern wohl noch, denn: Da der Eigentümer und Bauwerber gewechselt hat, “werden derzeit im Rahmen des Ermittlungsverfahrens die Verantwortlichkeiten geprüft”, heißt es von dort.

Offensichtlich kommen auch die Behörden nicht mehr so ganz hinterher, wer die Hand auf dem Haus hat. Seit 2019 wechselte es drei Mal den Besitzer. Von einer Privatperson ging es an einen Investor, dann an einen weiteren Investor. Der holte eine Baubewilligung ein und begann, die freien Wohnungen zu entkernen. Von Kaufvertrag zu Kaufvertrag wurde das Haus teurer. Im September 2021 übernahm Sveta Levim Invest das Ruder – und der Ärger begann.

Das ist ein absolutes Verbrechen. Die von Sveta zerstören mein Haus.
Josef Bahula, Besitzer des Nachbargebäudes

Drei Gutachten hat Bahula auf eigene Kosten anfertigen lassen, das letzte Anfang August. Wenige Tage zuvor veranlasste Sveta, das offene Dach abzudichten. Doch der Gutachter kam zum Schluss, dass die Abdichtung “nicht sach- und fachgerecht und nicht tauglich hergestellt wurde”. Zwar dringe aktuell kein Wasser ein. Dafür steht es jetzt zentimeterhoch auf dem Dach.

MOMENT.at konnte sich selbst ein Bild davon machen. Wer trockenen Fußes dort herumgehen will, muss sich eine geschickte Route vorbei an den Wasserlachen bahnen. Und noch immer ist die Feuermauer nicht abgedeckt und wird weiter durchnässt. Ohne Abfluss ist es wohl nur eine Frage der Zeit, bis wieder Wasser ins Haus eintritt – und damit auch ins Nachbarhaus. “Das ist ein absolutes Verbrechen. Die von Sveta zerstören mein Haus. Abgesehen davon, dass sie ihres auch zerstören”, sagt Bahula. “Das ist alles so widersinnig.” Denn auch die Sveta mache nur Verlust, wenn sie nicht baue.

Das Dach wurde vor 16 Monaten abgedeckt. Durch die Decke des ehemaligen Dachbodens und in die Wände läuft das Wasser.

Das Dach wurde vor 16 Monaten abgedeckt. Durch die Decke des ehemaligen Dachbodens und in die Wände läuft das Wasser.
Foto: Jessica Zekar

Rund 700.000 Euro Miese habe er bisher mit dem Gebäude gemacht, sagt Yosopov. Er könne aber nichts dafür, und warum sollte er das Haus auch absichtlich verfallen lassen. “Es ist kontraproduktiv und schwachsinnig, die Geschosse verfallen zu lassen und dann wieder zu sanieren. Das ist aberwitzig.” Jedoch: die Baufirma. Bahula muss da den Kopf schütteln. Sich auf die herauszureden “ist eine Schutzbehauptung”. Wenn Handwerker ihre Arbeit nicht richtig machten, “dann sage ich ihnen, macht es richtig. Und wenn das nicht passiert, beauftrage ich jemand anderen”.

Volle Baucontainer auf die Straße gekippt

Er behauptet, Sveta habe seine Rechnungen nicht bezahlt. “Die haben für die Einrichtung der Baustelle nicht bezahlt, die haben für ihren Müll nicht bezahlt, das ist ein Wahnsinn.” Stimmt nicht, sagt Yosopov. Er habe der Baufirma sogar zu viel gezahlt.

In seiner Wohnung neben dem zum Schrotthaus verkommenen Gründerzeitbau erzählt Ernest Cejka, was hier vor ein paar Wochen los war. Zunächst wurden Container auf die Straße gestellt, “dann haben sie das ganze Geraffel aus dem Haus getragen und dort reingeworfen”, sagt er. Da standen sie nun, die vollen Container mit Bauschutt. Dann kamen ein paar Lastwagen vorbei. “Wir dachten, die nehmen die jetzt mit”, erzählt er.

Aber nein: “Sie kippen alles auf die Straße aus und nehmen nur die leeren Container weg. Das war am 6. Juli.” Cejka hat auch das dokumentiert. Er zeigt Fotos von den vollen Containern vorher und dem Sperrmüll auf der Straße hinterher. Auch die Firma, der das Baugerüst gehört, wollte das irgendwann wieder zurückhaben. Sie versuchten, es abzumontieren. Aber: “Als sie das machen wollten, stellten sie fest, dass das direkt am Gesimse montiert ist”, sagt Cejka. “Wenn sie das abschrauben, fliegt alles runter.”

Wer für die nasse Wand in seiner Wohnung verantwortlich ist, scheint klar. Aber ganz so einfach ist es nicht. “Es ist rechtlich eben nicht klar, ob wir dafür zuständig sind”, sagt Sveta-Anwalt Gschwandtner. “Wenn das andere Haus nicht verputzt ist, dann ist dessen Besitzer verantwortlich, wenn Wasser eintritt”, sagt er. Die Frage ist jedoch zu stellen, wie eine Wand verputzt werden kann, an die eine andere direkt angrenzt.

Gericht sprach Strafen gegen Sveta aus

Das Landesgericht für Zivilrechtssachen gab Sveta in erster Instanz recht. Das Oberlandesgericht Wien kassierte das Urteil im Mai ein. Für Bahula sei es nicht möglich, „sein Gebäude durch Anbringen eines Putzes selbst zu schützen“, heißt es in der Urteilsbegründung. Bahula erreichte eine einstweilige Verfügung. Sveta legte Widerspruch ein und jetzt muss eben der OGH entscheiden.

Mehr noch: Das Bezirksgericht Innere Stadt verhängte wegen des undichten Dachs erst eine Geldstrafe und Ende Juli eine höhere Geldstrafe: 2.500 Euro. Für Sveta Levim Invest doch eigentlich ein Klacks. Sie hantiert mit Immobilien im Wert von zig Millionen. Im Beschluss des Gerichts gegen sie findet sich ein interessanter Beisatz. Das Gericht nennt die gesteigerte Geldstrafe „angemessen, zumal die behauptete mangelnde Liquidität wiederum nicht bescheinigt wurde“.

Für Bahula wird das alles langsam teuer: Monatlich 700 Euro kostet ihn allein der Strom für die Entfeuchter. Die jeweils rund 80 Seiten starken Gutachten sind auch nicht billig zu haben. Und je höher der Schaden an den Häusern, desto höher steigt der Streitwert. Und danach richten sich auch die Gerichtsgebühren, die für Anwälte fällig werden.

Allein mit dem Schriftverkehr und den gerichtlichen Verfahren, in die MOMENT.at Einblick nehmen konnte, sind inzwischen fünf verschiedene Anwälte gut beschäftigt. Auch Vanessa Nejad und ihre Mitbewohner:innen mussten sich einen nehmen. Nach fast zwei Jahren Kampf sagt sie, Sveta könne man als Akronym lesen. Das Kürzel stehe für: “Such vorsichtshalber einen teuren Anwalt.” Da muss Vanessa Nejad wieder lachen. Diesmal etwas lauter.

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