“Tag der staatlichen Umverteilung”? Was die „Studien“ neoliberaler Think Tanks wert sind

Auf die Idee, einen Gedenktag zu erfinden, der belegen soll, dass man Sozialleistungen zusammen kürzen muss, muss man erstmal kommen. So geschehen ist das aber bei der Wirtschaftskammer Salzburg. Sie erfindet den „Tag der staatlichen Umverteilung“.
Das ist eine Sprache aus dem Besten beider Welten – sperriges Beamtendeutsch und unerträglicher Agentur-Marketingsprech. Wenig überraschend angesichts der Agenda der Beteiligten kommt diese „Studie“ zu dem Schluss, dass die Leistungsträger:innen in diesem Land die Unternehmer:innen seien. Und weil der größte Teil der Menschen angeblich „Nettoempfänger:innen“seien, seien sie eben nicht die Leistungsträger:innen.
Erst einmal das Offensichtliche: Leistung wird hier rein über das Geld definiert. Da ist kein Platz für die Leistung von gesellschaftlich sinnvollen Jobs, sondern eben nur für jene Leute, die möglichst viel Geld am Konto haben. Kindergartenpädagoginnen oder Krankenpfleger sind dann halt keine Leistungsträger:innen, die diese Gesellschaft zusammenhalten. Sie sind „Netto-Empfänger:innen“, die von den wahren Opfern des Sozialstaats „getragen werden“ müssen.
Versicherungen sind kein Almosen
Abseits dieses zynischen Menschenbildes gibt es aber noch weitere Probleme mit der Studie. So werden dabei wild alle möglichen staatlichen Leistungen aufgeteilt. Wer mehr rausbekommt, als er eingezahlt hat, ist Nettoempfängerin. Wer mehr einzahlt, als er rausbekommt ist Bruttozahler. Damit wird dann suggeriert, dass eine arme geschundene Minderheit den ganzen Rest durchfüttern müsse.
Die Studie bezieht dabei aber auch Leistungen mit ein, wie die Pension. Nachdem die Altersstruktur in der Bevölkerung so ist, wie sie ist, ist es kein Wunder, dass ein hoher Prozentsatz der Bevölkerung eine Pension als Haupteinnahmequelle bezieht. Das ist allerdings auch überhaupt nicht verwerflich und keine “Umverteilung” – schließlich haben diese Leute davor ihr ganzes Arbeitsleben lang selbst eingezahlt. Es ist eine Versicherungsleistung, genauso wie die Krankenversicherung, die Arbeitslosenversicherung und die Unfallversicherung.
Das ist natürlich Blödsinn. Die meisten Menschen sind Nettozahler:innen – bis sie diese Leistungen eben einmal brauchen.
Die „Leistungsträger:innen“ zahlen niedrige Löhne
Die Studie berechnet aber auch allerhand Familienleistungen. Etwa die Familienbeihilfe, die jedes Kind bekommt. Für viele Familien sind diese Leistungen sehr wichtig, weil die achsotollen Unternehmer:innen Papa und Mama keine Löhne zahlen, die zum Überleben reichen (denken wir etwa an die Gastronomie oder Hotellerie).
Besonders frech wird es, wenn sogar noch der staatliche Unterhaltsvorschuss mit eingerechnet wird. Damit stempelt man Alleinerzieher:innen ab, die das Pech haben, dass ein Elternteil – meist der Vater – der Kinder nicht zahlen will, obwohl er müsste. Schließlich gibt es da ja noch die Kleinigkeit mit Kindererziehung. Aber weil der Staat das Geld auslegt, wird aus diesen – meist Frauen – schnell “Nettoempfänger:innen”, wenn sie nur das Geld bekommen, das ihnen zusteht.
Die armen Reichen
Besonders bizarr wird es auch, wenn eine Beispielrechnung eines Haushalts kommt, der 150.000- 200.000 Euro pro Jahr verdient und achsoviele Abgaben leisten muss. Bizarr deswegen, weil so getan wird, als sei dieser Haushalt irgendwie beispielgebend. Dabei ist das ein Haushalt, der das dreifache bzw. das vierfache Einkommen des Durchschnitts in Österreich hat und zu den obersten Prozent gehört.
Subventionen werden dann leider wiederum nicht in die Rechnung dazugezählt, schon gar nicht jene, die von EU-Ebene kommen (die bekanntlich keine Sozialleistungen ausgibt). Es wird auch nicht gezählt, wenn öffentliche Infrastruktur den Unternehmen und damit auch ihren Eigentümer:innen nutzt. Etwa Haltestellen und Öffi-Verbindungen oder Schienen und Straßen, die ihnen die Arbeitnehmer:innen vor die Tür und ihre Waren aufs Firmengelände und zur Kundschaft bringen. Oder der Wert von Arbeitslosengeld, das so manch Unternehmen gerne nutzt, um Arbeiter:innen zwischen zu parken, wenn gerade keine Aufträge da sind – nur um sie in ein paar Monaten wieder anzustellen. Oder die Schulen und Universitäten, die ihnen die Arbeitskräfte ausbilden. Oder. Oder. Oder. Oder. Oder.
Aber so eine ehrliche Rechnung würde die ganze schöne “Studie” zusammen schmeißen. Man könnte dann nicht ganz aufgeganselt erfundene Tage zum Anlass für Sozialstaats-Kürzungen nehmen.