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Klimakrise

Überlebt unser Wald die Klimakrise? "Wir müssen ihn komplett umbauen"

Überlebt unser Wald die Klimakrise? "Wir müssen ihn komplett umbauen"

Der Chef der österreichischen Bundesforste spricht über Schäden, die durch die Klimakrise verursacht werden und wie der Wald der Zukunft aussehen muss, um den Umweltveränderungen trotzen zu können.

Rudolf Freidhager ist Doktor der Bodenkultur und Chef der österreichischen Bundesforste. Mit Moment sprach er über die Auswirkungen der Klimakrise auf die heimischen Wälder: Warum der Wald der Zukunft ganz anders aussehen wird – und das mitunter nicht reicht, um ihn gegen die Klimakrise zu wappnen.

 
Rudolf Freidhager, Chef der österreichischen Bundesforste in einem Wald stehend fotografiert.

Rudolf Freidhager blickt zuversichtlich in die Zukunft: „Hätte eine Bewegung wie Fridays for Future frühestens in fünf bis sieben Jahren für möglich gehalten.“ Credit: OeBf-Archiv/Thomas Topf

Moment: Wie macht sich die Klimakrise in den österreichischen Wäldern bemerkbar?

Freidhager: Seit drei Jahren nehmen Schäden durch den Klimawandel drastisch zu. Die Schadenssumme hat sich allein von 2018 auf 2019 fast verdoppelt. Seit 2016 mussten wir insgesamt Klimawandelkosten von mehr als 80 Millionen Euro aufbringen. 80 bis 85 Prozent des Holzes mussten wir nach Stürmen oder anderen Extremwetterereignissen aus dem Wald räumen. Eine geplante Forstwirtschaft ist da nicht mehr möglich, wir laufen nur noch hinterher.

Moment: Welche Schäden sind das?

Freidhager: Der Klimawandel hat ganz unterschiedliche Auswirkungen. Eine höhere Temperatur führt zu mehr Energie in der Atmosphäre und damit gibt es in erster Linie mehr Wind und damit Stürme, daher sehen wir immer mehr Windwürfe bei Bäumen. Die Extremwetter nehmen zu, einerseits die Hitzeschäden, aber auch Schneebrüche. Wir erinnern uns an Februar 2019, als plötzlich in manchen Gebieten drei bis fünf Meter Schnee gefallen ist – natürlich sind viele Äste und Bäume diesen Mengen nicht gewachsen. Und dann gibt es aufgrund der warmen Winter mehr Schädlingsbefall. Die Käferbekämpfung kostet mittlerweile 4 bis 5 Millionen Euro jährlich. Früher waren es 1 bis 2 Millionen.

Moment: Welche Gegenden sind in Österreich am stärksten betroffen?

Freidhager: Beim Schädlingsbefall ist vor allem das Waldviertel betroffen. Hier finden wir die Hälfte aller Borkenkäfer-Bestände. Von Trockenheit und Käfer sind vor allem die Wälder nördlich der Donau betroffen, beziehungsweise in den außeralpinen Lagen, zum Beispiel dem Mühlviertel, Wald- oder Weinviertel. Sie haben seit Jahren mit zu wenig Niederschlag, Hitze und zu langen Trockenperioden zu kämpfen. In den alpinen Lagen setzen vor allem die Wetterextreme wie Starkregen oder eben Schneemassen, sowie Stürme den Wäldern zu. 

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Moment: Ist man hier machtlos, oder können die Wälder gegen die Klimakrise besser geschützt werden?

Freidhager: Das ist die gute Nachricht: Wir können etwas tun. Wir müssen die Wälder derzeit komplett umbauen, damit sie gegen den Klimawandel gewappnet sind. Zum Beispiel kann die Fichte als Flachwurzler sehr schlecht mit verstärkt auftretenden Stürmen und langen Trockenperioden umgehen. Diese Baumart ist jedoch in Österreich am stärksten verbreitet. Zukünftig wird es bestimmt mehr tiefwurzelnde, sturmstabilere Lärchen oder Tannen und Eichen brauchen, die mit Trockenheit besser zurechtkommen. Der österreichische Wald der Zukunft wird also bunter, da sich generell Wälder mit einer großen Artenvielfalt stabiler gegen Wetterextreme erwiesen haben. Bis 2025 werden die Bundesforste rund 100 Millionen Euro in den Waldumbau investieren. Doch so ein Umbau kostet nicht nur Geld, sondern auch Zeit – denn der Lebenszyklus eines durchschnittlichen Baumes liegt bei 120 Jahren. Das heißt, wir müssen heute schon mit Klimamodellen rechnen, die um das Jahr 2100 herrschen werden.

Moment: Und mit welchen Klimamodellen rechnen Sie da?

Freidhager: Wir haben hier verschiedene Partner, etwa die Universität für Bodenkultur in Wien, oder auch Umweltschutzorganisationen wie den WWF. Wir haben Modelle berechnet, wie das Klima bei einer Erhöhung der Durchschnittstemperatur von zwei Grad im Vergleich zur vorindustriellen Zeit aussieht. Das sind ja auch die Ziele des Pariser Klimaabkommens – wir rechnen also damit, dass die Klimaziele eingehalten werden. Wenn das passiert, dann haben wir noch einen Wald.

Moment: Und wenn diese Ziele nicht eingehalten werden?

Freidhager: Ab einer Erhöhung der Durchschnittstemperatur auf 3 Grad funktionieren unsere bisherigen Berechnungsmodelle nicht mehr. Denn dann kommen immer mehr Faktoren hinzu, die wir schwer abschätzen können: Dann könnten die Permafrostböden auftauen und zusätzliches CO2 in die Atmosphäre abgeben, dann werden auch die Ozeane immer wärmer und auch diese Auswirkungen sind auch noch nicht absehbar. Wir tun uns also schwer, hier ernsthafte Berechnungen anzustellen.

Moment: Können dann nur noch Palmen und Orangenbäume in Österreich wachsen?

Freidhager: So einfach ist das leider nicht. Der Chef der deutschen Landesforste hat einige Bodenbohrungen während Hitzewellen vorgenommen und teilweise bis zu eineinhalb Meter in der Tiefe keinen Tropfen Wasser gefunden. Er hat mich dann gefragt, welchen Baum er hier pflanzen soll – und darauf konnte ich ihm auch keine Antwort geben. Da kann einfach kein Baum mehr wachsen.

Moment: Aber nun werden auch viele Menschen sagen, dass das nach dem Endzeitszenario klingt, das in den Achtzigern aufgrund des Waldsterbens ausgerufen wurde …

Freidhager: Einerseits gebe ich Ihnen recht. Doch damals war sehr schnell die Ursache klar. Hohe Schwefelemissionen waren schuld am Waldsterben. Sofort wurden Maßnahmen eingeleitet und etwa der Treibstoff entschwefelt. Das war jedoch keine globale, sondern eine europäische, sehr überschaubare Sache. Doch der globale Klimawandel ist eine viel komplexere Angelegenheit.

Moment: Sehen Sie noch optimistisch in die Zukunft?

Freidhager: Doch. Angesichts der apokalyptischen Bilder aus Australien und den Reaktionen der dortigen Politiker, die noch immer nichts verändern wollen, beginnt man zwar ernsthaft an der Menschheit zu zweifeln, aber andererseits hätte ich eine Bewegung wie „Fridays for Future“ frühestens in fünf bis sieben Jahren für möglich gehalten. Ich dachte, dass zuvor alles noch viel schlimmer kommen muss, bevor ein ernstzunehmender, weltweiter Aufstand passiert. Es gibt viele Menschen, die guten Willens sind, etwas zu verändern. Doch wir müssen unsere Lebensweise massiv ändern. Und das ist im Gegensatz zum Waldsterben der 80er eben das schwierige. Übers Wochenende nach London zu fliegen, nur um dort einen Kaffee zu trinken, muss wirklich schwer in Frage gestellt werden.

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