Warum die Wirtschaft nicht immer weiter wachsen kann und muss
#1 Die Erde stößt bereits an ihre Belastungsgrenzen
Ewiges Wachstum ist in einer Welt mit planetaren Grenzen nicht möglich. Wir nutzen unseren Planeten aus, zerstören ihn und machen uns letztlich selbst unglücklich. Global gesehen sprengen wir einige dieser Grenzen. Würden alle Länder so wirtschaften wie Österreich, würde sogar jede einzelne planetare Grenze gesprengt werden. Schon jetzt sind wir bei der Phosphor- und Stickstoffnutzung und bei den vom Menschen eingebrachten künstlichen Stoffen (Chemikalien, Plastik, Pestizide, etc.) weit über der sicheren Belastungsgrenze.
Das gefährdet unsere Lebensgrundlage und damit unseren gegenwärtigen Lebensstil. Eine weitere planetare Grenze ist das Klima. Noch ist Zeit, die Klimakrise abzubremsen und uns an die Veränderungen anzupassen.
Angesichts dessen brauchen wir alternative Wirtschaftskonzepte, die auf das Wohlergehen aller statt auf Wirtschaftswachstum ausgerichtet sind. Mit denen soziale Ziele wie Bildung, Gesundheit und finanzielle Sicherheit erreicht werden können, ohne dass die planetaren Grenzen überschritten werden: beispielsweise die Donut-Ökonomie von Kate Raworth.
#2 Es braucht kein Wirtschaftswachstum, um soziale Ungleichheit zu bekämpfen
Wohlergehen ohne Wirtschaftswachstum ist nicht nur nötig, sondern auch möglich. Es wären genug Ressourcen da. Aber sie sind ungerecht verteilt. Weltweit ist jede zehnte Person von extremer Armut betroffen. Selbst in Österreich ist jede fünfte Person armutsgefährdet.
Gleichzeitig teilen sich 40.000 Menschen die Hälfte des Vermögens in Österreich, das reichste Prozent der Weltbevölkerung besitzt die Hälfte des globalen Vermögens und 100 Konzerne sind für 70 Prozent der globalen Treibhausgas-Emissionen verantwortlich.
Diese ungleiche Verteilung geht nicht weg, nur weil die Wirtschaft wächst. Wirtschaftswachstum sagt genau genommen nichts darüber aus, wie Wohlstand verteilt ist und wie es um das Wohlergehen einer jeden und eines jeden steht. Es kann indirekt – etwa über höhere Steuereinnahmen – helfen, die Bedürfnisse zu stillen. Aber das geschieht nicht zwangsläufig, sondern über eine entsprechende Verteilungspolitik und treffsichere Sozialleistungen.
Diese sind deshalb auch Kern von Wachstums-kritischen Konzepten wie jenem von Raworth oder Degrowth. Immer mehr Wissenschaftler:innen sprechen sich dafür aus. Die Konzepte richten sich nicht per se gegen Wachstum. Wenn das BIP wächst, dann wächst es eben. Aber wichtiger sind Maßnahmen wie die 4-Tage-Woche, ein bedingungsloses Grundeinkommen und ein sparsamer Umgang mit Ressourcen. Gerade in Niedrigeinkommensländern wird die Wirtschaft aber erst einmal trotzdem weiter wachsen müssen, damit allen ein lebenswertes Leben möglich wird.
#3 Wirtschaftswachstum steigert nicht automatisch das Wohlergehen
Ein Ölkonzern, der CO2 verursacht, trägt genauso zur Wirtschaftsleistung bei wie ein Unternehmen, das dieses CO2 wieder einfängt und bindet. Denn wir messen die Wirtschaftsleistung daran, wie viele Produkte und Dienstleistungen in einem bestimmten Zeitraum gegen Geld gekauft werden. Angegeben wird das im Bruttoinlandsprodukt (BIP). Trotz Wirtschaftswachstum sind wir aber nicht glücklicher oder wohlhabender als vorher.
Andererseits misst das BIP zum Beispiel weder die unbezahlte Kinderbetreuung noch die Pflege durch Angehörige. Im letzten Jahr wurde alleine in Österreich unbezahlte Care-Arbeit im Wert von fast 180 Milliarden Euro geleistet, die nicht im BIP gelistet ist.
Deshalb braucht es Maßstäbe, die Glück und Wohlergehen in den Fokus stellen. Es gibt bereits Ansätze: beispielsweise den Human Development Index der Vereinten Nationen (deutsch: “Index der menschlichen Entwicklung”), das Umwelt-BIP oder das Bruttonationalglück, das mit über 30 Fragen das Glücksniveau der Einwohner:innen Bhutans ermittelt. Auch einige Länder beginnen, sich vom Wirtschaftswachstum als oberstes Ziel zu verabschieden. Für Island, Schottland und Neuseeland ist Glück wichtiger als Wachstum.