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Ungleichheit
Arbeitswelt

Warum wir ein Grundeinkommen brauchen, in 7 Punkten

In Ihrem Buch "Vom Wert des Menschen" setzt sich Politikwissenschaftlerin Barbara Prainsack mit Argumenten für und gegen das bedingungslose Grundeinkommen auseinander und zeigt, wie es funktionieren könnte.

Die Corona-Krise hat viele Menschen in Österreich und auf der ganzen Welt in existenzielle Nöte gestürzt. Und viele, die noch keine existenziellen Nöte erleiden müssen, haben Angst vor dem wirtschaftlichen Morgen. Hunderttausende verloren allein hierzulande ihren Job, Millionen sind in Kurzarbeit. KleinunternehmerInnen, die plötzlich ohne Umsätze dastehen, müssen um Förderungen ansuchen. Ob sie etwas bekommen, wieviel das sein wird und wie lange das reicht, ist ungewiss.

Gerade jetzt wird eine Idee wieder populär, die verhindern soll, dass Menschen in existenzielle Not geraten oder in Sorge davor leben müssen: das bedingungslose Grundeinkommen. Die Politikwissenschaftlerin Barbara Prainsack forscht dazu und hat jetzt ein Buch veröffentlicht (hier findest du unser Interview mit ihr dazu). In „Vom Wert des Menschen“ geht sie der Frage nach, wie Grundeinkommen funktionieren kann, wie es unsere Gesellschaft und die Wertschätzung für jeden einzelnen Menschen verändern könnte und was das Grundeinkommen mit den Menschen macht, die es erhalten.

#1 Wächst die Unsicherheit, wird das Grundeinkommen populär

Prainsack hat für ihr Buch mit vielen Menschen gesprochen, mit GegnerInnen wie BefürworterInnen des Grundeinkommen. Sie hat Umfragen zum Grundeinkommen durchgeführt. Eine Erkenntnis daraus: „Viele sagen jetzt in der Krise: Wenn es eh schon so schwer ist, wieso muss ich mir noch die Unsicherheit darüber antun oder anderen antun, ob ihnen geholfen wird und wie viel Geld sie bekommen“, so Prainsack im Interview mit MOMENT. Ein weiteres Ergebnis ihrer Untersuchungen: BefürworterInnen und GegnerInnen des Grundeinkommens halten sich in Österreich inzwischen die Waage.

#2 SozialdemokratInnen tun sich schwer mit dem G-Wort

In neun Kapiteln porträtiert Prainsack einzelne Menschen: Die Studentin, die ebenso wie ihre Eltern soziale Gerechtigkeit fordert und dennoch mit ihnen streitet. Denn sie ist für ein bedingungsloses Grundeinkommen für alle, ihre links denkenden Eltern dagegen. Denn, so der Vater, ein Grundeinkommen höhle den Sozialstaat aus.

Auch deshalb seien viele SozialdemokratInnen skeptisch gegenüber dem Grundeinkommen, so Prainsack. Die Gefahr: “Mit einem Grundeinkommen könnten Sozialleistungen abgebaut, der Staat weiter zurückgedrängt und die Allgemeinheit aus der Verantwortung entlassen werden, allen eine Arbeit zu ermöglichen”, schreibt sie.

#3 Ein privat finanziertes Grundeinkommen? Schlechte Idee

Genau aus diesem Grund würden so manche sehr reiche Menschen für ein Grundeinkommen eintreten. Sie fordern sogar, dass private Stiftungen das Grundeinkommen finanzieren. Eine Idee, der Prainsack nichts abgewinnen kann. “Was ist, wenn die selbsternannten Philanthropen – oder deren Erben – irgendwann keine Lust mehr verspüren, ihre Milliarden für ein Grundeinkommen auszugeben?” fragt sie. Das Grundeinkommen “in die Hände launiger Firmengründer” zu legen und den Sozialstaat abzuschaffen, sei jedenfalls keine Lösung.

#4 Wo sich bisherige Versuche positiv auswirkten: bei der Gesundheit

Zu Wort kommt auch der Trump-Wähler, der zum ersten Mal von der Idee hört und der Unternehmer, der glaubt ein Grundeinkommen schade der Wirtschaft. Vom Kleinen aus schlägt Prainsack den Bogen ins Große. Ein historischer Abriss der Idee des Grundeinkommens, die ja keineswegs neu ist, vielmehr bis in die Antike zurückreicht, fehlt ebenso wenig wie ein Blick auf bisherige Versuche mit dem Grundeinkommen und deren gemischte Bilanz.

Prainsack legt dar, wie sich ein Grundeinkommen auf die Gesundheit der Menschen auswirkt. So zeigten Versuche mit dem Grundeinkommen etwa in Kanada und Finnland, dass sich die Krankenhausaufenthalte der TeilnehmerInnen verringerten, sie weniger psychische Probleme hatten und sich zum ersten Mal seit langem “wieder wie Menschen”, fühlen konnten, zitiert Prainsack einen Teilnehmer der Versuche.

#5 Es kostet, aber es bringt auch etwas für die Volkswirtschaften

All das würde dem Gesundheitssystem auch Geld sparen. Prainsack unternimmt den Versuch einmal durchzurechnen, was ein Grundeinkommen uns alle kosten, wie es finanziert werden und was es der Volkswirtschaft bringen könnte. Sie zeigt, dass ein bedingungsloses Grundeinkommen einen überhitzten Immobilienmarkt abkühlen könnte.

Denn es verhindere, „dass Menschen zur Absicherung ihres Wohlstands in den Ankauf von Wohnungen oder Häusern investieren, was wiederum die Immobilienpreise für alle steigen lässt“, so Prainsack. Ein Effekt übrigens, der sich nur verhindern ließe, “wenn alle darauf vertrauen können, dass ein einmal eingeführtes Grundeinkommen auch in Zukunft bestehen bleibt“.

#6 Grundeinkommen ist Ausdruck von Wertschätzung für alle Menschen

Immer wieder kommt Prainsack auf die Frage zurück, die den Titel des Buches liefert. Der Frage nach dem Wert des Menschen. Der orientiere sich heute vor allem danach, ob jemand einer Erwerbsarbeit nachgeht oder eben nicht. „Und natürlich schlägt sich heutzutage die gesellschaftliche Wertschätzung für eine Tätigkeit nicht zuletzt in der Höhe der Bezahlung nieder“, schreibt sie.

Die Corona-Krise habe „erstmals ein breiteres Verständnis dafür geschaffen, wie weit die Schere zwischen gesellschaftlicher Bedeutung einer Tätigkeit und deren finanzieller Anerkennung auseinander klafft“, so Prainsack. Und daneben leisteten viele Menschen, vor allem im sozialen Bereich und innerhalb der Familie, Arbeit, die überhaupt nicht entlohnt und damit nicht ausreichend wertgeschätzt werde.

#7 Ein Grundeinkommen bringt nichts ohne Sozialstaat

Könnte ein Grundeinkommen etwas daran ändern? Prainsack trägt Für und Wider zusammen. Vorurteilsfrei lässt sie alle Seiten zu Wort kommen. „Ich bin Wissenschaftlerin und keine Aktivistin für das Grundeinkommen“, sagt sie zu MOMENT. Und sie sagt auch: „Jedem Menschen jeden Monat eine bestimmte Summe aufs Konto zu überweisen: Damit allein wäre es nicht getan.“

Denn das Grundeinkommen könne nur die Butter auf dem Brot von Grund-Dienstleistungen wie bezahlbarem Nahverkehr, für alle Menschen kostenlos bereitgestellter Bildung, Gesundheitsversorgung und Pflege. Diese sollten staatlich finanziert sein. “Erst dann sollte man darüber nachdenken, auf dieses Modell ein Grundeinkommen gewissermaßen draufzusetzen.”

Bei einem Grundeinkommen gehe es „nicht zuletzt um Gleichheit, Gerechtigkeit, ja, auch: Solidarität“, schreibt Prainsack. Ihre abschließende Einschätzung fällt klar aus: Wir brauchen als zusätzliche Ergänzung zum Sozialstaat ein bedingungsloses Grundeinkommen für alle. Es würde die Gesellschaft zum Positiven verändern.

 
Buchcover von Prainsacks Buch "Vom Wert des Menschen" ist in der Ästhetik einer Rechnung gestaltet.

Barbara Prainsack: „Vom Wert des Menschen“ – Warum wir ein bedingungsloses Grundeinkommen brauchen. Antworten zur Zukunft der Arbeit und des Sozialsystems. Brandstätter Verlag, 192 Seiten, 20 Euro.

Veranstaltungshinweis: Am 7. Oktober präsentiert Barbara Prainsack das Buch erstmals. Wo? Thalia Wien, Mariahilfer Straße 99, 1060 Wien.

 

Offenlegung: Barbara Prainsack ist Mitglied des Advisory Boards des Momentum Instituts.

 

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