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Klimakrise
Fortschritt

Wer hat Angst vor der CO2-Steuer?

Eine Steuer auf den Ausstoß von Kohlenstoffdioxid scheint der Hebel, um den Austoß von Treibhausgasen zu reduzieren. In Österreich wird die Abgabe zum Wahlkampfschlager. Was ist die CO2-Steuer? Was bringt sie und was soll sie kosten?

Kurz gefasst:

Die Rechnung könnte einfach sein: Wer Treibhausgase in die Luft bläst, muss Geld dafür zahlen. Sagen wir einmal 120 Euro pro Tonne CO2. Befüllt der SUV-Fahrer den Tank seines Autos mit 75 Liter Diesel, muss er dann zusätzlich zum Spritpreis rund 28 Euro ausgeben. Schließt der Besitzer des Elektroautos sein Fahrzeug an die Steckdose an, zahlt er für das Aufladen einer Reichweite von 400 Kilometern 1,80 Euro mehr. Wirft der Eigenheimbesitzer seine Ölheizung an, kostet ihn das bei einem Jahresverbrauch von 2.400 Liter rund 1.000 Euro mehr. Und wer für ein verlängertes Wochenende von Wien nach Berlin fliegt, dessen Tickets verteuern sich um knapp 35 Euro. Etwas mehr für Strom, spürbar mehr für Benzin, Diesel und Flugreisen und viel mehr für Heizöl: So würden sich die Preise mit einer CO2-Steuer verändern. Kann man damit das Klima retten? Und wie soll das funktionieren, ohne dass die draufzahlen, die eh schon wenig Geld zur Verfügung haben? Eine Annäherung!

Was ist CO2?

CO2 steht für Kohlenstoffdioxid oder Kohlendioxid. Das Gas ist farblos, geruchlos, nicht brennbar. Wir atmen es aus und setzen es Cola und Bier als prickelndes Element zu. Pflanzen nehmen CO2 auf und geben Sauerstoff ab. Dieser Kohlenstoffkreislauf ist unabdingbar für Leben auf der Erde. Sterben Pflanzen, werden sie zu Biomasse und über Millionen Jahre entsteht aus dem gespeicherten Kohlenstoff Erdöl, Erdgas und Kohle. Werden diese fossilen Energieträger verbrannt, entsteht wieder CO2.

Na und? Wo liegt das Problem?

Kohlendioxid ist ein Treibhausgas. Je höher sein Anteil an der Erdatmosphäre ist, desto wärmer wird es. Weil er fossile Rohstoffe verbrennt, produziert der Mensch seit Beginn der Industrialisierung Jahr für Jahr mehr CO2, 2018 waren es 33 Gigatonnen. Das entspricht ungefähr dem Gewicht aller Einwohner der EU. Der Anteil von CO2 in der Atmosphäre ist inzwischen um 50 Prozent gestiegen. Seitdem hat sich die globale Temperatur bereits um ein Grad Celsius erhöht. Polkappen und Alpengletscher schmelzen, Ökosystemen droht der Kollaps. Die Folgen davon verschärfen die Klimakrise weiter.

Warum brauchen wir jetzt eine Lösung?

Im Pariser Klimaabkommen haben sich die Staaten der Welt verpflichtet, die Erderwärmung auf deutlich unter 2 Grad begrenzen zu wollen. Wissenschaftler schlagen Alarm: “Wir müssen dieses Ziel erreichen. Halb daneben ist auch daneben”, sagt die Klimaforscherin Helga Kromp-Kolb von der Universität für Bodenkultur in Wien zu Moment. Steigt die Temperatur noch weiter an, lässt sie sich irgendwann gar nicht mehr stoppen, mit katastrophalen Folgen. Die EU-Staaten haben sich deshalb verpflichtet, ihren CO2-Ausstoß bis 2030 um 40 Prozent gegenüber dem Wert im Jahr 1990 zu senken und bis 2050 klimaneutral zu sein.

Was ist eine Steuer auf CO2?

Um das zu schaffen, könnte die CO2-Steuer ein Mittel sein. Für jede Tonne an Kohlendioxid, die aus Auspuffen und Kaminen steigt, muss dann gezahlt werden. Die Steuer soll es attraktiver machen, weniger klimaschädlich zu heizen, zu reisen und zu produzieren. Vor fast 30 Jahren führte Finnland als erstes Land eine solche Abgabe ein. Inzwischen sind 24 weitere Staaten nachgezogen.

Bringt das was?

Schweden verrechnet weltweit die höchste Steuer auf CO2: 1.180 Schwedische Kronen pro Tonne. Das sind je nach Wechselkurs 110 bis 120 Euro. “Wenn die ganze Welt eine solch hohe CO2-Steuer erheben würde, wäre es möglich, die meisten Klimaprobleme zu lösen”, sagt Thomas Sterner, Professor für Umweltwirtschaft an der Universität Göteborg zu Moment. Tatsächlich konnte Schweden seine Treibhausgas-Emissionen massiv senken, seit es die CO2-Steuer eingeführt hat: um 26 Prozent auf 55 Millionen Tonnen im Jahr 2017. Sterner ist überzeugt: Wenn die CO2-Steuer wirken soll, muss sie zu spüren sein.

Und in Österreich?

Die Treibhausgas-Emissionen liegen hierzulande mit mehr als 80 Millionen Tonnen noch immer deutlich über dem Niveau von 1990. Eigentlich will Österreich seine Emissionen bis 2030 um 36 Prozent gegenüber 1990 reduzieren. Österreich sei beim Klimaschutz „in jeder Hinsicht weit hinten. Das ist zum Fremdschämen“, sagt Reinhard Steurer, Professor am Institut für Wald-, Umwelt- und Ressourcenpolitik der BOKU Wien zu Moment. Die Europakarte des Treibhausgas-Ausstoßes zeigt: Viele Länder konnten ihren CO2-Ausstoß reduzieren, in Österreich hingegen stieg er an. „In Zukunft wird man an CO2-Steuern nicht vorbeikommen“, sagt Steurer. Auch Umweltministerin Maria Patek schrieb jüngst in einer Anfragebeantwortung: Angesichts der Dringlichkeit sei „ein klares CO2-Preissignal notwendig“.

Was soll das kosten?

Zahlreiche Studien haben berechnet, wie stark jede Person durch die CO2-Steuer belastet würde. Dabei wird klar: Benzin und Diesel würden deutlich teurer, um bis zu 40 Prozent. Autopendler würden stärker belastet, und zwar unabhängig davon, ob sie sich das nun leisten können oder nicht. Fakt ist aber auch: Sollte es nicht gelingen, weniger CO2 zu erzeugen, wird es noch teurer. Österreich müsste dann für jede Tonne CO2, um die es die Klimaziele verfehlt, zahlen. Die damalige Umweltministerin Elisabeth Köstinger (ÖVP) räumte ein, dass das bis 2030 bis zu 6,6 Milliarden Euro kosten könnte. Auch dieses Geld muss jemand aufbringen, am Ende wohl alle Personen in Österreich. Und: „Extreme Wetterereignisse und gesundheitliche Belastungen werden zunehmen“ sagt Karl Steininger, Klimaökonom der Universität Graz zu Moment. Im vergangenen Jahr gab es 766 Hitzetote, fast doppelt so viele wie im Straßenverkehr. Die Zahl werde weiter steigen, so Experte Steininger. Für die Jahre 2020 bis 2030 rechnet er mit wetter- und klimabedingten Schäden in Höhe von drei Milliarden Euro, pro Jahr.

Was wollen die Parteien?

Der Klimaschutz ist das Top-Thema im diesjährigen Nationalratswahlkampf: Mehr als 13 Minuten lang ging es im ORF-Sommergespräch mit SPÖ-Spitzenkandidatin Pamela Rendi-Wagner darum. Elfeinhalb Minuten sprach ÖVP-Chef Sebastian Kurz darüber. Seine Partei lehnt eine CO2-Steuer ab. Kurz setzt in der Klimakrise auf Wasserstoff. Die SPÖ will, zumindest auf nationaler Ebene, keine CO2-Steuer, fordert stattdessen eine Lösung auf EU-Ebene. Die FPÖ formuliert es recht klar: “Eine sogenannte ‚Luftsteuer‘ auf CO2 lehnen wir entschieden ab”, heißt es im Wahlprogramm. Stattdessen soll eine “Umweltprämie” beim Kauf eines neuen Autos CO2 reduzieren. Neos, Grüne und Liste Jetzt fordern hingegen die CO2-Steuer. Bei allen dreien soll sie den BürgerInnen unter dem Strich nicht mehr kosten, als sie bisher an Abgaben leisten.

 
Kohlekraftwerk Ratcliffe-on-Soar, England. Zu sehen sind vier Meiler eines Kohlekraftwerks, die Rauch ausstoßen und in rötliches Sonnenlicht getaucht sind.

Kohlekraftwerk Ratcliffe-on-Soar, England – Foto: Diana Parkhouse

Bezahlen wir nicht eh schon CO2-Steuer?

Energiesteuern, Abgaben auf Benzin und Diesel, der europäische Emissionshandel: Schon heute wird in Österreich kassiert, wenn fossile Rohstoffe verbrannt werden. Aber, so WIFO-Forscherin Claudia Kettner zu Moment: “Die bestehenden Energiesteuern spiegeln nicht den CO2-Ausstoß wider.” Der Europäische Emissionshandel hingegen schon: An jeder Industrieanlage in Österreich hängt ein Mascherl, wie viele Tonnen CO2 es jährlich erzeugen darf. Block 3 des Kraftwerks Simmering der Wien Energie wird in diesem Jahr mit 78.461 Tonnen CO2 taxiert, das Linzer Voestalpine Stahlwerk darf fast 6 Millionen Tonnen Treibhausgas erzeugen. Für jede weitere Tonne müssen zusätzliche Verschmutzungsrechte gekauft werden. Das Problem: Der Preis dafür war lange Zeit so niedrig, dass er keine Anreize für Klimaschutz gab. Mit derzeit 25 Euro pro Tonne CO2 ist er laut Experten noch immer viel zu gering.

Wie wird damit Politik gemacht?

Die Stahlwerke der VÖEST stoßen so viel CO2 aus wie kein anderer Betrieb in Östrerreich. Dennoch war es zuallererst die VÖEST, die dafür sorgte, dass die CO2-Emissionen zuletzt erstmals seit Jahren wieder sanken. „Unsere #mission2030 zeigt Wirkung“, schrieb Elisabeth Köstinger auf Twitter. Doch am Klimakonzept der damaligen Regierung lag es nicht. Einer der Hochöfen in Linz war zur Wartung außer Betrieb, der Ausstoß von 1,6 Millionen Tonnen CO2 wurde so vermieden. Dazu kam ein milder Winter. Für Klimaökonom Steininger ist der Jubel über die vermeintlich bessere CO2-Bilanz daher „grob irreführend“.


 

Weiterlesen bei uns:

Weiterführende Links:

Studien:

Für diesen Text haben wir mit zahlreichen Expertinnen und Experten zum Thema gesprochen: Vielen Dank an Claudia Kettner (WIFO), Helga Kromp-Kolb (BOKU Wien), Obfrau Climate Change Centre Austria), Karl Steininger (Universität Graz), Thomas Sterner (Universität Göteborg), Reinhard Steurer (BOKU Wien).

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