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Klimakrise
Demokratie

Regierungsprogramm: Diese Stellen klingen fad, aber sind brisant

Selbst wer es zur Gänze liest, wird nicht bei allen Formulierungen verstehen, was dahinter steckt. Wir haben uns besonders langweilig klingende Stellen herausgesucht, die es aber ganz schön in sich haben können

Das Regierungsprogramm ist ein dickes Ding. Selbst wer es zur Gänze durchliest, wird nicht bei allen Formulierungen verstehen, was dahinter steckt. Wir haben uns besonders langweilig klingende Stellen herausgesucht, die es aber ganz schön in sich haben.

Neben großen Diskussionen um Sicherungshaft und Co ist bei der Präsentation der Regierung Anfang des Jahres einiges untergegangen. Wir haben das Kleingedruckte im Regierungsprogramm analysiert und problematische Stellen gefunden.

1. Abschaffung der Mindest-Körperschaftssteuer (KÖSt)

Im Regierungsprogramm steht:

Wo ist das Problem?

Unabhängig vom Gewinn zahlen Kapitalgesellschaften Körperschaftssteuer, die sich an ihrem Stammkapital orientiert. Dass eine Senkung der KÖSt kleinere und mittlere Unternehmen entlastet, ist ein Mythos. Das gilt auch für die Abschaffung der Mindest-KÖSt, auch wenn das auf den ersten Blick seltsam erscheint. Denn vor allem große Konzerne profitieren hiervon, weil sie – oft aus steuerlichen Gründen – mit komplexen GmbH-Konstruktionen agieren. Bislang fällt für jede dieser GmbHs Mindest-KÖSt an. 

Selbst wenn die Mindest-KÖst bleibt, hätte eine Senkung des Mindeststammkapitals von GmbHs einen ähnlichen Effekt: die Höhe der Mindest-KÖSt orientiert sich am Stammkapital. Im Ergebnis bedeutet deshalb eine Senkung des Stammkapitals weniger Einnahmen aus der Mindest-KÖst und höhere Gewinne für Konzerne.

2. Keine Steuern für Aktien, die behalten werden

Im Regierungsprogramm steht:

Was ist das Problem?

Kursgewinne sind Einkommen ohne Leistung. Seit 2011 werden sie mit der Kapitalertragsteuer (KESt) besteuert. Davor gab es eine Mindestbehaltefrist. Das heißt: Wenn die Aktien eine bestimmte Zeit gehalten werden, bleiben solche Kursgewinne völlig steuerfrei. Damit sollen langfristige Anleger belohnt werden.

In keinem anderen Bereich gibt es so eine Belohnung. Wer Jahrzehnte arbeitet, zahlt nicht weniger Lohnsteuer, wer ewig lange spart, zahlt dennoch gleich viel KESt. In Österreich haben nur sehr wenige Menschen überhaupt Aktien, zum überwältigenden Großteil sind es jene mit hohem Einkommen und Vermögen. Eine Behaltfrist einzuführen wäre also letztlich ein Steuerzuckerl für Reiche auf Kosten aller jener, die nicht genug Kapital für risikoreiche Investments in Aktien oder Fonds haben.

3. Bürger-Stiftung für Investitionen in den Klimaschutz

Im Regierungsprogramm steht:

Was ist das Problem?

Die Formulierung ist etwas unklar, erinnert aber an die Idee des deutschen Wirtschaftsministers Peter Altmaier. Er wollte einen Fonds schaffen, der in Klimaschutz investiert. Dieser sollte nicht vom Staat finanziert werden, sondern eigene Anleihen ausgeben, die BürgerInnen kaufen können.

Der Haken: Die Anleihen sollten um 2% höhere Zinsen erhalten als Staatsanleihen. Das macht die Idee um ein Vielfaches teurer als die Finanzierung aus dem Staatshaushalt. Denn mit Staatsanleihen kann der Finanzminister derzeit zu Zinsen unter 0 Prozent Investitionen durchführen. Im Ergebnis bedeutet so ein Fonds also eine Förderung für die Finanzindustrie, bezahlt von allen SteuerzahlerInnen.

4. Stärkere Zusammenarbeit zwischen ORF und Privaten

Im Regierungsprogramm steht:

Was ist das Problem?

Zumindest bisher ist die Zusammenarbeit zwischen ORF und Privaten eine Einbahnstraße: Der Öffentlich-Rechtliche ORF stellt zehntausende Stunden Video zur Verfügung, die Mitglieder der APA günstig nutzen können. Freie Medien und Privatpersonen sind davon jedoch ausgeschlossen. Umgekehrt stellen die Privaten dem ORF kaum Videos über die APA zur Verfügung.

Hinter der Formulierung im Regierungsprogramm könnte sich ein gesetzlicher Zwang zu solch einseitigen Kooperation verbergen, der letztlich auf eine Finanzierung privater, hochprofitabler Medienkonzerne aus Gebührengeldern hinausläuft. 

5. Umgehung von Spendenverboten über Landesparteien

Im Regierungsprogramm steht:

Was ist das Problem?

In dieser Stelle des Regierungsprogramms versteckt sich eine Einschränkung der Transparenzbestimmungen für Parteilandesorganisationen und damit ein Einfallstor für die Umgehung von Spendenlimits. Wir erinnern uns: Heidi Horten hatte der ÖVP monatlich 49.000 Euro überwiesen. Solche Spenden an die Bundespartei sind nicht mehr möglich – an Landesorganisationenen wie die ÖVP Niederösterreich hingegen weiterhin.

6. Ein verfassungskonformer Bundestrojaner

Im Regierungsprogramm steht:

Was ist das Problem?

Hinter dieser Formulierung verbirgt sich die Idee, einen weiteren Anlauf zur Überwachung verschlüsselter Messenger-Dienste wie WhatsApp, Signal oder Telegram zu ermöglichen. Voraussetzung dafür ist die Installation von staatlichen Überwachungstools, sogenannter „Staatstrojaner“. Solche waren jedoch in der erwähnten VfGH-Entscheidung nur in engen Grenzen für zulässig erklärt worden. Einer der Hauptkritikpunkte an solch staatlicher Überwachungssoftware ist, dass dafür Sicherheitslücken ausgenutzt bzw. bewusst offen gelassen werden, was letztlich unser aller IT-Sicherheit gefährdet. 

7. Liberalisierung der ÖBB

Im Regierungsprogramm steht:

Was ist das Problem?

Schon heute kämpft die ÖBB damit, dass sie im Regionalverkehr gezwungen ist, langfristige Investitionen in Züge mit einer Lebensdauer von über 20 Jahren vorzunehmen, Verträge aber nur noch für maximal 10 Jahre vergeben werden. Hinzu kommt, dass wettbewerbliche Vergabe im Bereich Bahn, Bus und Bim die Gefahr großer Nachteile für MitarbeiterInnen (höherer Lohndruck) und KundInnen (höhere Preise) mit sich bringt. Europas Vorzeigebahnland Schweiz verzichtet deshalb auch konsequent auf „Marktkonformität“ und setzt stattdessen auf Qualität und Pünktlichkeit.

8. Ausgleich von Kürzung der EU-Agrarförderungen (z.B. wegen Brexit) aus nationalem Budget

Im Regierungsprogramm steht:

Was ist das Problem?

Die Regierung verpflichtet sich, jegliche Kürzung der EU-Agrarförderung aus dem nationalen Budget auszugleichen. Dabei gehören Bauern ohnehin schon zu den vermögenderen Gruppen in Österreich und die bis zu 100 Millionen Euro würden andere Stellen wohl dringender benötigen.

Der Text entstand unter Mitwirkung von Leonhard Dobusch, Oliver Picek und Lisa Wölfl.

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