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Gesundheit

Du willst wissen, wie lange du leben wirst? Wie viel verdienst du denn?

Was ist gut für deine Gesundheit? Gute Ernährung? Sicher. Glück mit den Genen? Natürlich. Eine saubere Umwelt? Freilich. Zwei andere Faktoren werden aber gerne unterschätzt. Dein Einkommen und in welchen Gesundheitssystem du lebst. Ein Kommentar zum Weltgesundheitstag.

Das Menschenrecht auf eine möglichst gute Gesundheit kann seit der Gründung der Weltgesundheitsorganisation (WHO) vor 75 Jahren offensichtlich nicht überall auf der Welt garantiert werden. 30% der Weltbevölkerung fehlt sogar der Zugang zu grundlegenden Leistungen.

Weltgesundheitstag: In welchem Bezirk du wohnst, bestimmt Lebenserwartung

Dass ein gesundes Leben aber schon auch in reichen Gesellschaften nicht für alle gleich selbstverständlich ist, wird hingegen oft noch übersehen. Das Momentum Institut hat sich das Thema zum Weltgesundheitstag angesehen. Der findet immer am7. Aprilstatt. Diesmal unter dem Motto „Gesundheit für alle“.

Klar ist: Gesundheit ist nicht für alle gleich. Der Blick auf die Bezirke in Wien zeigt das. Der ist schließlich auch eine Annäherung an das Einkommen. Im durchschnittlich sehr reichen 1. Bezirk werden Menschen im Schnitt 82,7 Jahre alt. Sie werden also 8 Jahre älter als etwa in den nicht so reichen Bezirken Floridsdorf oder Favoriten.

Einkommen als wichtiger Faktor

Das Einkommen ist nicht der einzige Faktor, der auf die Lebenserwartung wirkt. Aber – direkt und indirekt – ein gewichtiger. Wenn man die Lebenserwartung und mittleren Einkommen in den Wiener Bezirken statistisch auswertet, wird der Zusammenhang klar.

 
Je höher das Nettoeinkommen, desto höher die Lebenserwartung in Wiens Bezirken. Die Größe der Kreises zeigt die Größe des Bezirks an.

Wer in ärmeren Bezirken wohnt, stirbt früher

Aber nicht nur die Lebenserwartung in Bezirken zeigt diesen Zusammenhang. Auch die österreichweite, gefühlte Gesundheit macht klar: Wer ärmer ist, fühlt sich viel öfter schlecht. Wer reicher ist, fühlt sich viel öfter gesund.

 
Nur 3,5 Prozent der österreichischen Beschäftigten im reichsten Einkommensfünftel haben einen schlechten oder sehr schlechten Gesundheitszustand. Im ärmsten Einkommensfünftel sind es 4mal so viele, nämlich rund 14 Prozent.

Je geringer das Einkommen, desto schlechter der Gesundheitszustand

Begründungen dafür zu finden, ist nicht schwierig. Wer reich ist, arbeitet im Büro statt in körperlich anstrengenden und vielleicht auch gefährlichen Verhältnissen. Man kann sich immer die nötigen Medikamente leisten, bessere Lebensmittel kaufen, lebt in besseren Wohnungen und in gesünderen Umgebungen. Wer mehr verdient, verliert viele Sorgen und verringert mittlerweile sogar schon seine Arbeitszeit stärker.

Dass Einkommen und Gesundheit zusammenhängen, lässt sich auch nicht nur in Österreich feststellen. Kürzlich verglich die Financial Times ähnliche Daten aus den USA und England. Die Datenlage ist dort viel besser. Dadurch sind auch genauere Aufschlüsselungen als in Österreich möglich.

Die Lebenserwartung in England und den USA nach Einkommen.

Die Lebenserwartung in England und den USA nach Einkommen

In beiden Ländern lebt man wesentlich länger, wenn man gut verdient. Am oberen Ende der Einkommen steigt die Lebenszeit deutlich an, am unteren Ende fällt sie besonders in den USA rapide ab. Das Ergebnis ist brutal. Das ärmste Prozent in den USA verliert fast 14 Lebensjahre im Vergleich zum reichsten Prozent. In England sind es immer noch 9.

Aber: Die Engländer:innen aus jedem einzelnen Einkommensprozent werden älter, als die US-Amerikaner:innen aus demselben „Perzentil“ in ihrem Land.

Innerhalb der Länder bestimmt das Einkommensgefälle die Lebenserwartung. Im Vergleich zwischen Staaten gibt es andere Effekte.

Innerhalb der Länder bestimmt das Einkommensgefälle die Lebenserwartung. Im Vergleich zwischen Staaten gibt es andere Effekte.

Dabei sind die absoluten Einkommen in den USA rein auf dem Papier höher. Wer in den USA wirklich dieselbe Summe verdient wie in England, lebt allerdings etwa 5 Jahre kürzer. Mehr Nettoeinkommen allein ist also ein Teil der Geschichte, aber nicht die ganze.

Es gibt ein paar Besonderheiten, warum das US-Sterbealter so niedrig ist. Die Krise mit Opioiden und Waffengewalt gehören dazu. Beide kann man wohl ebenfalls nicht ohne soziale und verteilungspolitische Ebene analysieren.

Aber ein anderer großer Unterschied in diesen Ländern sind die öffentlichen Leistungen, und wie zugänglich sie für alle sind. Zwischen Wiener Bezirken unterscheiden die sich kaum, zwischen verschiedenen Ländern aber sehr wohl. Auch zwischen wirtschaftlich ähnlichen. Sowohl England als auch die USA sind wie Österreich wohlhabende Länder mit Zugriff auf praktisch alle modernen Technologien.

Öffentliche Leistungen machen großen Unterschied

In Österreich und England sind die öffentlichen Gesundheitssysteme ein Ausdruck des nationalen Stolzes – auch wenn besonders das britische NHS in den letzten Jahren deutlich unter der neoliberalen Sparpolitik leiden musste. Die Dienste dieser Systeme stehen allen Bewohner:innen weitgehend offen. Im Vergleich zum stark privatisierten US-System bringt das ganz andere Ergebnisse. Die durchschnittliche Lebenserwartung unterscheidet sich in Österreich (82,4 Jahre), Großbritannien (82,2) und den USA (78,2) deutlich (Daten: UNO, 2022).

Aber solch allgemeinen Zahlen verdecken eben immer noch die oben genannten Ungleichheiten innerhalb eines Landes. Bei den Menschen mit den höchsten Einkommen sind die Unterschiede vernachlässigbar. Die ärmeren sterben früher. Das liegt daran, wenn das Gesundheitssystem zwar modern ist, aber der Zugang dazu nicht für alle Bewohner:innen gleich gut gesichert ist.

Die Lebenserwartung hängt somit indirekt auch noch an einem anderen Punkt. An der Steuer- und Abgabgenquote. In Österreich ist sie im internationalen Vergleich hoch, in Großbritannien etwas niedriger und in den USA noch niedriger. Neoliberale und konservative Lobbyist:innen erzählen uns davon gerne empört. Sie stellen den Staat dann auch gerne als gierig dar. So als wären wir alle reich, müssten wir nur weniger Steuern zahlen.

Private Ausgaben verschwinden in Ländervergleichen oft

Aber ob wir auf Teile unseres Einkommens zwei Prozent mehr oder weniger Steuern zahlen, macht ab einem gewissen Punkt wenig Unterschied für unser Leben. Es ist zu wenig, nur zu fragen, wie viel Geld unser Staat braucht. Man muss zumindest auch wissen, was der Staat mit dem Geld tut. Und woher kommen die Unterschiede zwischen den Ländern bei der Quote in diesem Vergleich? Dass in Österreich mehr soziale Netze staatlich statt privat finanziert werden. Das betrifft Pensions- und die Arbeitslosenversicherung – aber natürlich auch Gesundheitssysteme und ihre Angebote.

In Österreich oder auch England zahlt jeder mit seinem Einkommen in die allgemeine Krankenversicherung ein. Aber wer arbeitslos oder gerade aus anderen Gründen knapp bei Kasse ist, hat deshalb auch immer Zugang dazu. In den USA wird insbesondere die Gesundheitsversorgung in den Privatbereich ausgelagert. Der Staat muss dafür nichts ausgeben und deshalb auch keine Steuern dafür einheben. Das macht sich in oberflächlichen Vergleichen von Steuerquoten gut. Aber statt im Notfall von einem System abzuhängen, in das alle einzahlen, hängt die Gesundheit der Menschen deshalb vom persönlichen Einkommen ab.

Sparen tun sich die einzelnen Menschen nichts. Im Gegenteil: In keinem Land wird etwa mehr für diesen Bereich ausgegeben als in den USA (etwa 18% des BIP gegenüber rund 12% in Österreich oder Großbritannien). Weil die staatlichen Ausgaben zwar niedriger sein können, die privaten Ausgaben aber steigen. Man muss zwar nichts zur öffentlichen Krankenversicherung beitragen, aber dann eben an eine private zahlen. Private Anbieter wollen jedoch nicht nur ihre Kund:innen versorgen. Sie wollen immer auch Profit machen. Und deshalb ist eine private Versicherung teurer. Falls sie dich überhaupt versichern will. Mit Vorbelastung wirst du vielleicht nicht so ein gewinnbringender Kunde. 

Krankheit als Freiheit?

Die Entscheidung, ob man eine staatliche Gesundheitsversicherung haben muss oder auf eine profitorientierte verzichten darf, wird uns politisch ebenfalls immer wieder als Freiheit verkauft. Aber sie macht die Gesundheit für die einzelnen Menschen lediglich zur finanziellen Frage. Die Entscheidung lautet selten: Will ich mir eine Gesundheitsversorgung leisten? Wer Geld hat, leistet sie sich auch. 

Die wahre Frage ist: Kann ich mir eine Gesundheitsversorgung und -versicherung leisten? Deshalb haben in der Regel nur Menschen keine, die auf ihr Geld sehr genau schauen müssen. Es ist keine Entscheidung. Keine Freiheit.

Die finanziell Schwachen und die Mittelschicht zahlen auf jeden Fall immer. Im besten Fall (wenn sie gesund bleiben) nur mit einem gewaltigen Risiko, das dauernd im Hinterkopf bleibt: Alles, was man im Leben hat, kann mit einer Diagnose oder einem Unfall dahin sein. Wer hingegen das Pech hat, nicht ganz gesund zu bleiben, zahlt dafür oft mit einer niedrigerer Lebensqualität. Viele können sich dann entweder die beste Behandlung nicht leisten – oder eben andere alltägliche Dinge. Im schlimmsten Fall zahlen sie deshalb mit dem Leben. 

Auf eine möglichst gesicherte Gesundheit verzichten, ist keine Freiheit. Das ist eine Wette, die fast niemand gänzlich freiwillig eingeht. Der Weltgesundheitstag ist eine Gelegenheit, sich den Wert von gemeinsam finanzierten und öffentlichen Gesundheitssysteme wieder einmal stärker bewusst zu machen.

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