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Demokratie

5 Lehren aus der Wahl in Deutschland

5 Lehren aus der Wahl in Deutschland
Deutschland hat den Bundestag gewählt und damit entschieden, wer im Bundesrat im Reichstagsgebäude in Berlin sitzen und Politik machen wird. Foto: Norbert Nagel, CC BY-SA 3.0 , via Wikimedia Commons
Die wichtigste Wahl in diesem Jahr ist geschlagen: Deutschland hat den Bundestag gewählt. Die große Katastrophe ist nicht eingetreten. Lehren können und müssen wir trotzdem einige daraus ziehen. Fünf Lehren aus der Bundestagswahl 2025 und den Ergebnissen.

1. Proteste wirken

Die CDU/CSU ist überlegene Wahlgewinnerin. Daran gibt es nichts zu rütteln. Trotzdem fällt der Erfolg nicht so groß aus, wie es Umfragen vor einigen Wochen noch hergaben. In diesen lag die Union über 30 Prozent. Nun ist sie deutlich darunter gelandet. 

Das sind ein paar Prozentpunkte, die am Ergebnis nichts ändern. Dennoch zeigt es, dass die Annäherung an die AfD nicht aufgegangen ist. Der Aufschrei und die massiven Proteste haben deutlich im Wahlergebnis gewirkt. Proteste allein mögen nicht reichen, aber sie verhallen nicht ungehört.

2. Die Linke hat eine Gewinnstrategie

Bis vor kurzem war die Linke in den Umfragen nicht mal im Bundestag, nun zieht sie überzeugend mit fast 9 Prozent ein. Noch dazu, wo eine Abspaltung der Linken, das Bündnis Sahra Wagenknecht, ebenfalls angetreten ist und fast 5 Prozent bekommen hat. Das kommt nicht von ungefähr und ist kein reiner Social-Media-Hype. 

Die Linke hat unter anderem von der KPÖ gelernt. Brot-und-Butter-Themen, praktische Hilfe und Türklopfen in städtischen Gegenden mit niedriger Wahlbeteiligung sind die Zutaten des Erfolgs. Hätte dieser Wahlkampf noch länger gedauert, die Linke wäre noch weiter nach oben gekommen. In Berlin ist man damit stärkste Kraft geworden. 

Eine Strategie für Vor-und Kleinstädte ohne Universitäten oder gar fürs Land haben aber weder Linke noch die KPÖ. Trotzdem sollten alle linken Parteien sehr genau auf diesen Erfolg und seine Ursachen schauen.

3. Je höher die Wahlbeteiligung, desto mehr werden extreme Rechte gewählt

Die AfD konnte große Erfolge verzeichnen: In Ostdeutschland ist man mit Abstand die stärkste Kraft. Auch in vielen westlichen Bundesländern sind die Zugewinne weit zweistellig. Die beeindruckendste und beunruhigendste Zahl ist aber, dass die AfD sagenhafte 1,8 Millionen Stimmen der Nichtwähler:innen für sich gewonnen hat. Das ist etwas, das den linken Parteien kaum gelingt. Und das ist der Punkt, an dem diese Parteien am meisten arbeiten müssen. Denn das zusätzliche Potential ist enorm. 

Die AfD bietet offensichtlich eine Form des Dagegen-Seins an, auf die sie ein Monopol hat. Alle anderen Parteien müssen sich überlegen, ob sie den Status Quo erhalten wollen oder eine eigene solidarische und demokratische Form des “anders” anbieten. Denn die einzige Partei, an die die AfD leicht (60.000 Stimmen) verloren hat, ist das BSW.

Es ist wichtig, auch einen radikalen Umbau der Gesellschaft anzubieten. Denn die meisten Menschen sind mit dem Ist-Zustand nicht zufrieden. Dieses “anders” muss nicht autoritär sein, es darf auch solidarisch sein.

4. FDP mit einer fabelhaften Meister-Strategie der Selbstdemontage

Es ist kaum zu glauben, dass es dieser Tage eine Partei schafft, selbstzerstörender unterwegs zu sein als die ÖVP. (Wir erinnern uns an: nicht mit der FPÖ, nicht mit Babler, Nehammer weg, Stocker her, doch mit der FPÖ, keine Bankenabgabe, doch Bankenabgabe, doch nicht mit der FPÖ, nicht mit Babler, doch mit Babler, jetzt eine neue Regierung.) Die FDP zieht zumindest gleich. 

Sie hat die Ampel-Regierung zerstört. Sie hat sich die Schelte vom Kanzler abgeholt, um gleich darauf auch noch einen Minister zu verlieren. Lindner hat als Nächstes einen harten Anti-Woke-Rechtskurs eingeschlagen und sich in peinlichster Art und Weise an den Zerstörer der transatlantischen Beziehungen Elon Musk rangemacht, der aber schon längst die AfD gehypt hat. Ohne Not hat man die Fraktion bei der Abstimmung mit der AfD gespalten, nur um jetzt deutlich aus dem Bundestag zu fliegen. 

5. Rot und Grün drohen bedeutungslos zu werden, sie bekommen trotzdem (fast) Regierungsverantwortung

Weder die Strategie der SPD noch jene der Grünen hat funktioniert. Selbstverständlich gibt es den großen Trend, dass aktuell alle Regierungen abgestraft und nicht noch einmal gewählt werden. Dies ist auch in Deutschland mit allen Ampel-Parteien geschehen. SPD und Grüne sollten sich aber überlegen, wie sie nicht nur schnell einen Wahlkampf (handwerklich besser) zimmern, sondern was ihre gesellschaftliche Rolle ist. Wozu braucht die deutsche Gesellschaft eine starke Sozialdemokratie, wozu starke Grüne? Solange man diese Fragen nicht beantworten kann und nicht weiß, wie man das vermitteln soll, solange wird man in der Defensive bleiben. 

Es braucht ein viel grundsätzliches Verständnis, als nun bloß Leute (nicht) auszutauschen oder beim nächsten Mal eine andere PR-Agentur zu wählen. Wenn man Regierungsverantwortung hat, sind diese Prozesse schwierig, sie lohnen aber gerade deswegen.

Es zeigt sich, dass die Strategie, extreme Rechte zu kopieren, nur der extremen Rechten hilft. Hingegen ist ein eigenes Profil und eine Alternative zum Ist-Zustand eine Strategie, um Wahlen zu gewinnen. Deutschland bleibt in vielerlei Hinsicht die Ausnahme in Europa. Der Rest muss hoffen, dass es so bleibt und darf sich da und dort ein Beispiel nehmen.

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    Kommentare 2 Kommentare
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  • frizzdog
    25.02.2025
    im hinblick auf die WienerWahlen demnächst - vorsicht: "Türklopfen" bringt gar nix, wenn manfrau nix zu sagen hat....
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  • Speikind
    25.02.2025
    Da sind wir noch einmal mit einem blauen Auge davongekommen, könnte man meinen. Allerdings zweifle ich daran, dass eine zukünftige Regierung unter einem Blackrock Kanzler Merz endlich die Bevölkerung in den Blick nimmt und für Entlastungen unterer und mittlerer Einkommen sorgen wird. Die Themen Gesundheit und Pflege kamen im Wahlkampf überhaupt nicht vor, sorgen aber für steigende Belastungen normaler Erwerbseinkommen, und die hat ein Herr Merz überhaupt nicht auf dem Schirm. Die SPD als wackeliger Juniorpartner wird viel Destruktion mittragen, um mitregieren zu können. Ich sehe also für die Wahlen 2029 große Probleme auf die deutsche Demokratie zukommen, denn keines der die Menschen im Land betreffenden Probleme wird angegangen werden. Es werden Reiche entlastet, die Schwächsten gegängelt und zum Feindbild erkoren, es wird weiter gehetzt und gespalten werden. Erwerbsabhängig Beschäftigte werden weiter zur Kasse gebeten und die Rente mit 70 für den arbeitenden Pöbel ist unter Merz nur eine Frage der Zeit. Es wird der Acker der Rechtsextremen bestellt werden und am Ende gibt es ein böses Erwachen, freilich nur die normalen Bürger, Merz und Co. sind bestens vernetzt und versorgt.
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