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Demokratie

Widerstand gegen den konservativen Rechtsruck: Was Deutschland gerade richtig macht

Widerstand gegen den konservativen Rechtsruck: Was Deutschland gerade richtig macht
Friedrich Merz und sein radikalisierter Konservatismus erleben in Deutschland Widerstand (Foto: European People's Party / Creative Commons - BY 2.0 / via Wikimedia)
Ein konservativer Rechtsruck ist in Deutschland angekommen. Es scheint so, als würde sich die deutsche Öffentlichkeit dem radikalisierten Konservatismus aber nicht einfach so ergeben, wie es andere Länder getan haben. Natascha Strobl analysiert.

Für andere Länder kaum noch vorstellbar: Aber in Deutschland ist es immer noch ein Skandal, einen eigenen politischen Erfolg von den Stimmen einer rechtsextremen Partei abhängig zu machen. Es gibt einen Widerstand gegen den radikalisierten Konservatismus. Deutschland ist damit sehr viele Schritte vor Ländern wie Österreich, Ungarn oder Italien. Dort und in vielen anderen europäischen Ländern wird diese Idee in wesentlichen Kreisen nicht einmal mehr verstanden.

Der Unterschied ist der deutschen Öffentlichkeit zu verdanken. 

Millionen Menschen gegen konservativen Rechtsruck auf der Straße

Das erste Aufflackern eines Widerstands-Geistes hat sich eindrucksvoll nach der bekannt gewordenen Konferenz in Potsdam gezeigt, als AfD-Vertreter:innen, Faschist:innen, aber auch Personen der Unions-Parteien über Deportationspläne sinnierten. Spontan kamen in ganz Deutschland Millionen Menschen auf die Straße. Und bei weitem nicht alle von ihnen waren Anhänger:innen Demo-erprobter linker Gruppierungen. 

Auch jetzt gehen wieder Hunderttausende auf die Straße, um gegen die Annäherung der Unions-Parteien an die AfD zu demonstrieren. Das zeigt sehr eindrucksvoll eine wache und gar nicht demo-müde Zivilgesellschaft.

Die anderen Parteien und der Tabubruch

Für andere Länder ebenso ungewohnt ist es, dass die Vertreter:innen fast aller anderen Parteien, bis auf einer neoliberalen und einer Russland-affinen Kleinstpartei, sehr klar Position gegen diesen Tabubruch beziehen. In Österreich hingegen demütigt sich die eine Partei gerade, um eine Koalition der extremen Rechten einzugehen – und die andere macht schon bereitwillig klar, dass sie die nötige Zweidrittelmehrheit bereitstellen würde, um Institutionen der Arbeiter:innen zu demontieren. In Deutschland besteht so etwas wie eine glaubwürdige Abgrenzung (jedenfalls noch). 

Radikalisierter Konservatismus und die eigene Partei

Es scheint so, dass in Deutschland bei vielen Konservativen der Hass auf die Sozialdemokratie nicht größer ist, als die Abneigung gegen die extreme Rechte.

Anders als in Österreich bleibt auch der Aufschrei innerhalb der konservativen Parteien nicht aus. Eigene Politiker:innen stimmen bei Gesetzen, wo CDU-Vorsitzender Merz all-in geht, nicht mit. Andere wollen aktiv das Gesetz im Bundesrat blockieren, sollte es nur unter Zustimmung der AfD möglich sein. Einige melden sich zu Wort.

Ein Fanal war sicherlich die Erklärung von Alt-Kanzlerin Angela Merkel, die Merz’ eigene Worte gegen ihn verwendet hat. Prominente Konservative, etwa Michel Friedman, treten öffentlich aus der Partei aus. Das sind Prozesse, die man in Österreich verzweifelt suchte, als es noch etwas zählte. Es scheint so, dass in Deutschland bei vielen Konservativen der Hass auf die Sozialdemokratie nicht größer ist, als die Abneigung gegen die extreme Rechte.

Medien

Zudem gibt es in Deutschland eine gesündere, weil breitere und unabhängigere Medienlandschaft. Selbst die Unterstützung der großen Bild-Zeitung konnte Merz nicht helfen. Viele andere Medien scheuen sich hingegen nicht, kritisch und so schonungslos zu berichten, wie es die Situation verlangt. In Österreich wurden hingegen Kritiker:innen zensiert und geblacklistet. 

Natürlich werden auch in Deutschland die üblichen Fehler zu oft gemacht, die man in anderen Ländern beobachten musste. Aber es scheint so, als würde Deutschland von den Entwicklungen der umliegenden Länder auch lernen. Das macht den radikalisierten Konservatismus und sein Bündnis mit der extremen Rechten nicht ungeschehen, aber es macht es ihm bedeutend schwerer als überall sonst.

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    Kommentare 3 Kommentare
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  • frizzdog
    05.02.2025
    es zahlt sich aus, dieses "Project2025" der HERITAGE Foundation - zumindest auszugsweise zu lesen. "Mandate for Leadership: The Conservative Promise" - 887 seiten einer agenda, der TRUMP aber weltweit auch andere faschisten folgen. unglaublich akribische vorbereitung mit pseudowissenschaftlichem image, aber in einem beängstigenden "befehlston" geschrieben, da wird es mehr brauchen als strassendemos von laien um diesen sozialen kahlschlag abzuwenden.
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  • Nils
    04.02.2025
    Liebe Natascha, ich lese und höre Deine pointierten Analysen sehr gerne. So auch diese. Es tut wohl, soetwas über mein Heimatland zu leen. Und vieles stimmt. Aber, ob Deutschland wirklich lernfähiger als seine Nachbarn ist, wird erst die Bundestagswahl am 23.02. zeigen. Viele Grüße von einem Piefke aus Hamburg
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    • frizzdog
      05.02.2025
      "kennen Sie die Bauernregel „Wie der März, so der Sommer”? (zitat Volxtheater Wien)