Die Radikalisierung der CDU: Warum Konservative in Deutschland nicht kippen dürfen
Der CDU-Generalsekretär Carsten Linnemann hat ein 80-seitiges Wahlkampf-Papier vorgestellt. Er wusste, dass der damit vielleicht nicht in die Schlagzeilen kommt. Also hat er sich was einfallen lassen. Einen Verweis auf Donald Trump und seine „richtig gute Politik“. Er und seine CDU wollen sich demonstrativ an Trump bedienen.
Dabei geht es gar nicht um das Inhaltliche (das hat nämlich gar nicht Trump erfunden, sondern ist das Einmaleins von Wahlkämpfen), sondern das absichtliche Zurschaustellen der Trump-Nähe. Linnemann ist bei seinem Auftritt vage genug, um im Nachhinein abstreiten zu können, dass man die ganzen Schweinereien Trumps gut findet. Er ist aber auch so konkret, dass alle, die Trump gut finden, nun glauben, dass sie auf die CDU zählen können. Es ist dieses Spiel mit den Doppelbotschaften, das zur Normalisierung beiträgt.
Trump als Schreckgespenst
Trump wird dabei zum bösen Krampus. Immer wenn man die angeblichen Linksradikalen schrecken will, die man sich auf der anderen Seite vorstellt, wird der hervorgeholt. Ob man dabei selbst auf Seite des Krampus steht oder nicht, lässt man augenzwinkernd offen. In jedem Fall freut man sich, wenn sich die bösen Kinder ein bisschen schrecken.
Es ist eine billige wie unwürdige Strategie. Aber sie funktioniert. Sie hat auch schon in Österreich oder in Großbritannien funktioniert. Sebastian Kurz suchte anschaulich die Nähe zu den bösen Krampussen der Weltpolitik, allen voran Viktor Orbán, den er, wie Trump, demonstrativ in Schutz nahm.
Als Nächstes folgen dann die inhaltlichen Tabubrüche, die permanente Opferrolle und das Wehklagen, dass der eigene Märtyrer Status nicht allgemein anerkannt wird. Zugegeben, letzteres kann man sich beim aktuellen CDU-Chef Friedrich Merz nur schwerlich vorstellen. Er ist schließlich der Inbegriff des Systempolitikers, der immer schon da war. Aber das heißt ja nicht, dass jemand anderes nicht dort ansetzen kann, wo er aufhört.
Neoliberalismus trifft Kulturkampf
Diese Entwicklung konservativer Bewegungen ist vielerorts zu beobachten. Ich nenne es „radikalisierter Konservatismus“. Diese Politik sitzt an der schönen Kreuzung von Kulturkämpfen und beinharter Kapitalismus-Romantik. Jeder noch so plumpe Anti-Gender-Vegetarier-irgendwas-mit-Ausländer-Diskurs wird bereitwillig aufgenommen und gespielt. Andererseits sucht man Vorteile für die eigenen Investor:innen zu erzeugen – zu Lasten der arbeitenden Bevölkerung.
Das zeigt sich etwa in der völlig jenseitigen Forderung nach einer Arbeitszeitverlängerung. Egal, dass die Produktivität enorm gestiegen ist. Egal, dass die Vorstellung bestenfalls naiv ist, dass durch längere Arbeitszeit auch in gleichem Maß mehr Produktivität entsteht.
Im Gegenteil: Alles spricht für Arbeitsverkürzungen. Arbeitnehmer:innen sind zufriedener, gesünder und die Produktivität wird kaum beeinflusst. Die realitätsferne Forderung nach Arbeitszeitverlängerung, als wäre man im 19. Jahrhundert, zeigt nur wessen Interessen beinhart in diesem Verteilungskampf durchgesetzt werden sollen.
Klassenkampf von oben
Das geschieht nun nicht mehr mit dem Wunsch nach gesellschaftlichem Ausgleich. Diese Vorstellung kann man im traditionellen Konservatismus durchaus finden. Aber die radikalisierten Konservativen denken ja auch, dass Ausgleich nicht mehr möglich ist. Ihre Bewegung versucht deshalb, Ressourcen für sich zu gewinnen. Es ist Klassenkampf von oben.
In Österreich kann man gut sehen, wohin dieser Weg führt: der Gaunereien, der Korruption und der schmierigen Unternehmer, die sich an der Gesellschaft bereichern und mit lauter Tricks Steuern vorbei schummeln. Er führt zu Unternehmenspleiten, Massenentlassungen, während die Unternehmer in Saus und Braus und reich beschenkt von ihren Freunden in der Politik leben.
Dazu kommt ein beispielloses Milliarden-Budgetloch, das nun die Allgemeinheit, stopfen muss. Aber dabei werden Mieter:innen und kleine Hausbesitzer:innen belastet, nicht Reiche. Der Weg des radikalisierten Konservatismus ist ein Weg der Zerstörung, der Verwerfungen und der Umverteilung nach oben – garniert mit den dümmsten vorstellbaren Kulturkämpfen, die immer normaler scheinend.
Deutschland darf nicht kippen
Alles also schon einmal da gewesen, und doch ist es bei der CDU anders. Denn Deutschland ist nicht Österreich. Ein Kippen Deutschlands hin zu Autoritarismus und Non-Politik, wie wir es bei Kurz und Boris Johnson gesehen haben, würde ganz Europa ins Wanken bringen. Diese Art der Politik öffnet der extremen und faschistischen Rechten Tür und Tor. Wenn gesellschaftlicher Zusammenhalt und das Prinzip der demokratischen Auseinandersetzung einmal zerstört wird, ist es sehr schwer, das wieder zusammenzubringen.
Die Gefahr für die Demokratie geht eben nicht nur von den extremen Rechten aus, sie braucht auch ihre Wegbereiter:innen, um tief in die Gesellschaft einzudringen. Sich selbst radikalisierende Konservative öffnen ihnen die Tür. Es liegt an Deutschland, dies für sich selbst und damit auch für Europa zu verhindern.