Faschistische Gefahr: Schon wenn ein Donald Trump am Wahlzettel steht, geht Demokratie verloren
In der Nacht von Dienstag auf Mittwoch wählen die USA. Es geht dabei auch um Mehrheiten in den beiden Kammern (“Senat” und “Repräsentantenhaus”) des amerikanischen Parlaments (“Kongress”), aber natürlich vor allem um die Frage: Wer zieht für die nächsten vier Jahre ins Weiße Haus?
Wer wird US-Präsident:in?
Die Meinungsforschung sagt: Wir wissen es noch nicht. Vielleicht wissen wir es auch am Mittwochmorgen noch nicht. Denn die Auszählung könnte bei einem tatsächlich knappen Ergebnis lange dauern. (Aber wir sind am Mittwoch sehr früh live dabei, um es rauszufinden.)
Die vielen Gefahren von Donald Trump
Es ist derzeit also nicht auszuschließen, dass es wieder Donald Trump wird. Ein überreich geborener 78-jähriger Mann, der sich an seinen besten Tagen wie ein verzogenes Kleinkind verhält. An allen anderen Tagen ist der verurteilte Straftäter ein notorischer Lügner und rassistischer, sexistischer Faschist, der oft keinen zusammenhängenden Gedanken formulieren kann. Er war von 2017 bis 2021 bereits einmal Präsident und hat dabei die – ohnehin verbesserbare – US-Demokratie massiv angegriffen und geschwächt.
Als er 2020 abgewählt wurde, stürmten seine rechtsextremen Anhänger:innen unmittelbar nach einem Auftritt von Trump mit Gewalt das Kapitol. Seither haben sie und Trump sich weiter radikalisiert. Er kündigt seine autoritären Maßnahmen und Fantasien regelmäßig offen an. Eine zweite Amtszeit Trumps könnte der Demokratie den Rest geben. Seine Vertrauten haben auch konkrete Pläne dazu erarbeitet. Leute, die ihn ab 2016 noch etwas in Zaum hielten, wurden mittlerweile aus seinem Umfeld entfernt. Dafür stehen radikal rechte Milliardäre an seiner Seite. Sein Vizekandidat JD Vance wurde von Peter Thiel finanziert, Elon Musk pumpt als reichster Mann der Welt enorme Summen in Trump und seine Republikaner.
Was in den USA passiert ist auch für die Weltpolitik wichtig. Trump, sein Netzwerk und seine Geldgeber:innen hat gute Verbindungen zu Wladimir Putins Kreml. Gewinnt Trump, könnten nicht nur deshalb die Folgen für Europa aufgrund der zu erwartenden Politik ebenfalls schwerwiegend sein. Dass Trump kein Interesse daran hat, der Ukraine weiter gegen den russischen Angriff beizustehen, scheint klar. Er könnte auch ein rasantes und kaum kontrollierbares Ende der NATO einleiten. Die weltweite Klimapolitik hat er mit dem Austritt aus dem Pariser Abkommen bereits einmal torpediert. Auch das hat Auswirkungen auf uns alle.
Wofür steht Kamala Harris?
Ihm gegenüber steht Kamala Harris. Wofür Harris steht, und warum man damit gegen einen gefährlichen Horrorclown bestenfalls sehr knapp gewinnt, wären eigentlich für eine gesunde Demokratie wichtige Fragen. Aber davon, wie spät Harris auch in diesem Text auftaucht, kann man etwas ablesen: Es ist in Anbetracht der Gefahren, die von ihrem Gegner ausgehen, beinahe schon egal.
Was man annehmen kann: Sie wird die Demokratie und den Rechtsstaat nicht angreifen. Sie wird Frauenrechte nicht weiter aushöhlen. Sie wird nicht gegen Minderheiten hetzen und sie zumindest nicht willkürlich entrechten und Millionenfach deportieren. Sie wird die Sicherheitsarchitektur Europas nicht unkontrolliert in die Luft sprengen. Das ist nicht alles, was Harris tun wird, aber es ist derzeit schon genug, um die einzig akzeptable Wahl unter den Kandidat:innen für das wichtigste politische Amt der Welt zu sein.
Ein breites Bündnis macht das Regieren nicht einfach
Gut möglich also, dass eine Präsidentin Harris es erst nach der Wahl so richtig mit Kritik aus all den Lagern zu tun bekommt, die sie nun pragmatisch unterstützen. Denn ein breites Bündnis hat das so an sich. Man wird alle aus dem Bündnis irgendwann vor den Kopf stoßen, um manche daraus zufrieden zu stellen. Eine Koalition aus Dick Cheney (der neokonservative, ehemalige Vizepräsident von George W. Bush, ein Hauptverantwortlicher für den mit Lügen herbeigeführten Irak-Krieg und den mit Menschenrechtsverbrechen betrieben „Krieg gegen den Terror“) und Bernie Sanders (einer der wenigen prominenten und erfolgreichen Sozialdemokraten in der US-Politik) ist auf Dauer nicht aufrechterhaltbar.
Die mit 60 Jahren geradezu jung wirkende, amtierende Vizepräsidentin Harris ist sehr kurzfristig in die Bresche und an die Spitze dieser Koalition gesprungen. Eigentlich war ja Präsident Joe Biden der Gegenkandidat zu Trump. Als öffentlich beim ersten TV-Duell mit Trump stark strauchelte, kam es zu einer massiven Kampagne von liberalen Medien und Eliten (von der New York Times bis zu George Clooney) gegen ihn.
Jetzt soll Harris vor allem eines tun: Trumps Machtergreifung verhindern. Das heißt auch: Die Demokratie befindet sich in einem Überlebens-Modus. Der ist notwendig. Aber auf Dauer kann es nicht gut gehen, dass kaum über die politischen Richtungsentscheidungen gesprochen wird. Schon die Tatsache, dass Trump realistische Chancen bei dieser Wahl hat, ist ein heftiger Schaden an der Demokratie.
Politische Alternativen schafft man nicht erst im Wahlkampf
Wenn Trumps Niederlage sichergestellt ist, gilt für die Gesellschaft in den USA, was auch in Europa zunehmend bei Wahlen gilt: Wir müssen die Systemfrage „Faschismus oder Demokratie“ wieder von den Stimmzetteln bekommen. Dazu braucht es demokratische Alternativen, die die Menschen überzeugen oder sogar begeistern können.
Die baut man aber nicht erst im Wahlkampf auf. Schon gar nicht erst am Wahltag. Sondern in den Jahren dazwischen. Das gilt für Linke, die mit Kandidat:innen wie Biden oder Harris nicht zufrieden sind. Das gilt aber auch für demokratische Rechte – etwa jene Konservativen, die sich jetzt hinter Harris versammelt haben. Am Wahltag gilt es einstweilen, sich zu versammeln, um das schlimmste zu verhindern.
Das sorgt wohl nur bei wenigen Wähler:innen für Begeisterung. Aber die Chance auf ein besseres nächstes Mal zu wahren, das ist nicht nix.