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Demokratie

Das AfD-Verbot ist kein Wahlkampf-Thema

Das AfD-Verbot ist kein Wahlkampf-Thema
Viele fordern ein AfD-Verbot - auch bei Demonstrationen. Foto: Leonhard Lenz, CC0, via Wikimedia Commons
In Deutschland ist es möglich, eine Partei zu verbieten. Ein AfD-Verbot steht im Raum. Das Verfahren verdient in Zeiten wie diesen Ernsthaftigkeit. Diese verlieren wir im Wahlkampf zunehmend. Das hilft am Ende nur der AfD.

Will eine Partei die demokratische Grundordnung planvoll beseitigen, gibt es in Deutschland im Sinne einer wehrhaften Demokratie die Möglichkeit, die Partei zu verbieten. Damit ist die Sachlage eine deutlich andere als in Österreich, wo ein Verbot einer bereits gegründeten Partei nicht vorgesehen ist. 

Parteienverbot in Österreich

In Österreich wird die Gründung jeder Partei vom Innenministerium überprüft. Man könnte im Nachhinein feststellen, dass diese Partei so nicht gegründet hätte werden dürfen, etwa weil sie strafrechtlich relevante Inhalte propagiert oder gegen das Verbotsgesetz verstößt. Theoretisch kann hierzulande aber eine Partei, die gegen die Verfassung verstößt, gar nicht rechtmäßig gegründet werden. Dass sie sich später radikalisiert, kann damit natürlich nicht ausgeschlossen werden. 

Wie funktioniert das Verbotsverfahren in Deutschland?

In Deutschland ist der Gründungsprozess anders als in Österreich. Deswegen gibt es ein Verbotsverfahren. Bundestag, Bundesrat oder die Bundesregierung können ein Parteienverbot veranlassen. Aussprechen kann es nur das Bundesverfassungsgericht. Im Fall der rechtsextremen AfD haben zwei Gruppen an Parlamentarier:innen jeweils einen Antrag auf ein Verbotsverfahren gestellt. Am 30. Jänner 2025 werden sie im Bundestag verhandelt.

Was nicht passieren sollte

Nun gibt es in der Gruppe jener, die prinzipiell für einen Verbotsantrag sind, zwei Auffassungen: Entweder soll das Bundesverfassungsgericht wie vorgesehen den Antrag prüfen oder es soll vorher noch im Bundestag eine Studie über Erfolgsaussichten erstellt werden. Damit passiert genau das, was nicht passieren sollte: Diese beiden Gruppen machen sich gegenseitig das Leben schwer. 

Dabei ist der Weg zum Verbot einer Partei schon schwer genug. Die besondere Hürde liegt hier im Wörtchen “planvoll”. Nur gefährliche Sachen machen reicht nicht, es muss nachgewiesen werden, dass dahinter ein Plan liegt. 

NPD-Verbotsverfahren zeigt: Genauigkeit ist das Wichtigste

Will man so ein Verbotsverfahren einleiten, ist die wichtigste Tugend Genauigkeit. Es muss sehr sauber und detailliert nachgewiesen werden, dass eine Partei eben den Plan verfolgt, die Demokratie zu unterminieren und dass diese Taten Funktionär:innen der Partei zugeordnet werden können. 

Daran scheiterte das erste NPD-Verbotsverfahren: Es war nicht mehr klar, welche Taten Parteifunktionär:innen und welche Vertrauensleute des Verfassungsschutzes zu verantworten hatten. Vertrauensleute sind Informant:innen des Verfassungsschutzes. Für die Informationen werden sie in der Regel entlohnt. Teilweise geriet man auch an überzeugte Rechtsextreme, die den Verfassungsschutz und nicht die NPD verrieten. 

Jurist:innen sagen: Genügend Dokumente für AfD-Verbotsverfahren

Zurück zur AfD: Über 200 Jurist:innen befinden, dass die bisherige Dokumentation zur AfD eine Prüfung durch das Bundesverfassungsgericht rechtfertigt. Ein starkes Argument, weil es für die Genauigkeit und Plausibilität der bisherigen Dokumentation spricht. 

Zurück in den Wahlkampf: Die in der Sache sehr beschlagene Renate Künast hat diese Stellungnahme der Jurist:innen lapidar mit “das reicht nicht” öffentlich weggewischt. Umgekehrt wird so getan, als sei Künast der Antrag kein Anliegen. Auch das ist unwahr. 

Sich gegenseitig zu schwächen, auch wenn es Auffassungsunterschiede gibt, hilft am Ende tatsächlich nur der AfD. Die hört nichts lieber, als dass diese 200 Jurist:innen unrecht haben.

Politische Fragen: Was spricht für ein AfD-Verbot?

Neben den juristischen Fragen gibt es auch wichtige politische Überlegungen. Die Frage nach Auswirkungen auf das politische System und die nach gesellschaftlichen Konsequenzen.

Wenn eine Partei verboten wird, die etwa 20 Prozent der Wahlberechtigten hinter sich sammelt – lokal und regional auch mehr – kann das ein System in eine Krise stürzen. Denn dadurch entsteht eine Repräsentationslücke. Die Größe der AfD wäre gemäß also ein Argument, kein Verfahren anzustreben. Demgegenüber steht allerdings das zweite NPD-Verbotsverfahren, in dem sich das Bundesverfassungsgericht gegen ein Verbot entscheidete. Man hat der NPD nicht zugetraut, ihre Pläne in die Tat umzusetzen. Dementsprechend müsste man ein Verfahren anstreben. Schließlich muss man einer Partei mit etwa 20 Prozent der Wählerstimmen auch zutrauen, ihre Pläne in die Tat umzusetzen. 

Ein weiteres Argument gegen ein Parteiverbot ist, dass die gesellschaftlichen Auswirkungen nicht absehbar seien. Die Wähler:innen der rechtsextremen AfD könnten Aufstände anzetteln. Das ist natürlich ein starkes Argument, weil man als Politiker:in Verantwortung für die Unversehrtheit und das Leben von Menschen hat. Kann man verantworten, dass die eigene Entscheidung dazu führt, dass unschuldige Menschen (und die Zielgruppen sind hier sehr klar) Schaden davon tragen, vielleicht sogar ums Leben kommen und es vielleicht Teile des Landes gibt, in denen die Staatsgewalt (temporär) keinen Zugriff mehr hat? 

Das sind natürlich berechtigte und wichtige Fragen und Sorgen. Dieses vermeintliche Kontra-Argument ist aber zugleich das größte Argument für die Prüfung des Verbots: Wenn man diese Zustände ernsthaft fürchten muss, dann zeigt das vielmehr die Dringlichkeit der Situation, die einem so oder so zu entgleiten droht. Womöglich sogar noch mehr, wenn demokratiefeindliche und populistische Parteien nicht verboten werden und die Gesellschaft weiter spalten können. 

Parteiverbot: Ein hartes aber gerechtfertigtes demokratisches Mittel

Eine Prüfung eines Parteiverbots kann nie eine einzelne Maßnahme sein. Selbstverständlich muss man sich um jene Wähler:innen bemühen, die noch erreichbar sind. Selbstverständlich muss man die Wurzel der steigenden faschistischen Tendenzen in der Gesellschaft bekämpfen. “Rechtsextreme Partei weg und alles eitel Wonne” ist bestenfalls ein naiver, schlimmstenfalls ein hoch gefährlicher Gedanke. 

Es ist aber genauso naiv zu glauben, dass das gelindere Mittel das bessere Mittel ist. Wenn man wirklich befindet – politisch wie juristisch – eine rechtsextreme Partei ist eine Gefahr für die Demokratie, dann muss das härteste demokratische Mittel angewandt werden. Mit allen Gefahren und Bauchschmerzen, die so ein hartes Mittel mit sich bringt. 

Die Geschichte interessiert sich nicht für unser Bauchweh und sie zeigt, dass es nur sehr wenige Situationen gibt, die den Aufstieg des Faschismus konsequent aufhalten. Zureden, werben, stellen, entlarven, dagegen positionieren sind legitime Mittel. Doch wenn es andere, härtere Mittel gibt, sollte man diese auch nutzen – auch wenn es nicht in die Eleganz-Vorstellungen des Nachkriegs-Systems passt. Umgekehrt wird man von Rechtsextremen – wenn es soweit ist – nicht die Möglichkeit bekommen, sich zu rechtfertigen oder zu erklären. 

AfD-Verbot ist kein Wahlkampfthema

Diese Debatte hat sich mehr Tiefe verdient, als ein Wahlkampf hergibt. Diese Entscheidung bedarf der juristischen Genauigkeit als Fundament und der politischen Klarheit, die über einen Wahltag hinausgeht. 

Genauigkeit in den Belegen, Klarheit für die Situation, in der wir uns befinden, Konsequenz in der politischen Ausführung und Nüchternheit in der gesamten Sache wären dringend angeraten. Angst ist eine schlechte Ratgeberin im Kampf gegen Rechtsextremismus. Wenn man die juristischen Belege hat, dann verlangt es unsere geteilte Geschichte, dass sie nicht im Kleinklein weggeredet werden. Impulsivität und Wunschdenken dürfen aber ebenso nicht den Blick auf die Realität verstellen. Ohne erdrückende Evidenz kann so ein Verfahren schnell zum Persilschein werden.

Viele Möglichkeiten, sich so scharf gegen rechtsextreme Umsturz-Fantasien zu wehren, bekommt man erfahrungsgemäß nicht. Dementsprechend gut muss man sie nutzen.

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    Kommentare 4 Kommentare
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  • Axel
    07.02.2025
    AfD sollte ohne Wenn und Aber verboten werden.
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  • frizzdog
    05.02.2025
    die vergangenheit (weltweit!) lehrt uns: es wird nix nützen, weil es die faschistische bande für die doofe mehrheit NOCH interessanter macht. wenn die auch NIE wählen gingen, verbotenes mobilisiert sie erst recht...
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  • frizzdog
    05.02.2025
    war die hitlerei in ihren anfängen nicht auch kurzzeitig verboten? dennoch wurde der GRÖFAZ dann gewählt. wir brauchen uns nicht wundern über die USA, die jetzt einfach 2mio palis aus GAZA aussiedeln und dem NETANJAHU ein LasVegas hinstellen. PUTIN machte die landnahme in der UKRAINE vor. und die doofe mehrheit weltweit jubelt! der faschismus scheint tatsächlich angeboren zu sein
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  • frizzdog
    30.01.2025
    die leute sind ganz offensichtlich richtig geil auf das rechte ekzem, woimmer es vorkommt. wir leben in einer perversen wiederholung der 30er-jahre.
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