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Arbeitswelt

Corona-Kurzarbeit: Ein gutes Modell – mit einigen Schwachstellen

Die Möglichkeit der Kurzarbeit ist an sich ein gutes Modell um Kündigungen zu verhindern. Doch leider gibt es derzeit noch viele Unsicherheiten. Deshalb verlieren trotzdem viele Menschen ihren Arbeitsplatz. Zwei Beispiele aus der Praxis.
Zuerst war da die Verunsicherung. Und die hält leider bis heute an. In der ersten Phase nach Ausruf der drastischen Corona-Maßnahmen wurde vielen MitarbeiterInnen nahegelegt, erst einmal in Urlaub zu gehen. (Das ist übrigens nicht in Ordnung, mehr wichtige Fragen rund um das Thema Corona und Arbeitsrecht erfährst du in diesem Artikel.)
 

Rekord-Arbeitslosigkeit wegen Corona-Krise

In einer zweiten Phase, als klar wurde, dass die Ausgangsbeschränkungen und Maßnahmen weitaus länger dauern werden, wurden zahlreiche Kündigungen ausgesprochen. Alleine innerhalb von vier Tagen der vergangenen Woche (16.3.-19.3.) sind 97.500 zusätzliche Menschen ohne Arbeit. Die Auswirkungen der Corona-Krise sind schon jetzt viel drastischer und schneller zu spüren sind als bei der Finanzkrise 2008.

Corona-Kurzarbeit: Was ist das genau?

Die Regierung hat nun ein milliardenschweres Hilfspaket erlassen und unter anderem die Kurzarbeit ermöglicht. Wie das funktioniert? Hier ist ein Erklärvideo der Arbeiterkammer. 

Zuerst muss ein Betrieb darum ansuchen. Dann kann die Arbeitszeit auf bis zu 10 Prozent reduziert werden, wobei dies auf den Durchschnitt von drei Monaten gerechnet wird. Das heißt, die Arbeitszeit kann in den ersten zwei Monaten sogar 0 betragen, im dritten müssen es dann aber 30 Prozent sein. Für die getätigte Arbeit bekommen ArbeitnehmerInnen natürlich Entgelt vom Arbeitgeber ausbezahlt. Die ausgefallenen Arbeitsstunden werden hingegen in Form einer Kurzarbeitsbeihilfe vom Arbeitsmarktservice (AMS) ausgeglichen und machen 80 bis 90 Prozent des Entgelts aus. Damit haben MitarbeiterInnen nur minimale Gehaltseinbußen. Sie müssen allerdings Urlaubstage und Zeitguthaben aus den vergangenen Jahren (nicht 2020) vorher noch zur Gänze konsumieren.

Kurzarbeit klingt ja gut – aber wo ist der Haken?

Zuerst konnte die Kurzarbeit auf drei Monate beantragt werden, nun wurde sie um weitere drei Monate, also auf bis auf ein halbes Jahr verlängert. Zunächst hieß es auch, dass Betriebe, die Kurzarbeit beantragen die Mitarbeiter danach mindestens einen Monat lang nicht kündigen dürfen. Das wurde zwar mittlerweile geändert, nun wird dieser Punkt individuell vereinbart. Doch diese Regelung hat dazu geführt, dass viele Betriebe sich zu sofortigen Kündigungen entschlossen haben.

Das zweite große Problem ist, dass das AMS die Kurzarbeitsbeihilfe frühestens nach 60 Tagen überweist. Die Gehälter muss der Arbeitgeber bis dahin normal weiterbezahlen. 

Warum also die Maßnahme Kurzarbeit eine gute Idee ist, die zwar oft funktioniert, aber auch zu oft nicht in Anspruch genommen wird, zeigen nun diese zwei Beispiele aus der Wirklichkeit.

Beispiel eins: Bauwirtschaft und Industrie 

Eine Firma führt Reparatur- und Bauarbeiten für ein großes Industrie-Unternehmen durch. Es ist von dessen Aufträgen abhängig. Die ArbeiterInnen warten Maschinen oder bauen Regale auf, 40 Prozent der MitarbeiterInnen kommen von Leasing-Firmen. Aufgrund der Corona-Krise fährt das große Industrie-Unternehmen aber die Arbeit zurück. Es werden nur noch die wichtigsten Tätigkeiten durchgeführt, aus Vorsicht werden begonnene Arbeiten teilweise eingestellt. Zum Beispiel hätten einige neue Kästen aufgebaut werden sollen, doch bei diesen Arbeiten braucht es mehrere ArbeiterInnen, die dann nicht genug Sicherheitsabstand halten könnten.

Diese kleine Firma wäre ein klassischer Fall für Kurzarbeit, die natürlich auch für die geleasten Arbeitskräfte gilt. Der Chef erklärt uns, dass die Leasing-Firmen die MitarbeiterInnen jedoch zunächst alle sofort kündigen wollten: “Das hauptsächliche Problem war, dass es ja zunächst hieß, dass die Leasingfirmen die Mitarbeiter nach der Kurzarbeit einen Monat lang behalten müssen. Sollte bei uns die Arbeit dann aber nicht wieder normal anlaufen, müssen wir ihnen die MitarbeiterInnen zurückschicken. Das sind 15 Menschen, die dann noch ein Monat beschäftigt werden müssen. Das hätte sich die Leasing-Firma nicht leisten können, die wäre dann pleite.”

Nur durch gutes Zureden und der Versicherung, dass viele der Leasing-Mitarbeiter wertgeschätzt und bald wieder gebraucht werden, wurden hier Kündigungen abgewendet. Mittlerweile wurde diese Regelung ja geändert. Doch das Beispiel zeigt, dass wohl viele Betriebe wohl genau deshalb die Kurzarbeit gar nicht erst angedacht und vielleicht vorschnell Kündigungen ausgesprochen haben.

Beispiel zwei: Gastronomie

Der Betreiber einer Cocktailbar in Wien rechnet uns vor, welche Kosten er monatlich nun zu stemmen hat, während natürlich kein Cent Umsatz gemacht wird:

Insgesamt müssen auch bei geschlossenem Betrieb rund 20.000 Euro monatlich aufgebracht werden, diese Summe teilt sich wie folgt auf:

Zwar können die Steuern derzeit aufgeschoben werden (“Stundung”). Sie werden aber irgendwann in Zukunft fällig – und stehen dann noch immer 0 Euro Umsatz entgegen. Ob die Miet- und Kreditzahlungen aufgeschoben werden können muss derzeit mit dem Vermieter oder der Bank besprochen werden. Und auch wenn die MitarbeiterInnen zur Kurzarbeiter angemeldet werden können, so müsste diese Cocktailbar die Gehälter eben trotzdem Vorausbezahlen und erhält dafür eben frühestens in 60 Tagen die Kurzarbeitshilfe vom AMS. Das Beispiel der Cocktailbar zeigt, dass viele Gastronomiebetriebe jetzt sofort dringend Geld brauchen um ihre Fixkosten abdecken zu können, sprich, um liquide zu bleiben.Der Betreiber erklärt uns: “Wir wissen nicht, wie wir diese Krise überstehen sollen. Ich habe Angst um meine Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, ihre Familien und ihre Existenzen hängen an unserem Überleben. Das belastet mich und lähmt mich und es bereitet mir schlaflose Nächte.” Die Politik spreche überall von schnellen Finanzhilfen, doch die Bürokratie sei in Wahrheit extrem aufwendig. So muss der gesamte Jahresabschluss den Behörden vorgelegt werden. Und da auch diese im Moment überfordert sind, weiß der Betreiber noch immer nicht, ob er finanzielle Hilfe bekommt, wie hoch diese sein wird und wann sie überwiesen wird. “Auch ich stehe vor den Trümmern meiner Existenz und könnte, zusätzlich zu meinem Lokal meine Wohnung verlieren, denn meine bisherigen Einnahmen und Rücklagen reichen nicht für alle Fixkosten, wenn ich nicht rasch unbürokratische Hilfe bekommen kann,” so der verzweifelte Betreiber.

Unbürokratische Corona-Hilfe jetzt

Kein Wunder, dass angesichts der vielschichtigen Probleme sich manche Betriebe dazu gezwungen sehen Kündigungen auszusprechen, auch wenn sie es nicht wollen. Denn wer gerade absolut keinen Umsatz hat, kann nicht immer mindestens zwei Monate lang auf AMS-Gelder warten und das Geld in der Zeit vorstrecken.

Derzeit gibt es viele Bemühungen, um den Betrieben die Kurzarbeit noch schmackhafter zu machen. So wurde eben die bereits erwähnte Kündigungsfrist von einem Monat nach der Kurzarbeit gestrichen. Weiters wird nun auch das AMS die Kosten für den Krankenstand im Rahmen der Kurzarbeit übernehmen – diese hätte bisher nämlich auch der Arbeitgeber tragen müssen.  

Doch auch diese Änderungen am Kurzarbeits-Modell werden nicht ausreichen. Derzeit gibt es viele Vorschläge, so wird etwa über eine Zwischenfinanzierung der Regierung als Überbrückung diskutiert, bis die AMS-Kurzarbeitshilfe ausbezahlt wird. 

Es braucht aber auch einfach mehr konkrete und schnelle Gesetze, die ein Recht auf Rückstände bei Mieten und Krediten in dieser Situation gewähren, oder zumindest zinsfreie Kredite. Denn wenn die Kosten nur in die Zukunft geschoben werden, istt der Betrieb eben dann pleite und die Arbeitsplätze sind endgültig weg.

In Deutschland werden etwa finanzielle Hilfen nach Anzahl der MitarbeiterInnen gestaffelt schnell und sofort ausbezahlt. Österreich könnte sich auch so ein Modell überlegen. Klar ist nur, dass die Regierung schnell und entschlossen handeln muss – denn mit jedem Tag werden mehr Arbeitslose gemeldet. Auch von Betrieben, die Kündigungen vermeiden wollten.

 

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