Der Wutbauer ist gerettet: Jetzt heißt es weiterdenken
Kommentar: Tausende Menschen haben freiwillig einen steirischen Bergbauern aus der Schuldenfalle gehievt. Nun muss mehr passieren
Es war die schöne Geschichte am Wochenende: Der seit einem Videokommentar als „Wutbauer“ bekannte Christian Bachler drohte seinen Alm-Bauernhof wegen fälliger Kredite an eine Bank zu verlieren. Doch tausende Menschen sprangen ihm zur Seite und binnen eines Tages wurden ihm seine gesamten 270.000 Euro an Schulden (und dann noch ein bisschen was, das in weitere Projekte fließen soll) gespendet. Die Alm sollte gerettet sein, wenn die Bank die Versteigerung stoppt.
Der steirische Bergbauer (hier seine Dankesrede) hat mit seinem Bekenntnis zu einer klimafitten, vorausschauenden Almwirtschaft und möglichst tierfreundlicher Haltung offenbar einen Nerv getroffen. Die Spendenaktion hat aber auch funktioniert, weil Bachler vor einiger Zeit Florian Klenk kennengelernt hat. Der Falter-Chefredakteur mit der großen Social-Media-Reichweite hat ihn einst für eine viel beachtete Geschichte getroffen und ist laut Kleine Zeitung vom Wochenende zu einem Freund geworden. Klenk wiederum kannte Juristen und eine PR-Expertin, die der Kampagne ehrenamtlich zur Seite sprangen.
Aber nicht jeder kann einen Chefredakteur kennenlernen. Und es gibt viele Menschen wie Bachler, die vor ähnlichen Problemen stehen. Kleine Bauern und Bäuerinnen, aber auch andere Menschen. Deshalb darf man sich nicht damit zufrieden geben, dass diese Krise gut ausgegangen ist. Hinter persönlichen Krisen steht fast immer ein politisches Problem, das politisch gelöst werden muss.
Die vielen Probleme hinter der Situation des Wutbauers
Hinter der des „Wutbauers“ stecken viele.
Er scheiterte etwa beinahe an Fremdwährungskrediten, die ihm seine Hausbank – Raiffeisen – einst verkaufte. Viele Menschen werden davon schon einmal gehört haben. Man nimmt einen Kredit auf, der in einer anderen Währung abgesichert wird. Sinkt der Wert dieser Währung, wird der Kredit billiger. Steigt er allerdings, wird der Kredit oft unleistbar teuer. Banken haben diese Spekulation in den vergangenen Jahrzehnten vielen Menschen als gute Idee verkauft. „Hunderttausende“ zittern der Fälligkeit entgegen, sagt Konsumentenschützer Peter Kolba. Er bezeichnet die Praxis als „Riesenbeschiss“ gegen den Musterprozesse geführt werden müssten.
Wo sind die gesetzlichen Regulierungen, die so etwas verhindern und auch die Banken für die hochriskanten Geschäfte in die Pflicht nehmen?
Bauern wie Bachler nehmen solche Kredite auch nicht zum Spaß an der Spekulation auf, sondern weil sie sie dringend brauchen. Ihre Not hat System. Auch andere meldeten sich im Rahmen der Aktion mit ihren Leidensgeschichten. Die Arbeit ist schwer, die richtigen Geräte sind teuer, Preise für die Produkte sind hingegen niedrig: Milch, Fleisch & Co. werden verramscht, die Marktmacht liegt bei den Handelskonzernen – nicht bei den ErzeugerInnen, schon gar nicht bei deren Angestellten (wir erinnern uns an die Geschichten der vergangenen Monaten, als Ausgebeutete wie ErntehelferInnen und Fleisch-VerarbeiterInnen plötzlich ins mediale Kurzzeitgedächtnis rückten). Darunter leiden nicht große Agrarkonzerne, die sogar immer wieder von Subventionen und Steuerprivilegien steuerlich begünstigt werden, aber die kleineren Landwirtinnen und Landwirte sehr.
https://twitter.com/speis_oo/status/1333311244103782401
Unsere Landwirtschaft braucht einen Gerechtigkeitsschub. Und wir müssen sie in der Klimakrise ohnehin verändern.
Darüber hinaus stellt sich beim steirischen Wutbauern natürlich auch eine andere, grundlegendere Frage: Was unterscheidet seinen schwer finanzierbaren Traum, ein nachhaltiger Almbauer sein zu können, eigentlich von den Träumen anderen Menschen?
Bachler sind zu seinem Glück tausende Menschen zur Seite gesprungen, weil er einen richtigen Moment getroffen hat, um sein Leid zu teilen. Hunderttausend anderen Menschen fehlt dieses Glück. Deswegen ist die Spendenaktion für Bachler keineswegs weniger schön oder richtig. Es ist natürlich besser einer Person aus der Klemme zu helfen, als keiner. Wohltätigkeit ist ein schönes Element unserer Gesellschaft.
Andere Systeme sind nötig – und möglich
Aber spontane Großzügigkeit und mediale Kampagnen für einzelne Personen sind eben kein nachhaltiges, kein gerechtes und kein ausreichendes Modell für unsere Gesellschaft. Niemand sollte mit der Chance auf ein Existenzsorgen-freies Leben warten müssen, bis der richtige Chefredakteur vorbeischaut.
Wir sollten uns öfter mal in Erinnerung rufen, wie gut und richtig es sich angefühlt hat, als so viele gemeinsam ein einzelnes Leben sorgenfreier gemacht haben. Und wir müssen politisch daran arbeiten, wie wir viel mehr als nur ein Leben sorgenfreier, unseren Sozialstaat besser und unseren Umgang mit Leuten in schwierigen Lagen großzügiger machen können.