305.000 verdienen unter dem deutschen Mindestlohn: „Keine Arbeit darf so wenig wert sein“
Ulli muss viel laufen für wenig Geld. Die 60-Jährige liefert in Linz Essen an ältere Menschen aus. „Ich bereite das Essen vor, belade das Auto und dann geht es von Tür zu Tür mit viel Geherei“, sagt sie zu MOMENT.at. Seit 12 Jahren macht sie das. „Der Job selbst ist schön, aber auch anstrengend.“ Und schlecht bezahlt: Ulli bekommt dafür 9,41 Euro brutto in der Stunde. „Für mich allein ist das viel zu wenig Gehalt“, sagt sie.
Im großen Nachbarland Deutschland gilt seit 1. Oktober ein erhöhter Mindestlohn von 12 Euro brutto pro Stunde. In Österreich sind das bei den hier üblichen 14 Monatsgehältern 10,28 Euro pro Stunde. Bei 40 Stunden Arbeitszeit in der Woche kommt man so auf immerhin 1.782 Euro brutto im Monat. Aber in Österreich gibt es keinen gesetzlichen Mindestlohn. Hier sind in Hunderten Kollektivverträgen Untergrenzen für Löhne festgelegt. In vielen Jobs wird unter dem deutschen Mindestlohn gezahlt.
305.000 bekommen weniger als der deutsche Mindestlohn
Das Momentum Institut hat berechnet: 305.000 Menschen verdienen in Österreich weniger als den deutschen Mindestlohn. Etwas mehr als die Hälfte davon, 52 Prozent, sind weiblich. Darunter sind besonders viele, die wie Ulli in der Gastronomie arbeiten. Auch Frisör:innen, Verkaufskräfte und Reinigungspersonal bekommen häufig weniger als den deutschen Mindestlohn.
„Das sind oft jene Bereiche, in denen Unternehmen nach Personal suchen“, sagt Jakob Sturn, Arbeitsmarktökonom am Momentum Institut. „Dabei gibt es in den meisten Fällen nicht zu wenige Arbeitskräfte, sondern einfach zu schlecht bezahlte Jobs.“
Für viele ist ein Monatsgehalt wie beim deutschen Mindestlohn illusorisch. „Reichen würde mein Lohn erst ab 40 Stunden die Woche, die gibt es aber nicht“, sagt Essenausfahrerin Ulli. Sie arbeitet halbtags. Anders geht es in dem Job nicht. Denn gegen 14 Uhr hat sie jeden Tag alle ihre Klient:innen versorgt und fährt zurück in die Zentrale.
Ulli ist verheiratet, ihr Mann verdient ausreichend. Sie muss nicht jeden Cent umdrehen. “Aber wer allein ist, kommt damit kaum über die Runden. Für Alleinerziehende wird es richtig schwierig“, sagt sie. „Ein Mindestlohn wäre ein Zeichen von Wertschätzung. Die fehlt bisher“, sagt Ulli. Ihre Arbeit, hilfsbedürftigen Menschen das Mittagessen zu bringen, “die ist ja sinnvoll. Die muss gemacht werden”.
Mit Mindestlohn hätten Haushalte 950 Millionen Euro mehr
Ein Mindestlohn nach deutschem Vorbild hieße auch: Die Löhne der österreichischen Haushalte würden um insgesamt 950 Millionen Euro steigen. Das errechnete das Momentum Institut. Ökonom Sturn sieht darin „eine nachhaltige Stärkung der Kaufkraft, von der auch wiederum die Unternehmen profitieren“.
Vom Bau bis zum Büro arbeiten in fast allen Branchen Menschen, die mehr verdienen würden, wenn auch in Österreich der deutsche Mindestlohn gelten würde. Jede 13. unselbständig beschäftigte Person in Österreich würde profitieren. Essensausfahrerin Ulli ist also nicht allein in Österreich. „Ich glaube, dass es geht, 12 Euro Mindestlohn zu zahlen“, sagt sie. „Keine Arbeit darf so wenig wert sein, während andere so viel verdienen.“
Mit Mindestlohn hätten Haushalte 950 Millionen Euro mehr
Ein Mindestlohn nach deutschem Vorbild hieße auch: Die Löhne der österreichischen Haushalte würden um insgesamt 950 Millionen Euro steigen. Das errechnete das Momentum Institut. Ökonom Sturn sieht darin „eine nachhaltige Stärkung der Kaufkraft, von der auch wiederum die Unternehmen profitieren“.
Vom Bau bis zum Büro arbeiten in fast allen Branchen Menschen, die mehr verdienen würden, wenn auch in Österreich der deutsche Mindestlohn gelten würde. Jede 13. unselbständig beschäftigte Person in Österreich würde profitieren. Essensausfahrerin Ulli ist also nicht allein in Österreich. „Ich glaube, dass es geht, 12 Euro Mindestlohn zu zahlen“, sagt sie. „Keine Arbeit darf so wenig wert sein, während andere so viel verdienen.“