Drei Argumente für ein Lieferkettengesetz
Unternehmen werden in Österreich immer noch nicht verpflichtet, bei ihrer Warenproduktion auf Menschenrechte und Umweltschutz zu achten. Warum wir das ändern sollten.
Nur jedes dritte Unternehmen in der EU achtet bei seiner Lieferkette auf Umweltschutz und Menschenrechte. Weil Freiwilligkeit offenbar nicht ausreichend funktioniert, brauchen wir ein Lieferkettengesetz, das Unternehmen dazu verpflichtet, nachhaltig zu produzieren.
Bis die Produkte, die wir täglich einkaufen, in unserer Tasche landen, beschreiten sie einen langen Weg. Und der wird mit gerodetem Regenwald und widrigen Arbeitsbedingungen geebnet. Bananen oder Billigmode kommen nicht etwa aus Europa – sondern aus Ecuador oder Bangladesch. An den weltweiten Lieferketten vieler Unternehmen klebt Blut – und die schauen unbekümmert weg.
Ein Lieferkettengesetz könnte dafür sorgen, dass Firmen dazu verpflichtet werden, Verantwortung zu übernehmen. Damit weder Menschen, Tieren oder Pflanzen Schaden zugefügt wird, bis ihr Produkt in Europa landet. In anderen Ländern gibt es das bereits: Frankreich hat seit 2017 ein Lieferkettengesetz. Unternehmen müssen dort Pläne vorlegen, wie sie Menschenrechte in ihrer Lieferkette gewährleisten. Die Niederlande haben zumindest ein Gesetz zur Sorgfaltspflicht bei Kinderarbeit, in Deutschland tritt ein „Lieferkettensorgfaltspflichtgesetz“ 2023 in Kraft. Wir zeigen dir, warum Österreich nicht weiter zögern sollte.
#1 Ein Lieferkettengesetz rettet Menschenleben
Damit wir billig einkaufen können, zahlen die Menschen, die unsere Produkte in Entwicklungsländern herstellen, einen hohen Preis. Mitunter ihr Leben. Eine Näherin in Bangladesch erhält durchschnittlich 46 Euro im Monat, viele leben weit unterhalb der Armutsgrenze. Währenddessen pumpt die Modeindustrie ihre Chemikalien in die Flüsse und die Luft. Das gefährdet die Gesundheit derer, die bereits von schwerer Armut betroffen sind.
Hinzu kommen mangelnde Sicherheitsvorkehrungen, wie beim Einsturz des Gebäudes der Textilfabrik Rana Plaza in Dhaka 2013. 1229 Menschen starben, 2500 wurden verletzt. Auch in Pakistan kam es 2019 zu einem Brand einer Fabrik des deutschen Textilunternehmens KiK – 258 Menschen kamen dabei ums Leben. Ein Lieferkettengesetz hätte solche tragischen Vorfälle wohl verhindern können.
Auch Pestizide, die beispielsweise bei der Palmölproduktion verwendet werden, schaden den Menschen, die das Produkt herstellen. Dazu zählt das giftige Paraquat. Es wird oft unsachgemäß gelagert, Arbeiter:innen tragen keine Schutzbekleidung und es werden keine Mindestabstände zu Gewässern eingehalten. Dadurch kommt es häufig zu Arbeitsunfällen. Die Folge: Schwindel, Erbrechen, Durchfall, bis hin zu Nierenversagen und Lungenfibrose. Genug Gründe, warum Paraquat in der EU verboten ist – am Anfang der Lieferkette allerdings nicht.
#2 Das Lieferkettengesetz schützt den Regenwald
Auch beim Umweltschutz kommt man nicht um die Lieferkette herum und auch hier dient das Palmöl als gutes Beispiel. Fast jedes zweite Produkt in unseren Supermärkten enthält Palmöl, sei es Pizza, Speiseeis, Hautcreme, Lippenstift oder Waschmittel. Die Ölpalme, die hauptsächlich in Indonesien und Malaysia angebaut wird, benötigt riesige Flächen. Die nehmen sich Unternehmen mit Gewalt. Für die Produktion werden große Bestände des Regenwalds gerodet – der Lunge unseres Planeten.
Das vertreibt indigene Völker aus ihrer Heimat und Tierarten wie Orang-Utans oder Tiger aus ihrem Habitat. Außerdem legt man mit der Rodung kohlenstoffreiche Torfböden trocken und emittiert dabei Unmengen an CO₂. Nicht zuletzt sorgt der Anbau der Ölpalme für eine Monokultur, die die Böden für immer unfruchtbar macht. Das ist nicht nachhaltig.
Bisher reagierten Unternehmen auf solche Probleme mit selbst eingeführten Organisationen wie dem Roundtable on Sustainable Palmoil (RSPO). Aber die Teilnahme daran ist freiwillig. Deutschsprachige Unternehmen machen einfach nicht mit. Es bräuchte ein transparentes Beobachtungsorgan, das sicherstellt, dass die Umweltschutz-Maßnahmen auch von allen Unternehmen eingehalten werden.
#3 Das Lieferkettengesetz schadet Konsument:innen und Unternehmen nicht
Laut einer Studie der EU-Kommission würde das Umsetzen von Mindeststandards in der Produktion große Firmen im Schnitt nur 0,005 Prozent ihres Gewinns kosten. Eine weitere zeigt, dass Unternehmen mit besserer Leistung im Bereich Umwelt und Soziales 2020 besser durch die Corona-Krise kamen. Dass die Wirtschaft durch ein Lieferkettengesetz viele Federn lassen müsste, ist also ein Mythos. Langfristig zahlt sich verantwortungsbewusstes und nachhaltiges Handeln aus.
Auch Konsument:innen müssten bei einem Lieferkettengesetz nicht damit rechnen, plötzlich das doppelte für ihre Lebensmittel zu zahlen. Eine Tafel mit 100 Gramm Vollmilchschokolade enthält Kakao im Wert von rund acht Cent, von denen etwa 5 bei Bäuerinnen und Bauern in Westafrika ankommen. Laut Berechnungen der deutschen Initiative “Lieferkettengesetz” würde es nur zu einer Preiserhöhung von 5 Cent führen, wenn man die Löhne der Arbeiter:innen auf ein Niveau heben würde, das ihre Existenz sichert. Eine Steigerung, die Konsument:innen vermutlich gern in Kauf nehmen – weil auch sie wollen, dass ihre Ware sauber im Supermarkt ankommt.