Eine chronisch kranke Frau erzählt: “Wäre wichtig, dass sich Ärzte genug Zeit nehmen können”

Durch Selbstrecherche zur Diagnose
Eine davon ist die Hashimoto-Krankheit, die zu einer chronischen Entzündung der Schilddrüse führt. Es hat sicher fünf Jahre gedauert, bis ich diese Diagnose erhalten habe. Mir ging es unspezifisch schlecht, zunächst habe ich zugenommen, der Hausarzt hat aber nur gesagt, ich soll abnehmen. Dann habe ich aber viel abgenommen. Und irgendwann habe ich meine Gesundheit selbst in die Hand genommen. Das Internet gab es damals schon und ich habe recherchiert und hatte bald den Verdacht, dass ich Probleme mit der Schilddrüse habe. Das habe ich dann meinem Arzt, gesagt, aber viele Mediziner reagieren auf mündige Patienten sehr allergisch.
Da bin ich dann privat zu einem Schilddrüsenspezialisten gegangen und der hat dann endlich die Diagnose gestellt. Die Blutwerte waren nämlich lange unspezifisch, es braucht hier wirklich einen Experten, der sich die Befunde gut ansieht. Allgemeinmediziner schauen sich oft nur bestimmte Werte an. Außerdem haben sie überhaupt keine Zeit mehr für ein längeres Gespräch. Ein Kassenarzt in Wien hat mir einmal einfach ein Rezept für ein Schmerzmittel in die Hand gedrückt, bevor ich überhaupt etwas sagen konnte. Da saßen unzählige Menschen im Wartezimmer, er hatte einfach keine Zeit und wollte, dass ich so schnell wie möglich wieder gehe. Dabei wäre es so wichtig, dass sich Ärzte ausreichend Zeit für ihre Patienten nehmen können und sich so lange wie nötig auch mit komplexen Fällen beschäftigen können.
Unbehandelte, chronische Krankheiten mit schicksalshaften Folgen
Wäre ich damals jedenfalls nicht in privater Behandlung gewesen, hätte ich noch länger gelitten und nicht nur das: Spätestens in der Schwangerschaft hätte die unbehandelte Schilddrüsenkrankheit negative Auswirkungen auf die Entwicklung meines Ungeboren haben können, vor allem auf das Gehirn. Heute bin ich aber zum Glück Mutter eines gesunden Buben.
7.000 Euro jährlich für die Gesundheit
Jedenfalls lasse ich mich seither von Privatärzten behandeln. Das ist nicht billig: Im vergangenen Jahr habe ich rund 7.000 Euro für meine Gesundheit privat ausgegeben, 1.000 davon waren nur für die Perücken. Eine 30-prozentige-Behinderung ist mir anerkannt worden, aber ich bekomme trotzdem kaum Geld zurück. Ein Privatarztbesuch kostet im Schnitt 150 Euro, davon beträgt die Rückerstattung rund 6 Euro. Nun meinen viele, dass ich halt eine private Krankenversicherung nehmen soll – aber chronisch Kranke werden hier einfach abgelehnt!
Ich finde, dass es viel zu wenig Prävention in Österreich gibt. Es wird auch nicht darauf geachtet, dass chronische Krankheiten nicht schlimmer werden. Ein Beispiel: Krebskranke bekommen während einer Chemotherapie sogenannte Immunglobuline, die die Abwehrkräfte des Körpers stärken. Es ist längst bewiesen, dass sie auch das Immunsystem von Menschen mit einer Autoimmunerkrankung stärken. Aber sie bekommen es nicht. Ich habe es einmalig bekommen, weil mein Privatarzt es mir besorgt hat. Es kostet etwa 3.000 Euro.
Mir hat es sehr geholfen, mein Immunsystem war stärker. Sonst habe ich mir dauernd irgendeinen Infekt eingefangen und war krank. Eigentlich würde ich es jedes Jahr brauchen. Ich finde, jeder Mensch mit einer Autoimmunkrankheit, der es benötigt, sollte es selbstverständlich verschrieben bekommen.
Schlechte Versorgung ist volkswirtschaftlicher Wahnsinn
Ich kann mir zum Glück meine privaten Behandlungen leisten. Ich arbeite Vollzeit in einer Führungsposition, habe einen sehr verständnisvollen Dienstgeber und kann flexibel arbeiten. Ich habe Bekannte mit ähnlichen Krankheitsbildern, denen geht es nicht so gut. Sie können sich keine Privatärzte leisten. Ihre Krankheiten blieben oft lange unerkannt oder unbehandelt, sodass sie aufgrund ihres schlechten Gesamtzustandes heute einfach arbeitsunfähig sind. Hätte ich nicht so viel Geld für meine Gesundheit ausgegeben, so wäre ich das heute auch.
Es sollte jedoch nicht nötig sein, dass chronisch Kranke auf Privatärzte ausweichen müssen. Wer sich keine leisten kann, muss also leiden? Außerdem ist das ein volkswirtschaftlicher Wahnsinn! Ich kann meinem Beruf nachgehen und zahle nicht wenig Steuern. Wäre ich arbeitsunfähig, so würde ich dem Staat wohl viel mehr Geld kosten, als die 7.000 Euro, die ich jährlich privat für meine Gesundheit zahlen muss.