print print
favorites-circle favorites-circle
favorites-circle-full favorites-circle-full
Klimakrise

Entwaldungsfreie Lieferkette: Schluss mit zerstörtem Wald für unseren Konsum?

Gerodeter Regenwald, um eine Plantage anzulegen. Die neue EU-Verordnung soll Entwaldung stoppen.
Für unsere Produkte wird ständig Regenwald abgeholzt. Sie weichen Kaffeplantagen oder Rinderweiden. Das soll sich ändern. Die Lieferketten für Rohstoffe sollen entwaldungsfrei werden. Um die neue EU-Verordnung wurde lange gestritten - und es gibt Kritik.

Damit wir im Supermarkt Kaffee kaufen oder neue Reifen am Auto aufziehen können, werden in tropischen Ländern Regenwälder abgeholzt. Sie müssen dort Kautschuk- und Kaffeeplantagen weichen. Mit verheerenden Folgen für die Umwelt, die dort lebende Bevölkerung und unser Klima.

Das soll sich ändern: Die neue EU-Verordnung über entwaldungsfreie Lieferketten ist inzwischen in Kraft gesetzt. Rohstoffe dürfen in Zukunft nur dann in die EU eingeführt werden, wenn sie auf Flächen erzeugt wurden, die bereits vorher nicht bewaldet waren. Neue Rodungen sollen damit verhindert werden.

Ziele: Lieferketten, auf denen kein Baum mehr stirbt

„Das ist ein Schritt In die richtige Richtung“, sagt Anna Leitner, Expertin für Rohstoffe und Lieferketten bei der Umweltschutzorganisation Global 2000. „Die Frage ist, ob das auch kontrolliert wird und die Strafen hoch genug sein werden, wenn sich Unternehmen nicht daran halten“, sagt sie zu MOMENT.at.

Das Ausmaß der abgeholzten Wälder für Produkte ist riesig. „Jedes Jahr verlieren wir etwa zehn Millionen Hektar Wald, die direkt auf unseren europäischen Konsum zurückzuführen sind“, sagte der EU-Abgeordnete Christophe Hansen der Süddeutschen Zeitung. Der Luxemburger ist Mitglied der EVP-Fraktion, der auch die ÖVP angehört.

Unter die neue Verordnung fallen neben Kaffee und Kautschuk auch Soja, Rindfleisch, Palmöl, Kakao und Holz. Sie gilt auch für weiterverarbeitete Waren wie Reifen, Leder und Möbel. Unternehmen müssen von nun an nachweisen, dass für diese Produkte seit 2021 keine zusätzlichen Bäume abgeholzt wurden. Anna Leitner von Global 2000 kritisiert, dass zu wenige Rohstoffe erfasst seien. „Es ist zum Beispiel nur Rindfleisch erfasst, keine anderen Fleischsorten“, sagt sie.

Interessengruppen lobbyierten gegen die Verordnung

Der Grund dafür sei, dass „Interessengruppen stark gegen das Gesetz lobbyiert haben“, sagt sie. „Alle, die den Status quo erhalten wollen und davon profitieren, haben versucht, das Gesetz zu verhindern oder zu verwässern. Sie behaupten, dass sie gar nicht erheben könnten, ob für ihre Rohstoffe und Produkte Regenwald vernichtet wurde. „So wird immer argumentiert, zuletzt auch beim Lieferkettengesetz“, sagt Leitner. „Wenn es um die Qualität ihrer Produkte geht, wissen die Unternehmen aber immer sehr genau, wo etwas herkommt.“

Zuletzt trommelten die Lobbyisten der Reifenhersteller dagegen, auch Kautschuk und Gummi unter das Regelwerk zu setzen. Dabei verwüsteten europäische Reifenunternehmen und Staaten seit der Kolonialzeit tropische Landstriche, um an Kautschuk zu kommen. Sie töteten, versklavten und enteigneten die dort lebenden Menschen.

Menschenrechte und die Rechte von indigenen Völkern sollen mit der neuen Verordnung ebenfalls gewahrt werden. Problem dabei: Die Regeln gelten im Rahmen der „einschlägigen Rechtsvorschriften des Erzeugerlandes“, steht in der Verordnung. Haben die Herkunftsländer Menschenrechte gar nicht ratifiziert und gesetzlich verankert, haben die EU-Länder auch keine Handhabe.

In Österreich muss das Landwirtschaftsministerium kontrollieren

Stellen Behörden fest, dass Unternehmen gegen das Gesetz verstoßen, sollen Produkte zurückgerufen werden und Geldbußen verhängt werden können. Statt anzuordnen die Waren zu vernichten, sollen sie an karitative Einrichtungen gespendet werden. Doch ob und wie genau hingeschaut wird, ob Unternehmen die Verordnung einhalten, liegt bei den Mitgliedsländern. In Österreich ist das Landwirtschaftsministerium zuständig dafür, die Lieferketten zu kontrollieren.

Und da „kommt es darauf an, wie es umgesetzt wird, der Teufel steckt im Detail“, sagt Leitner. Die Behörden müssten sämtliche Handelsströme überwachen, um zu verhindern, dass Schlupflöcher ausgenutzt werden. Das zeigen jüngste Investigativ-Berichte über illegalen Holzhandel, bei denen die EU-Holzverordnung von 2013 umgangen wird – etwa mit dem Import über Drittstaaten.

Anna Leitner von Global2000 warnt: „Die Verordnung soll jetzt kein Freischein sein nach dem Motto jetzt gibt es die, also ist eh alles in Ordnung. Es ist eher der Beginn eines Prozesses.“ An deren Ende soll stehen, das europäische Unternehmen für ihre Produkte tatsächlich keine Regenwälder mehr abholzen.

    Neuen Kommentar hinzufügen

    Kommentare 0 Kommentare
    Kommentar hinzufügen

    Neuen Kommentar hinzufügen

    Es gibt noch keine Kommentare zu diesem Beitrag!