„Der Hass hat in mir gebrannt wie Feuer“: Ein Gespräch mit meiner Haterin
Du hetzt auf TikTok auf wie aus dunklen Zeiten. So ein Mensch wie du sollte kein Recht auf Leben haben. Hoffentlich stirbst du.
Als Frau, die sich online politisch äußert, bekomme ich oft grenzwertige Nachrichten. Mir den Tod zu wünschen, geht mir aber zu weit. Ich beschließe, die Verfasserin dieser Nachricht anzuzeigen. Denn Hass im Netz kann in Österreich strafbar sein.
Doch Wochen später passiert etwas Erstaunliches: die Verfasserin meldet sich bei mir und entschuldigt sich. Ich ziehe meine Anzeige zurück. Weil ich aber verstehen will, wieso jemand Hassnachrichten überhaupt verschickt, bitte ich sie noch um eines: mir ein Interview zu geben. Und sie willigt ein.
Die ganze Geschichte gibt es in unserer fünfteiligen TikTok-Doku “Anzeige ist raus”.
MOMENT.at: Wie ist es eigentlich zu dieser Hassnachricht gekommen?
Anna*: Ich bin dir ja schon Monate zuvor gefolgt und habe mich total provoziert gefühlt durch deine Videos, gerade in Bezug auf politische Themen. Bei mir hat sich in den letzten Jahren sehr viel ins Negative verändert. Ich hatte große Probleme in der Arbeit, dann kamen noch private Schwierigkeiten dazu und ich bin immer mehr in eine Art Internetblase reingeraten.
MOMENT.at: Wie hast du dich gefühlt, als du die Nachricht geschrieben hast? Was wolltest du damit erreichen?
Anna*: Ich war sehr wütend und aufgebracht. Das war ein ganz komisches Gefühl von Hass und das hat in mir gebrannt wie Feuer.
Ich habe mich im Nachhinein bei dir entschuldigt, aber ich glaube auch, dass es von deiner Seite oft Videos gab, die mich getroffen haben. Also vielleicht hast du dir da auch nicht so Gedanken gemacht, dass man da jemanden seelisch mit gewissen Videos treffen kann. Und das war auch ein Grund, warum ich diese Nachricht geschrieben habe. Das würde ich natürlich aus heutiger Sicht so nicht mehr schreiben. Ich würde dich vielleicht schon anschreiben, nur natürlich konstruktiver.
Ich glaube aber, dass viele Influencer sich natürlich auch angreifbar machen. Und wenn man sehr vieles postet, dann muss man vielleicht ein bisschen damit rechnen, dass mal Kritik kommt oder auch Hassnachrichten.
MOMENT.at: Würdest du sagen, es ist dir nach dem Verschicken besser gegangen? Hat diese Nachricht was bei dir gelöst?
Anna*: Es war schon eine Form von gelöst sein, das würde ich schon sagen. Ich hatte auch lange Zeit mit einem sehr niedrigen Selbstwert zu tun und es hat mich dann im eigenen Selbstwertgefühl total gestärkt. Das klingt für Außenstehende jetzt vielleicht komisch, aber wenn man in den letzten Jahren viele negative Sachen erlebt hat und dann so eine Hassnachricht verschickt, dann ist das schon auch eine Form von Lösung.
MOMENT.at: Wir haben ja nach deiner Nachricht kurz geschrieben. Hat das bei dir irgendetwas geändert?
Anna*: Du hast ja geschrieben, “ich zeig dich an” und da habe ich mir eigentlich nichts gedacht. Also ich hab mir gedacht, ja, die schreibt das einfach so. Mein Leben ging dann ganz normal weiter.
MOMENT.at: Was ist dir durch den Kopf gegangen, als du von der Anzeige erfahren hast?
Anna*: Ich war geschockt und auch wie gelähmt. Ich habe mich gefragt, warum du das machst oder warum du mich anzeigst.
Diese Anzeige hatte jetzt im Nachhinein aber auch irgendwie was Positives für mich. Es war wie so ein Licht, das bei mir an ging, wo ich gesehen habe, dass ich da wo reingeraten bin, was keine gesunde Sache mehr war.
Es hat mich auch sehr krass geärgert, dass ich mir selber Probleme gemacht habe. Das mit der Hassnachricht war sehr unreflektiert und auch nicht zu Ende gedacht, dass das auch rechtliche Konsequenzen haben kann. Das vergessen sehr viele, denke ich.
MOMENT.at: Gab es bei dir vor der Anzeige schon einen gewissen Lernprozess? Wolltest du davor schon etwas ändern?
Anna*: Ich glaube, das ist das sehr große Problem in Bezug auf Hassnachrichten oder Internetsucht. Dass man das selber gar nicht wahrnimmt. Also ich habe das lange Zeit überhaupt nicht wahrgenommen, dass ich immer mehr Zeit im Internet verbracht und – was mir jetzt im Nachhinein auffällt – auch total meine Hobbys und sozialen Kontakte vernachlässigt habe.
MOMENT.at: Wie gehst du in Zukunft mit solchen Dingen um? Hast du jetzt andere Möglichkeiten gefunden, wie du diese negativen Emotionen verarbeiten kannst?
Anna*: Seit dieser Anzeige hat sich bei mir sehr viel geändert. Ich habe viele öffentliche Personen, die täglich Videos oder Fotos posten, gelöscht oder ich schaue sie mir nicht mehr so oft an wie vorher. Auch Onlinemedien, wo Leute kommentieren, schaue ich mir eigentlich gar nicht mehr an und kommentiere auch selbst nicht mehr.
Und ein ganz wichtiger Punkt ist, dass man sich ablenkt. Dass man wieder mehr mit Freunden raus geht oder schaut, dass man vielleicht beruflich weiter kommt.
MOMENT.at: Was würdest du anderen sagen, die in die gleiche Situation kommen, in der du damals warst?
Anna*: Das Allerwichtigste ist, dass man sich bewusst wird, dass man keine so gesunde Beziehung zum Internet hat. Und dann kann es vielleicht auch helfen, dass man sich professionelle Hilfe sucht. Das war bei mir jetzt nicht so der Fall, weil das für mich eher ein Zwang gewesen wäre. Das hätte mir wahrscheinlich nicht geholfen. Mir hat es mehr geholfen, mit Freunden und Familie darüber zu reden.
MOMENT.at: Willst du mir noch etwas mitgeben?
Anna*: Ja, also ich habe durch deine Videos immer gedacht, dass du total unmenschlich bist, du warst mir sehr unsympathisch. Aber jetzt, so wie du mit mir redest, hätte ich niemals gedacht, dass du mir doch sympathisch sein kannst.
Ich glaube einfach, dieser persönliche Austausch würde vielen helfen.
*Name von der Redaktion geändert