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Gesundheit

Private Investor:innen in der Pflege: „Das ist nicht zum Wohle der ärmeren Menschen“

Investor:innen drängen ins Geschäft mit Wohnen, Pflege und Gesundheit. Das Wohl von Bewohner:innen und Patient:innen steht mitunter nicht an erster Stelle. Foto: xavierarnau
Was passiert, wenn private Kapitalgeber:innen mit Pflege, Gesundheit und Wohnen Gewinne machen wollen? Ein privat betriebenes Pflegeheim im Burgenland meldete Insolvenz an und muss schließen. 51 Bewohner:innen brauchten sofort einen neuen Pflegeplatz. Zuvor meldete das Heim "Rosengarten" in Bad Sauerbrunn noch Gewinne und schüttete Geld an die Eigentümer aus. Die Staatsanwaltschaft wurde eingeschaltet.

Infrastruktur-Ökonom Leonhard Plank von der TU Wien untersuchte in einer Studie, wie private Investor:innen mit Daseinsfürsorge Geschäfte machen. In Bad Sauerbrunn „steht man vor einem Scherbenhaufen, weil die notwendigen Mittel für Personal nicht mehr in der Gesellschaft sind, sondern nach oben gereicht wurden.“ Das sei kein Einzelfall, sondern üblich bei Investor:innen. Umfassende und universelle Versorgung würden sie nicht leisten.
 

MOMENT.at: In Ihrer Studie schreiben Sie: Investoren drangen in den vergangenen Jahren immer mehr in elementare Versorgungsbereiche, gleichzeitig zieht sich die öffentliche Hand zurück. Kommen die Investoren, weil die öffentliche Hand sich zurückzieht oder zieht sich die öffentliche Hand zurück, weil Investoren da sind?

Leonhard Plank: Das ist eine Wechselwirkung. Im Hintergrund wirkt das Paradigma des Marktliberalismus: dass privat immer besser sei als Staat, also innovativer, effizienter, agiler. Dazu kommen bestimmte Mechanismen in den Sektoren Wohnen, Gesundheit und Pflege. Eine Politik der leeren Kassen und Haushaltsdisziplin. Und eine Politik mit dem Ziel, die Kosten im Gesundheitswesen zu dämpfen. Das ist die Grundlage für den Rückzug des Staates einerseits und den Einstieg von Investoren auf der anderen Seite. Beim privaten Kapital gibt es einen gewissen Anlagedruck.

MOMENT.at: Das heißt: Auf Seiten der Investoren lag so viel Geld herum, dass sie neue Felder auftun mussten, die bisher nicht als gewinnbringend galten, etwa die Pflege?

Plank: Es ist viel Geld da. In den Bereich der Pflege wurde investiert, weil andere Möglichkeiten für die Geldanlage weitgehend erschöpft waren. Das ist ein zentraler Treiber. Es gibt massiv privates Überschusskapital. Das wird von institutionellen Investor:innen gebunkert. Private Equity ist die Speerspitze davon.

Im Pflegebereich sind die Personalkosten der größte Ausgabenblock, und damit ein wichtiger Ansatzpunkt für Profit.

MOMENT.at: Sozialer Wohnbau, Gesundheit und Pflege gelten als Zuschussgeschäfte. Da zahlt der Staat immer drauf. Wie können private Investoren jetzt kommen und sagen: Wir machen damit sogar noch Gewinn?

Plank: Diese Geschäftsmodelle sind nie so ausgelegt, dass sie umfassende und universelle Versorgung leisten können. Es geht immer nur um einzelne Teile. Und selbst hier kann das meist nur zeitweise funktionieren. Im Pflegebereich sind die Personalkosten der größte Ausgabenblock, und damit ein wichtiger Ansatzpunkt für Profit. Wenn sie die runterbringen, haben Investor:innen einen Hebel für kurzfristige Gewinne . Doch das geht nur bis zu einem gewissen Punkt.
 
MOMENT.at: Im burgenländischen Bad Sauerbrunn hat ein Pflegeheim jetzt Insolvenz angemeldet. Und das, obwohl es vorher noch Gewinne auswies. Können Sie sich erklären, warum das so kam?

Plank: Der aktuelle Fall in Bad Sauerbrunn scheint ein ansehnliches Beispiel dafür, wie über andere Mechanismen als die Personalkostenschraube versucht wird, Gewinne abzuschöpfen. Auffällig ist, dass es bis vor kurzem noch eine Gesellschaft gab, die den Betrieb geführt hat und der auch die Pflegeimmobilie gehört hat. Dann wurde die Immobilie an den deutschen Lindhorst-Konzern verkauft, der in der Landwirtschaft, in der Pflege und im Immobiliensektor tätig ist. Entsprechend konnten hohe Gewinne ausgewiesen werden, stille Reserven wurden realisiert.
 
MOMENT.at: Was ist mit den Gewinnen passiert?

Plank: Offensichtlich wurden sie fast vollständig an die übergeordnete österreichische Eigentümergesellschaft ausgezahlt. Jetzt steht man vor einem Scherbenhaufen, weil die notwendigen zusätzlichen Mittel für Personal oder auch Energie nicht mehr in der Gesellschaft sind, sondern konzernintern nach oben gereicht wurden. Das ist durchaus in der Grundlogik dessen, was wir in der Studie beschrieben haben.
 
MOMENT.at: Das haben Sie auch in Ihrer Studie beschrieben: Es wird nicht nur in den Betrieb von Pflegeheimen investiert, sondern in die Immobilien. Was passiert da?

Plank: Es läuft beides. Der Betrieb von Pflegeheimen wird mit Immobiliengeschäften verbunden. Das ist eine Logik, die wir sowohl bei den großen Private Equity dominierten Pflegeinvestoren als auch bei den europäischen Pflegekonzernen sehen. Dieses Geschäftsmodell war darauf aufgebaut, dass die Immobilienpreise steigen und die Zinsen niedrig bleiben. Das hat sich jetzt geändert. In Verbindung damit, dass die Entlohnung für das Personal jetzt zurecht steigt, kommen einzelne Betreiber:innen in Schwierigkeiten.
 
Das sehen wir jetzt bei der französischen Orpea, dem vormaligen Marktführer in Europa. Der hat in Österreich gerade vier Pflegeheime verkauft. Und zwar nicht an einen niederländischen oder deutschen Immobilienfonds, sondern an einen österreichischen Investor. Der ist der Stiftung der XXXLutz-Gruppe zuzuordnen.
 
MOMENT.at: Was will denn eine Möbelhauskette mit Pflegeheimen?

Plank: Offensichtlich ist das ein Konglomerat. Die Stiftung verwaltet Investitionen und Veranlagungen im Bereich Immobilien, die eine Rendite versprechen. Dann landen wir wieder beim Punkt des großen Anlagedrucks. Das Geld ist da und muss investiert werden.

Wenn noch überzogene Gewinnerwartungen draufkommen, muss man sich fragen, wie sich das ausgehen soll.

MOMENT.at: In der Studie beschreiben Sie, dass private Betreiber:innen „cherry picking“ betrieben. Sie gehen dorthin, wo vergleichsweise gut situierte Patient:innen leben. Am Land ist die gesundheitliche und pflegerische Versorgung weniger dicht als in der Stadt. Sind wir da schon am Weg zur Zwei-Klassen-Fürsorge?

Plank: Genau. Das sehen wir in Deutschland in einzelnen Bereichen des Gesundheitssystems, etwa bei Zahnärzt:innen. Dort, wo die Versorgung ohnehin schon gut ist, gibt es immer mehr Privatpraxen. Weil das die Regionen sind, die einkommensstark sind. Andere Gruppen bleiben außen vor. Das ist eine der zentralen Gefahren. Es ist nicht zum Wohle der ärmeren Menschen. Da stimmt dann das Gesamtsystem nicht mehr.
 
MOMENT.at: In einem Pflegeheim des privaten Betreibers SeneCura in Salzburg herrschten skandalöse Zustände. Bewohner:innen waren unterversorgt. Sehen Sie die Gefahr, dass Patient:innen leiden, wenn Pflege und Gesundheit gewinnorientiert betrieben werden?
 
Plank: Was dort passierte, ist sicher ein Extremfall. Aber in der systematischen, strukturellen Logik ist das natürlich angelegt. Gute Pflege braucht Personal, das kostet. Wenn man sich dazu eine bestimmte Rendite verspricht, dann kann es zu solchen Extremen kommen. Ein Enthüllungsbuch über den französischen Pflegekonzern Orpea hat ihr Kartenhaus zum Einsturz gebracht.

Wie auch beim zweiten großen französischen Pflegekonzern musste der Staat als Krisenfeuerwehr einspringen, um die Konzerne zu retten. Es zeigt sich, dass die Strategien der Rationalisierung selbst in Luxus-Pflegeheimen dazu führen, dass es zumindest tageweise nicht möglich ist, qualitätsvolle Pflege zu leisten. Wenn dann noch überzogene Gewinnerwartungen draufkommen, muss man sich fragen, wie sich das insgesamt ausgehen soll.

Porträtfoto Leonhard Plank, Infrastruktur-Ökonom an der TU Wien

©Alltagsökonomie Tagung, Rathaus

Zur Person: Leonhard Plank forscht und lehrt zu Finanzwissenschaft und Infrastrukturökonomie an der TU Wien. Seine Schwerpunkte sind Sozioökonomie, Infrastrukturökonomie und -politik, Regional- und Entwicklungsökonomie und transnationale Unternehmen.

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