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Kapitalismus
Arbeitswelt

Männer sollen mehr arbeiten, Mütter dürfen in Teilzeit gehen? Wie IV-Chef Kari Ochsner ein veraltetes Bild stützt

Männer sollen mehr arbeiten, Mütter dürfen in Teilzeit gehen? Wie IV-Chef Kari Ochsner ein veraltetes Bild stützt
Kari Ochsner (Foto: Wolfgang Wolak/IV NÖ)
Mit Rollenbildern aus den 1950ern will die Industrie die Arbeitnehmer:innen zu mehr statt weniger Arbeit drängen. Natascha Strobl analysiert ein Interview von IV-Chef Kari Ochsner.

Kari Ochsner ist er Chef der Industriellenvereinigung in Niederösterreich und gibt als solcher natürlich auch Interviews

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Wer ist Kari Ochsner?
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Kari Ochsner ist Chef der Industriellenvereinigung in Niederösterreich. Sein Unternehmen „Ochsner Wärmepumpen“ ist Österreichs größter Wärmepumpen-Hersteller. Politisch sieht sich Ochsner „wahrscheinlich am ehesten aus dem ÖVP-Umfeld“ kommend. Er ist Mitglied einer katholischen Studentenverbindung. Er hat auch diverse Anknüpfungspunkte zur FPÖ, habe sich als Klimaschützer aber besonders unter Herbert Kickl von der FPÖ entfremdet, schrieb der Falter im Vorjahr, in dem Ochsner als „moderner Unternehmer“ gepriesen wird. Ochsner war Trauzeuge von Heinz-Christian Strache (Ex-FPÖ-Chef) und wurde unter Infrastrukturminister Norbert Hofer (Ex-FPÖ-Chef) zum ÖBB-Aufsichtsratsmitglied. Außerdem sitzt er seit der Türkis-Blauen Regierungszeit 2019 im Aufsichtsrat der ÖBAG-Staatsholding. (red)

Wenig überraschend, ist dabei alles ziemlich furchtbar für die Industrie in Österreich. Es brauche weniger Lohnnebenkosten (die sind auch als „Investitionen in den Sozialstaat“ bekannt), keine Steuern auf Überstunden und sowieso sollten die Menschen mehr statt weniger Arbeitszeit in den Betrieben verbringen. Nicht unbedingt für mehr Geld natürlich. Stattdessen forderte die IV kürzlich die „41-Stunden-Woche„. Grund für das alles ist natürlich das vorgebliche Wohl des Standorts. Denn: Sollte dies alles nicht geschehen, dann müssen Industriebetriebe leider nach Indien oder Amerika ansiedeln, wo es all diese schrecklichen Fesseln nicht gibt. 

Beachtenswert ist der Versuch, dabei halbwegs menschlich zu wirken. Ochsner erkennt nämlich schon zumindest einen Grund ausdrücklich an, in Teilzeit zu gehen. Nämlich für Mütter mit kleinen Kindern, weil die ja auch andere Arbeiten hätten. Dann wäre Teilzeit „schön“. Junge Väter erwähnt er nicht. Bei jungen Männern allgemein hört sich das Verständnis ohnehin ganz auf. Wenn die Teilzeit arbeiten, dann „belastet“ die Industrie das. Die sollen Vollzeit arbeiten.

 
Screenshot aus dem ORF.at Interview mit Kari Ochsner

Screenshot aus dem ORF.at Interview mit Kari Ochsner (Hervorhebung: MOMENT.at)

 

Kari Ochsner und das Bild von Frauen und Männern

Der Falter hat Kari Ochsner bei seinem Aufstieg zum IV-Chef als „modernen Unternehmer“ gepriesen, der etwa viele Frauen in Führungsrollen beschäftige. Im aktuellen Interview stützt Ochsner mit seinem einseitigen Verständnis für Teilzeit-arbeitende Mütter aber eher den sonstigen Status Quo. Frauen leben in finanzieller Abhängigkeit, Männer bringen das Geld nach Hause. Teilzeit ist gut für Frauen, besonders Mütter, aber nicht für Männer. Mit diesem Bild werden sowohl Frauen als auch Männer beleidigt. Es zementiert sie in veraltete Rollen ein.

Teilzeit bedeutet sehr oft finanzielle Abhängigkeit und Altersarmut. Der Grund für Teilzeit liegt auch an fehlender Kinderbetreuung – aber eben auch an dem Fakt, dass Eltern gerne Zeit mit ihren Kindern verbringen wollen. Das sind auch die Väter. Teilzeit als ein scheinbar natürliches Mutter-Ding zu verpacken, verkennt die Bedürfnisse von Müttern, Vätern und Kindern. Es gibt zudem noch viele weitere Gründe, warum man Teilzeit arbeitet: etwa wenn man Pflegearbeit verrichtet, sich fortbildet oder einfach ein immer intensiveres Berufsleben vorfindet, das Vollzeit in manchen Berufen über ein Arbeitsleben hinweg kaum noch zu schaffen ist. Zudem können Krankheiten (auch unsichtbare) einschränkend wirken.

Generell ist die Teilzeitquote bei Männern gering, vor allem im Vergleich zu Frauen. Bei Männern unter 35 Jahren – also den jungen Männern, deren Arbeitszeit Kari Ochsner Sorgen macht, war die Quote 2023 um 2 Prozentpunkte über dem Zehn-Jahres-Schnitt. Trotzdem sind nur 15,6 % der Menschen dieser Gruppe in Teilzeit.

Arbeitszeitverkürzung für alle

Die bestehenden Rahmenbedingungen sind im Grunde auf das Familienmodell ausgerichtet, das Ochsner beschreibt: Frau daheim, Männer Vollzeit. Dass ein Männer-Vollzeitgehalt oft für eine Familie nicht mehr ausreicht, zeigt, wie prekär dieser Lebensstil ist. Frauen, die arbeiten, sind da weniger ein emanzipatorischer Schritt, als ein Zugeständnis an den neoliberalen Mainstream, um in Teilzeit das Familiengehalt aufzubessern. 

Eine Arbeitszeitverkürzung ist in den Augen von Industriellen wie Kari Ochsner hingegen „nicht machbar“, würde aber wirklich befreiend wirken. Teilzeit-arbeitende Frauen wären mit derselben bezahlten Arbeitszeit auf einmal näher an oder in einer Vollzeitstelle – und damit an besseren Löhnen. Dann könnten sie sich (und etwaige Kinder) selbst erhalten. Und Männer könnten mit einer Vollzeitstelle weniger Zeit im Beruf verbringen und mehr Sorgearbeit verrichten. (Anm. d. Red: Mütter arbeiten heute täglich mehr Stunden als Väter)

Dabei dreht sich das Prinzip: Arbeiten um zu leben statt leben, um zu arbeiten. Auch für den viel beschworenen Standort ist es besser. Die Arbeitskräfte bleiben länger fit, sind weniger oft krank und arbeiten somit netto mehr. Anstrengende Berufe (Stichwort: Pflegekräfte) hätte eine geringere Ausstiegs-Quote und könnten vielleicht sogar wirklich bis zur Pension verrichtet werden.

Das Wichtigste aber: Männer wie Frauen könnten sich real, frei und gleichberechtigt ihre Zeit einteilen anstatt ihres Geschlechts wegen in Teilzeit oder Vollzeit abgeschoben zu werden.

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