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Ungleichheit
Demokratie

Kein warmes Essen? Nehammer schickt Kinder zu McDonalds

Kein warmes Essen für Kinder? Dann sollen sie doch Hamburger von McDonalds essen. Bundeskanzler Nehammer sorgt mit einem Skandal-Video für Furore. Er verhöhnt arme Familien und empfiehlt Fastfood als warme Mahlzeit. Barbara Blaha kontert mit Fakten.

Teil 2: Realitätscheck

Jedes 5. Kind wächst in Armut auf

In Österreich werden über 350.000 Kinder und Jugendliche in armuts- oder ausgrenzungsgefährdeten Familien groß. Jedes 5. Kind wächst in Armut auf. Sie fahren nie oder fast nie auf Urlaub. Sie leben in Wohnungen, die nicht ausreichend geheizt werden. Sie kennen Toast, Reis oder Kartoffeltage, weil für mehr reicht es am Ende des Monats nicht mehr.

Hilfe? Nehammer & Co ignorieren Kinderarmut

Die bisherigen Mini-Maßnahmen der Regierung sind allenfalls ein Tropfen auf dem heißen Stein. 60 Euro Sonderzuschuss pro armutsgefährdetem Kind sollen helfen, vorübergehend die ärgsten Folgen der Teuerung abzufedern. Die 60 Euro im Monat sind einfach nicht genug. Sie gleichen einer Alleinerzieherin nicht einmal aus, was sie an Mehrkosten für Essen, Wohnen und Energie stemmen muss. Denn das Loch, das ihr die Teuerung monatlich in die Geldbörse frisst, ist mittlerweile 180 Euro groß. Plus: Besonders eilig hat man es mit der Auszahlung auch nicht gerade. Seit Juni müssen Familien auf den Sonderzuschuss warten, angeblich wird aber jetzt dann ganz bald fast sofort ganz sicher mit der Auszahlung begonnen. (Ö1: Auszahlung von Kinderzuschuss soll im September starten). Im Dezember ist es damit dann auch schon wieder vorbei.

Ein Nationaler Aktionsplan gegen Kinderarmut? Nicht mit Österreich

Auch die EU betrachtet die wachsende Zahl armer Kinder mit Sorge. Darum wurde gemeinsam die “Europäische Garantie für Kinder” beschlossen. Alle Kinder in der EU sollen das Recht haben auf einen kostenlosen Kindergartenplatz, ausreichende Schulbildung, sie sollen gut gesundheitlich versorgt werden, ausreichend Platz zuhause und einmal am Tag warm zu essen bekommen. Unsere Regierung hat sich da auch gleich prompt zur Kindergarantie bekannt.

Um das zu erreichen, braucht es mal einen Plan. Darum haben alle EU-Staaten einen Nationale Aktionsplan gegen Kinderarmut entwickelt. Alle EU-Staaten? Nein: Österreich hat keinen gemacht. Seit März 2022 sind wir säumig.

Ab 2025 will die EU die Pläne erstmals evaluieren, wir haben noch nicht mal einen. Aber keine Sorge: Konsequenzen gibt es eh keine, wir können die Vorgabe also ruhig noch ein paar Jahre ignorieren.

Kostenlose Kinderbetreuung ist notwendig

Apropos ignorieren, das tun wir ja auch auf anderen Baustellen, die man dringend angehen müsste, wenn einem arme Kinder wirklich ein Anliegen wären. Ministerin Raab sagt: Jedes Kind soll in Österreich sorgenfrei aufwachsen. Ein wesentlicher Hebel dafür sind: die Kindergärten. Wer in eine arme Familie geboren wird, profitiert überdurchschnittlich von den Bildungsangeboten zu Beginn seines Lebens. Was die Familie selbst nicht schafft, kann der Kindergarten zumindest teilweise wieder gutmachen, wenn man ihn ausreichend finanziert.

Gute Kindergärten, exzellente Pädagog:innen und ein toller Betreuungsschlüssel: Das sind die Zutaten, um den Armutskreislauf zu durchbrechen. Wo halten wir? Salopp gesagt: ganz hinten.

Die Ausgaben für Kinderbetreuung haben sich seit 1980 verdoppelt. Nur: In anderen Ländern stiegen sie wesentlich stärker. Deutschland steigerte das Budget dafür um das 4-fache, Frankreich um das 5-fache und Italien und Belgien um das 7-fache. Mit Ausgaben von 0,7% der Wirtschaftsleistung für Kinderbetreuung liegen wir weit unter dem OECD-Durchschnitt von knapp 1%, bei der Betreuungsquote von kleinen Kindern verpassen wir das EU-Ziel Jahr für Jahr für Jahr.

Der gesamtwirtschaftliche Nutzen betrifft nicht nur die Kinder, sondern auch deren Eltern. Wenn eine Frau weniger arbeitet, (weil meist sie und selten er die Kinder betreuen muss), verdient sie auch weniger, hat weniger Aufstiegschancen, am Ende eine lächerlich kleine Pension. Anders gesagt: Wer keine Kindergärten baut, und sei es auch nur aus eigennützigen Karrieremotiven wie Ex-Bundeskanzler Sebastian Kurz, schadet armen Familien gleich mehrfach.

Ein Schulsystem, das aussortiert

Was wir im Kindergarten verbocken, schreiben wir in der Schule fort. Unser Schulsystem ist dafür gebaut, dass alle bleiben, wo sie sind. Mit nur 10 Jahren entscheidet sich, wer es später aller Wahrscheinlichkeit nach an eine Uni schafft – und wer nicht. Fast nirgends wird Bildung so stark vererbt, wie in Österreich. Wir zementieren den sozialen Status fest ein. Kinder aus armen Familien verdienen später kaum mehr als ihre Eltern. Die OECD hat berechnet, wie lange es dauert, die Hürde Herkunft zu überwinden. Um sich aus der untersten Einkommensgruppe in die Mitte vorzukämpfen, braucht es in Dänemark 2 Generationen. In Österreich braucht es 5 Generationen: 125 Jahre.

Das ist kein Upsi, das ist kein Hoppala: Auch dass es Österreich in drei Jahren nicht einmal geschafft hat, auch nur einen Aktionsplan vorzulegen, wie das Problem gelöst werden soll? Das ist kein Versehen mehr. Das ist Absicht. Das ist die Konsequenz einer Sozial-, Bildungs,- und Arbeitsmarktspolitik, die das Ziel Armut zu bekämpfen schlicht nicht verfolgt.

Kinderarmut: Was es also braucht?

  • Einen Plan: der nationale Aktionsplan gegen Kinderarmut ist überfällig.
  • Geld: Mit einer Kindergrundsicherung können wir allen Kindern in Österreich ein finanziell abgesichertes Leben bieten. Leisten könnten wir uns das locker: 4,6 Milliarden Euro kostet es in Österreich Kinderarmut abzuschaffen und eine Kindergrundsicherung einzuführen. Allein all die klimaschädliche Subventionen, die etwa die Anschaffung von Dienstwägen fördern, lässt sich die Republik über 6 Milliarden Euro jährlich kosten.

Lasst uns die Prioritäten mal verschieben.

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