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Arbeitswelt
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AUA-Flugbegleiterin zum Streik: “Management ist nichts ohne uns Flugbegleiter:innen”

Flugbegleiter:innen in roten Anzügen bei der Arbeit im Gang des Flugzeuges
Anna* ist Flugbegleiterin bei Austrian Airlines (AUA). Sie streikt für bessere Arbeitsbedingungen und mehr Gehalt. Warum das die Passagiere frustriert, versteht sie zwar. Aber es fehlt an Anerkennung ihrer Arbeit und die ihrer Kolleg:innen. MOMENT.at erzählt sie, was sie wirklich denkt.

Update 25.4., 18:30: Die AUA und die Gewerkschaft ihres Bordpersonals haben sich nach mehr als 20 Verhandlungsrunden am Donnerstagabend geeinigt. Bis 2026 steigen die Gehälter in drei Schritten um im Schnitt 19,4 %. Es wird deshalb vorerst keine weiteren Streiks mehr geben, wenn die Belegschaft zustimmt. Der Betriebsrat empfiehlt das diesmal. Das Gespräch mit Anna fand davor statt und wurde davor veröffentlicht.

Ich arbeite seit einigen Jahren für die Austrian Airlines. Das hat sich für mich nach der Schule gut ergeben. Ich dachte: Ein bisschen die Welt sehen und Geld verdienen, warum nicht? Es ist natürlich ein bisschen mehr Aufwand, als “ein bisschen die Welt sehen”, aber ich habe mich gefreut, als sie mich genommen haben. Der Job passt für mich. 

An sich mag ich die Unternehmenskultur. Wir haben flache Hierarchien und sind alle per “Du” – das finde ich gut. Ich würde jetzt auch nicht für eine andere Airline arbeiten wollen. Aber der Streit mit dem Management beschäftigt mich, wie alle bei der AUA, täglich.

Das finde ich nicht fair

Anfangs fand ich es nach der Matura super, einfach mein eigenes Geld zu verdienen. Da war mir auch nicht so wichtig, wie viel das ist. Mittlerweile sehe ich das aber auch so, dass man der Kabinenbesatzung nicht genug bezahlt. 

Wenn wir irgendwo im Ausland stehen und unser Flug wegen des Windes mehrere Stunden verspätet, dann sind wir als Crew auf uns allein gestellt. Wir müssen dafür sorgen, dass alle ruhig bleiben, es allen passt und dass genug Wasser da ist, wenn die Hitze drückt. Wenn ich mir dann was ausgemacht habe in Wien, kann ich das natürlich vergessen. Oder wenn wir im Sommer Charterflüge anbieten. Das heißt für die Besatzung oft um zwei Uhr morgens aufstehen und arbeiten. Das ist auf die Dauer eine große Belastung für uns. 

Es ist einfach angebracht, für die Schichtdienste und Extra-Arbeit, die wir oft leisten, uns angemessen zu bezahlen. Es ist ja nicht so, als hätte der Betrieb nicht genug Geld. Gerade innerhalb der Lufthansa-Gruppe ist das unverständlich. Die AUA hat auch wieder eine Auszeichnung für die beste Cabin Crew bekommen. Alle finden unsere Leistung super, aber niemand will dafür mehr Geld bezahlen. Wir werden um einiges schlechter bezahlt als die Flugbegleiter:innen und Pilot:innen bei der Lufthansa. Das verstehe ich nicht. 

Anfeindungen gegen Belegschaft

Andererseits denke ich auch an die Passagiere, wenn wir streiken. Gerade jetzt zu Ostern gibt es Leute, die für einen Flug lange gespart haben. Ich kann das nachvollziehen, wenn die wütend werden, weil ihr Flug ausfällt. Ich bin da auch Mitschuld, weil ich es für wichtig halte, mich an den Streiks zu beteiligen. 

Ich finde meinen Beruf sehr schön, weil ich viel mit Menschen zu tun habe. Natürlich interessiert mich auch, was die von der AUA halten. In meiner Freizeit lese ich dann trotzdem die Kommentare von Menschen auf Instagram und Facebook. Natürlich, wer nicht? Da gibt es aber auch viele Hasskommentare gegen uns. 

Wenn Kolleg:innen zu Betriebsratsversammlung mit Dienstuniform fahren, habe ich schon öfter gehört, dass Leute sie in der S-Bahn dafür angegangen sind. Sie haben ihnen vorgeworfen, dass sie ja nur die ganze Zeit streiken würden und unrealistische Forderungen hätten. Ich habe für mich entschlossen, dass ich Leuten dann immer sage, ich wäre vom Bodenpersonal. Weil das streikt ja nicht. Nur um mich selbst vor den Kommentaren in den Öffis zu schützen.

Wir haben keine unrealistischen Forderungen. Für mich ist das auch eine Frage des Respekts. Ich möchte für meine Leistung angemessen entlohnt werden. Auch mit Inflationsanpassungen. Das Management selbst verdient ja auch genug. Eine Annette Mann (Anmerkung: CEO der AUA) ist nichts ohne uns Flugbegleiter:innen. 

AUA-Management spaltet die Belegschaft

Ich würde mir wünschen, dass das Management aufhört, nach außen falsche Forderungen von uns weiterzugeben. Zum Beispiel haben wir niemals davon gesprochen, dass wir eine Gehaltserhöhung von 40 Prozent haben möchten. Wenn das Management solche Informationen nach außen trägt, dann schadet das dem ganzen Unternehmen. 

Je länger es dauert, desto mehr spaltet es auch die Belegschaft. Wenn ich mit Kolleg:innen fliege, wo ich merke, dass sie bei diesem Thema anderer Meinung sind, dann umgeht man das Gespräch über die Streiks oft lieber. Man arbeitet mit denen ja ein paar Stunden oder Tage zusammen und man will sich verstehen. Vor allem jungen Kolleg:innen wird oft Angst gemacht. Die streiken oft nicht mehr, weil sie glauben, dass sie sonst gekündigt werden. Ich verstehe, dass man in der Probezeit da noch vorsichtiger ist. 

Wer soll denn die Arbeit übernehmen?

Aber ich glaube nicht, dass die Lufthansa sich sonst aus Wien zurückzieht. Es gab ja dieses Gerücht. Die Lufthansa und andere Airlines haben großen Personalmangel. Wir fliegen auch schon Strecken der Lufthansa. Wer soll denn die Arbeit übernehmen, wenn es noch eine Airline weniger gibt? 

Ich habe schon überlegt, zu anderen Airlines zu wechseln. Aber die AUA ist dafür bekannt, einen sehr netten Umgang auch untereinander zu pflegen. Es ist sehr familiär. Das ist mir wichtiger als mehr Geld. Ich werde vermutlich auch für die AUA fliegen, wenn wir die Verhandlungen nicht gewinnen. Es ist schade zu wissen, dass das Management sowas ausnützt. Ich würde aber wahrscheinlich auch nochmals streiken. 

 

*Name von der Redaktion geändert

Lesetipp:

“Wir sind eine Familie”: Wenn Unternehmenskultur übergriffig wird

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    Kommentare 1 Kommentar
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  • frizzdog
    26.04.2024
    von wegen FAMILIE im job -> ein zitat von Karl KRAUS: "das familienleben ist ein eingriff ins privatleben" :-)
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