NEOS-Ausstieg aus Koalitionsgesprächen: Wie es in Österreich weitergehen kann
Beate Meinl-Reisinger hat bei einer Pressekonferenz am 3. Jänner 2025 erklärt, dass die NEOS nicht für eine Koalition mit ÖVP und SPÖ zur Verfügung stünden. Warum genau sie die Gespräche abgebrochen haben, wurde dabei nicht ganz klar. Es fehle an “Dynamik”, “Visionen” und “Ambitionen”. Bei Budget, Pension oder Föderalismus gab es laut ihr nicht genügend Kompromisse.
Damit ist eine mögliche schwarz-rot-pinke Regierung wieder vom Tisch. Wie es weitergeht, ist noch völlig unklar. Laut Berichten ist die Absage für die Verhandler:innen der anderen Parteien eher überraschend gekommen. Noch am Freitag werden die Parteichefs von ÖVP und SPÖ mit Bundespräsident Alexander Van der Bellen über das weitere Vorgehen sprechen. Aber welche Koalition kann es in Österreich jetzt noch geben?
ÖVP+SPÖ: Die „große Koalition“
ÖVP und SPÖ haben zwar nach Prozenten keine Mehrheit. Sie haben jedoch gemeinsam 92 Mandate im Nationalrat – und das reicht für eine Mandatsmehrheit. Doch diese Mehrheit ist mit Problemen verbunden.
Einerseits ist sie hauchdünn und damit alles andere als stabil. Denn es sind genau 92 Mandate für eine Mehrheit notwendig. Fehlt etwa ein:e Parlamentarier:in, wird es schon schwierig. Für eine stabile Regierung bräuchte es eine Mehrheit von mehreren Mandaten. Das könnte man damit umgehen, indem man sich für einzelne Vorhaben bei den anderen Parteien Zustimmung einholt – eine Variante, der NEOS-Chefin Beate Meinl-Reisinger auch in ihrer Pressekonferenz bereits Zustimmung erteilt hat.
Sie ist aber auch deswegen nicht sehr stabil, weil sie bei den Verantwortlichen nicht sehr beliebt ist. Das kann man auch daran erkennen, dass die ÖVP noch während der Pressekonferenz der NEOS Teilen der SPÖ Schuld am Scheitern der Verhandlungen gab. Hans Peter Doskozil, SPÖ-Landeshauptmann im Burgenland, nennt die Koalitionsvariante sogar einen “Schildbürgerstreich”.
FPÖ+ÖVP: Muss Nehammer gehen?
Inhaltlich sind sich FPÖ und ÖVP durchaus nahe. Das sieht man auch an den Koalitionen in mehreren Bundesländern, zuletzt sind die Steiermark und Vorarlberg dazugekommen. Doch Koalitionsgespräche sind bisher daran gescheitert, dass keine andere Partei mit FPÖ-Parteichef Herbert Kickl regieren wollte. Mit ihm werde man keine gemeinsame Regierung eingehen, hat ÖVP-Chef Nehammer bereits vor der Wahl mehrfach betont.
Die Ablehnung hat auch nach der Wahl gehalten. Für Nehammer wird es jetzt aber immer enger. Seine Partei könnte ihn opfern, um sich Verluste bei Neuwahlen zu ersparen und doch eine Koalition mit Kickl einzugehen. Denn die Koalitions-Absage an die FPÖ wird vor allem mit seiner Position und der von Generalsekretär Christian Stocker verbunden. Die FPÖ hat Nehammer bereits zum Rücktritt aufgefordert. So könnte man den Weg für eine Koalition doch noch freimachen.
FPÖ+SPÖ: Fällt die “Vranitzky-Doktrin”?
Auch FPÖ und SPÖ hätten gemeinsam eine stabile Mehrheit. Doch seit 1986 gibt es in der Partei die sogenannte “Vranitzky-Doktrin”. Der damalige Parteichef und Bundeskanzler hat sich grundsätzlich gegen eine Koalition mit einer strukturell rechtsextremen Partei ausgesprochen. Bis heute gilt die – zumindest auf Bundesebene.
Auf Bundesländerebene gibt es allerdings auch Kräfte in der SPÖ, die einer Koalition mit der FPÖ offen gegenüberstehen. Allen voran Burgenlands Landeshauptmann Hans Peter Doskozil, der eine Koalition mit der FPÖ nicht grundsätzlich ausschließen möchte. Dass er sich damit aktuell in der Partei durchsetzen kann, ist aber eher unwahrscheinlich.
ÖVP+SPÖ+Grüne: Die andere Ampel
Eine weitere rechnerische Möglichkeit wäre eine Dreierkoalition mit Beteiligung der Grünen. Damit hätte man wie mit den NEOS eine stabile Mandatsmehrheit.
Nach dem Ende der letzten Regierung sind ÖVP und Grüne jedoch alles andere als gut aufeinander zu sprechen. Insbesondere mit Leonore Gewessler möchte die ÖVP nicht mehr regieren – für die Grünen gilt sie aber als eine der wichtigsten Personen in der Partei, die möglicherweise die Partei in Zukunft leiten wird. Sie wird man kaum opfern.
Daneben spricht auch ein Zeitproblem gegen die Koalition: Verhandlungen zwischen den Parteien würden sehr lange dauern und ob man dann überhaupt zu einem Ergebnis kommen könnte, ist mehr als fraglich.
Neuwahlen: Es gibt nur einen Gewinner
Werden sich ÖVP und SPÖ nicht einig und kommt es zu keinen personellen Veränderungen, bleibt nur mehr eine Variante: Neuwahlen.
Das werden beide Parteien, speziell aber die ÖVP, verhindern wollen. Denn in aktuellen Umfragen liegt die FPÖ mit über 35 Prozent weit voran und ist damit wesentlich stärker als bei der Wahl im September. Damals lagen nur wenige Prozentpunkte zwischen FPÖ und ÖVP. Die liegt nämlich in Umfragen nur mehr bei knapp über 20 Prozent, die SPÖ leicht darunter. Die Grünen bleiben stabil, die NEOS könnten leicht zulegen – ob sie so bald wieder die Chance auf eine Koalitionsbeteiligung bekommen, ist allerdings fraglich.