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Klimakrise

Liberalisierungspläne der EU: Wird die ÖBB zur Deutschen Bahn?

Foto: Dominik/Pexels
Wird die ÖBB zur Deutschen Bahn? Das oder Schlimmeres befürchten die Arbeiterkammer (AK) und die Eisenbahner-Gewerkschaft vida. Denn die EU will die Bahnen liberalisieren. Die Kampagne „Unsere Bahnen – Zukunft auf Schiene“ soll aufzeigen, welche Konsequenzen das haben könnte: weniger Verbindungen, teurere Tickets, weniger Passagier:innen.

Österreich ist Spitzenreiter beim Bahnfahren in der EU. Mit 1.625 Kilometern pro Kopf und Jahr fahren Österreicher:innen mehr mit Bahn, Bim und U-Bahn als alle anderen EU-Länder. Europaweit hat die Schweiz mit 1.720 Kilometern die Nase vorne. Dahinter folgen Frankreich (1.280 km), Tschechien (985 km), Schweden (920 km) und Deutschland (825 Kilometer). Schlusslicht ist Litauen (100 km), wobei es in Malta und Zypern gar keinen Schienenverkehr gibt.

Die Österreicher:innen sind EU-weit mit ihren Bahnen am zufriedensten. In der Umfrage liegt Österreich in nahezu allen Bereichen im Spitzenfeld: Pünktlichkeit, Service, Verbindungen usw.

Keine Direktvergaben mehr: EU will die Bahnen in Europa liberalisieren

Das könnte sich ändern, fürchten AK und vida. Denn die EU-Kommission hat vorgeschlagen, die Durchführungsbestimmungen der PSO-Richtlinie (Public Service Obligation) zu ändern. Die regelt Organisation, Vergabe und Finanzierung vom Schienenverkehr. Das passiere in der EU meist durch Direktvergaben. Aufträge werden also von Bund, Ländern oder Gemeinden direkt an die Bahnbetreiber vergeben. Mit einer neuen Leitlinie will die EU das nur noch in Ausnahmefällen ermöglichen. Stattdessen sollen Aufträge durch Ausschreibungen vergeben werden.

Das bedeutet, mehrere Unternehmen können sich um die Aufträge bewerben. Der Wettbewerb setzt die Unternehmen unter Druck und zwingt sie zum Sparen. Was in der Theorie positive Effekte auf die Preise haben kann, wird immer mehr zum Problem. Das zeigen Erfahrungen aus anderen Ländern: Personalmangel und schlechte Infrastruktur, Verspätungen, Ausfälle und der Abbau von Verbindungen sind die Konsequenz. 

Guter und niederschwelliger öffentlicher Verkehr ist nämlich kein allzu vielversprechendes Geschäftsmodell. Die meisten Strecken sind nicht kostendeckend, sondern über öffentliche Gelder finanziert. 

„Erfolgreiche und sichere Bahnen am Altar der Liberalisierungsreligion zu opfern, würde den öffentlichen Personenverkehr gefährden und hätte gravierende negative Auswirkungen auf die Beschäftigten und Arbeitsbedingungen bei den Bahnen“, sagt Olivia Janisch, stellvertretende Vorsitzende bei vida.

privatisierte Bahnen: Verspätungen, Ausfälle oder gar keine Öffis mehr

Die Sorge von AK und vida ist berechtigt, zeigen andere Länder. Die britische Staatsbahn British Rail und der Schienennetzbetreiber Railtrack wurden in den vergangenen Jahrzehnten privatisiert. Die Bahnen und die Infrastruktur wurden daraufhin vernachlässigt – die Preise stiegen, die Qualität sank, weniger Passagiere nutzten die Bahnen. Das ging so weit, dass sogar die rechtskonservative britische Regierung die Bahnprivatisierung wieder zurücknehmen will. 

Die Deutsche Bahn wurde über Jahre auf den Börsengang vorbereitet. Sie wurde zu einer Aktiengesellschaft mit über 500 Tochterunternehmen umgestaltet. Die Finanzkrise 2008 verhinderte zwar den Börsengang und der deutsche Staat besitzt nach wie vor alle Anteile. Die Umstrukturierung passierte aber trotzdem. Das führt zu Bürokratie, es kostet Zeit und Geld. 

Wie schlecht es um das deutsche Bahnnetz wirklich steht

Wer in Deutschland gelegentlich mit Zügen fährt, kennt die entstandenen Probleme mit ziemlicher Sicherheit. Verspätungen und Ausfälle sind häufig. Manche Landstriche sind völlig vom Zugverkehr abgeschnitten. Wie schlecht es um das deutsche Bahnnetz wirklich steht, hat der Netzzustandsbericht dieses Jahres gezeigt. Demnach seien 89 Milliarden Euro nötig, um überfällige Sanierungen nachzuholen. Also nicht, um das Bahnnetz auszubauen, mehr Züge anzuschaffen und das Angebot zu verbessern – sondern, um das bestehende zu erhalten. 
Weichen seien in einem schlechten Zustand, Gleise, Brücken und Stellwerke. Letztere seien eine der Hauptursachen für Verspätungen. Gerade jene Kilometer, auf denen besonders viele Personen und Güterzüge fahren, seien in einem schlechten Zustand. Insgesamt sei das gesamte deutsche Schienennetz in einem “deutlich schlechteren Zustand” als die Bahnanlagen in Österreich oder der Schweiz. 

Öffis sind wichtig für Gesellschaft und Klima

Dabei sind gut ausgebaute und leistbare öffentliche Verkehrsmittel ein wichtiges Element in einer gerechten Gesellschaft. Ärmere Menschen können sich häufig keine Autos leisten und sind auf leistbare Öffis angewiesen. Ohne sie droht ihnen die Mobilitätsarmut

Außerdem sind attraktive Öffi-Angebote wichtig im Kampf gegen die Klimakrise. Gerade in Österreich ist der Verkehrssektor insgesamt ein Sorgenkind. Die Emissionen sind heute höher als 1990. So hoch, dass sie die Erfolge aus anderen Sektoren zunichtemachen. Dabei müssen sie in allen Bereichen sinken, wenn wir die Klimaziele einhalten wollen. Dazu hat sich Österreich mit dem Pariser Klimaabkommen auch verpflichtet. 

Zug statt Auto

Um die Pariser Klimaziele zu erreichen, müssen noch mehr Menschen auf öffentliche Verkehrsmittel umsteigen. In Umfragen gaben die Menschen an, dass sie durch ein besseres Bahnangebot wie häufigere Verbindungen, kürzere Reisezeiten, mehr Verbindungen zu Randzeiten und bessere Erreichbarkeit von Bahnhöfen umsteigen würden. Also jene Schritte, mit denen sich kaum oder keine Gewinne erzielen lassen. Mit einer Liberalisierung wird das demnach wohl kaum geschafft. 

Geht die Liberalisierung der Bahn überhaupt mit rechten Dingen zu?

Darüber hinaus bewerten die Rechtsexperten Konrad Lachmayer und Jean-Philippe Derosier die Leitlinie sogar als nichtig. Sie stehe im Widerspruch zu der Verordnung, die nach wie vor die Direktvergabe vorsieht. Deswegen seien weder Bund noch Länder an die Leitlinie gebunden. Im Gegenteil. 
“Das den Entscheidern unmissverständlich klarzumachen, wird die Aufgabe jener sein, die an nachhaltiger und qualitativ hochwertiger Mobilität und der dafür notwendigen guten Arbeitsbedingungen ein Interesse haben”, heißt es auf der Webseite der Kampagne “Unsere Bahnen”.
 

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