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Arbeitswelt
Ungleichheit

Mental Load: Die erdrückende Last, für alles verantwortlich zu sein

Eine Frau und ein Mann sind zu sehen. Sie sitzen auf einem Bett. Der Mann hält ein Kind im Arm. Bebildert wird damit ein Artikel zu Mental Load.
"Ich mach es eh, wenn du es mir sagst!" Wieso der Mental Load so extrem belastend ist. Foto: William Fortunato/Pexels
Nicht nur die Hausarbeit bleibt bei Frauen hängen, auch die Organisation für das gemeinsame Leben müssen sie stemmen. Dieser Mental Load kann extrem belasten. Was sich ändern muss.

Frauen mit Kindern machen deutlich mehr Hausarbeit als ihre Partner. Das ist nicht neu. Auch eine Umfrage eines Unternehmens für Küchengeräte kommt zu dem Schluss, dass der Haushalt an Müttern hängenbleibt. Ihre Lösung: Küchengeräte kaufen und dem Partner erklären, „bei welchen Tätigkeiten Sie gerne Unterstützung hätten.“

Wer diesen Tipp befolgt, bleibt Managerin der Familie und des Haushalts, der Partner arbeitet im besten Fall zu. Doch gerade diese Rollenverteilung kann extrem belastend sein. Die Frau denkt alles mit, organisiert, erinnert und trägt die Verantwortung dafür, dass alles funktioniert. Dieses Phänomen hat einen eigenen Namen: Mental Load.

Mental Load: Verantwortlich für alles

Sonja* kennt die erdrückende Last des Mental Loads nur zu gut. Sie arbeitet Vollzeit, ihr Partner auch. Gemeinsam haben sie zwei Kinder. Die Organisation des gemeinsamen Lebens bleibt an ihr hängen, und das schon immer. Das belastet nicht nur Sonja, sondern auch ihre Beziehung. „Ich habe nicht nur die Hauptlast der Arbeit und des Mental Loads getragen, ich war auch noch schuld, wenn es schlechte Stimmung gab.“

Sie solle ihm eben sagen, was zu tun ist und dann würde er das auch machen, meinte ihr Partner und tappte damit in die Mental-Load-Falle. „Damit leben wir den Kindern vor, ich bin die Familienmanagerin, die alles im Griff hat. Er ist das dritte Kind, dem ich auch sagen muss, was es zu tun hat.“

„Seine Bequemlichkeit ist wichtiger als ich“

Wenn eine Frau sich der Rolle annimmt und ihrem Partner Schritt für Schritt erklärt, was er zu tun hat und ihn regelmäßig daran erinnert, dann wird sie zur „nörgelnden Ehefrau“. Kaum eine Frau will diesem Bild entsprechen. Trotzdem erwischt sie sich dabei, wie sie zum dritten Mal fragt, ob er seine Aufgaben im Haushalt schon erledigt hat oder jeden Monat anspricht, dass die Aufteilung nicht passt.

An einem entspannten Sonntag zum Beispiel, wenn Sonja ihren Partner noch erinnert, seine Schmutzwäsche in den Korb zu legen. Für ihn eine Kleinigkeit. „Wenn er das nicht alleine macht, kommt bei mir die Botschaft an: Seine Bequemlichkeit ist wichtiger als ich“, sagt Sonja.

Tausende To-dos im Hinterkopf

Diese Situation ist typisch, weiß Barbara Schrammel. Sie ist Psychotherapeutin, berät Paare bei der Aufgabenteilung und hält Vorträge zum Mental Load. „Die Tätigkeit zu übernehmen, ist das eine. Aber alles rundherum mitzudenken und die Verantwortung dafür zu tragen, ist nochmal eigene Arbeit.“

So sitzt die Frau vielleicht neben ihrem Partner am Sofa, in Gedanken ist sie bei der Organisation des Alltags: Welche Vorräte werden knapp? Gibt es genug Waschmittel, Zahnpasta? Was kochen wir am Wochenende? Wann war das Kind das letzte Mal bei der Ärztin? Muss eine Impfung aufgefrischt werden? Steht eine Klassenreise an? Haben wir die Stromrechnung rechtzeitig bezahlt?

Mental Load im Test: „Beim Ergebnis bin ich fast vom Stuhl gefallen“

Vor ein paar Wochen wollte Sonja endlich klären, wie ungerecht die Verteilung der Aufgaben und der Organisation in ihrer Partnerschaft wirklich ist. Gemeinsam mit ihrem Freund füllte sie eine Liste aus, die nicht nur die Hausarbeit, sondern auch die mentale Arbeit berücksichtigt. Er ging davon aus, dass er 40 Prozent machte und sie 60 Prozent. Sonja dachte eher, dass sie 70 Prozent übernahm.

„Beim Ergebnis bin ich fast vom Stuhl gefallen – er aber auch.“ Da stand es schwarz auf weiß: Sonja übernahm 83 Prozent der gesamten Arbeit, ihr Partner nur 17 Prozent.

Mehr Gehalt und mehr Hausarbeit: Wie Frauen überkompensieren

Die Organisation der Familie stemmt Sonja zusätzlich zu ihrem Vollzeitjob als Führungskraft. Das ist nicht einmal ungewöhnlich. Eine Studie zeigt, dass Mütter mehr Hausarbeit übernehmen, wenn sie ein höheres Gehalt haben als die Väter. Wieso? „Man will zeigen, dass man trotzdem eine gute Mutter ist“, sagt Sonja.

In den meisten Familien ist das anders. Mütter gehen in Karenz, die Väter nicht oder nur kurz. Wenn sie wieder arbeitet, dann meistens in Teilzeit. „Natürlich weiß sie dann mehr über das Kind und den Haushalt, sie ist ja mehr zu Hause“, sagt Schrammel. Damit festigen sich in vielen Familien die Geschlechterrollen. Sie als die Familienmanagerin, die alles im Blick hat, weil sie darin besser ist und mehr darüber weiß. Er als ausführender Gehilfe, dem sie alles auftragen muss.

Von der Karenz in die Teilzeit in die Mental Load Falle

Gerecht ist die Aufteilung aber nicht, sagt Schrammel. „Wenn die Mutter Teilzeit arbeitet und sich zusätzlich um alles kümmert, ist das mehr als ein Vollzeitjob.“

Eine Zeitverwendungsstudie aus 2020 zeigt, wie viel mehr Mütter in der Pandemie gearbeitet haben als Väter. Insgesamt waren es täglich 14,25 Stunden bei Müttern, 13,75 bei Vätern.

Der größte Teil der täglichen Arbeit von Müttern ist unbezahlt. Dafür bekommen sie keinen Lohn, keinen Urlaub. Krankenstand gibt es nicht. In letzter Konsequenz kann diese Arbeitsaufteilung in die Altersarmut führen. Ähnliche Rollenverteilungen entstehen auch bei gleichgeschlechtlichen Paaren, sobald das erste Kind da ist, sagt Psychotherapeutin Schrammel. Die Person, die zuerst in Karenz geht, wird Familienmanager:in.

Rollenverteilung ansprechen: „Ein Zeichen von Liebe“

Im Kleinen können Beratungsstellen und viel Kommunikation weiterhelfen. Im Großen geht es aber um gesellschaftliche Probleme, die politische Lösungen brauchen. Fehlende Kinderbetreuung ist dabei genauso Thema wie der Gender Pay Gap.

Sonja und ihr Partner haben die Familienaufgaben neu aufgeteilt. In den Sommerferien funktioniert das schon gut. Die wahre Probe kommt, wenn die Schule für die Kinder wieder losgeht. Für sie hat es sich jetzt schon ausgezahlt, die Verteilung immer wieder anzusprechen. „Ich musste das. Wenn ich akzeptiert hätte, dass er einfach weniger macht, hätte ich mich zurückgezogen und wahrscheinlich irgendwann getrennt. Jedes Mal, wenn ich angesprochen habe, dass wir etwas ändern müssen, war das auch ein Ausdruck meiner Liebe.“

Hier findest du ein Beispiel für eine Liste zu Aufgaben im Familienalltag.

Tipps und Infos zum Thema Mental Load und Rollenverteilung findest du bei Patricia Cammarata und ihrem Buch „Raus aus der Mental Load Falle“.

 

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*Name geändert

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