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Klimakrise

Raus aus Plastik – aber wie?

Raus aus Plastik – aber wie?

Die Welt ertrinkt in Plastik. Auch in Österreich wird viel davon verbraucht und wenig davon wiederverwertet. Beim "Plastikgipfel" wurde jetzt diskutiert, wie zumindest der Flut an Plastikflaschen Herr zu werden ist.

Die Welt ertrinkt in Plastik. Auch in Österreich wird viel davon verbraucht und wenig davon wiederverwertet. Beim „Plastikgipfel“ wurde jetzt diskutiert, wie zumindest der Flut an Plastikflaschen Herr zu werden ist. Detaillierte Lösungen liegen am Tisch: Ein Einwegpfand könnte die Sammelquote erhöhen, Mehrwegflaschen dabei helfen Abfall zu vermeiden. Geeinigt wurde sich darauf, sich später zu einigen. Die KonsumentInnen sind dem weit voraus: Vier von fünf ÖsterreicherInnen wollen Pfand auf Einwegflaschen und mehr Mehrweg wagen. 

Wir müssen raus aus Plastik – oder zumindest rein ins Recycling! Diesen Satz würden inzwischen wohl die meisten Menschen unterschreiben, die schon einmal Bilder von mit Plastikmüll übersäten Traumstränden gesehen haben oder auch nur einen Blick an den Rand einer heimischen Autobahn geworfen haben. Tonnenweise landet auch in Österreich Plastikmüll in der Landschaft. Über die Donau werden jährlich 40 Tonnen Plastik Richtung Meer geschwemmt.

„Jedes Gramm, das in der Umwelt landet, ist zuviel”, sagt Johannes Mayerhofer vom Institut für Abfallwirtschaft der Wiener Universität für Bodenkultur (BOKU) zu MOMENT. Beinahe unverrottbares Plastik ist aber nicht nur in der Natur ein Problem. Viel zu viel Plastik landet einfach im Hausmüll.

Plastik, das in der Verbrennung landet, ist vergeudet.
Johannes Mayerhfer, BOKU Wien

Manche Zahlen dazu klingen auf den ersten Blick ganz gut: 99,4 Prozent des weggeworfenen Plastiks in Österreich werde „verwertet“, schreibt das Umweltbundesamt. Aber was heißt das schon? „Drei Viertel des Plastikmülls gehen in die Thermik“, sagt Mayerhofer. Thermik heißt: Müll wird verbrannt und damit zum Beispiel Wärme und Strom erzeugt.

Das ist besser, als Plastik in die Natur zu werfen oder auf die Deponie zu kippen. Aber noch immer schlechter, als es zu recyceln, wieder zu verwenden oder überhaupt zu vermeiden. Wird das Plastik verbrannt, entstehen wiederum Treibhausgase und entweichen Giftstoffe. Und: „Plastik, das dort drin landet, ist vergeudet“, sagt Mayerhofer. Folge: Es muss neues produziert werden.

Da der weltweite Hunger nach Plastik groß ist und weiter wächst, stellen wir immer mehr davon her. Mit Folgen, auch fürs Klima: Im Jahr 2015 erzeugten Produktion, Verarbeitung und Entsorgung von Plastik 1,8 Milliarden Tonnen CO2. Das sind 40 Prozent dessen, was alle EU-Länder in demselben Jahr insgesamt an Treibhausgasen ausgestoßen haben.

Für ExpertInnen ist klar: Wir dürfen Plastik nicht länger einfach wegwerfen und verbrennen. „Mit jeder Weiterverwendung reduziere ich die Umweltauswirkungen für die Produktion neuer Verpackungen“, sagt Christian Pladerer vom Österreichischen Ökologie-Institut zu MOMENT.

Unsere Gier nach Plastik steigt immer weiter an

Unser Planet ertrinkt förmlich in Plastik. Die Zahlen machen schwindelig: Seit den 1950er Jahren haben wir mehr als 8,3 Milliarden Tonnen produziert. Das entspricht einer Tonne pro heute lebendem Menschen. Und es wird immer mehr: die Hälfte des weltweiten Plastik wurde in den vergangenen 20 Jahren erzeugt, allein 2019 waren es 359 Millionen Tonnen.

Versuche, die Plastikflut einzudämmen reichen von eher symbolischen Aktionen, wie der des Bürgermeisters von Purkersdorf, der auf dem Wochenmarkt seiner Gemeinde Papiersackerln verteilt, bis zu vollmundigen Ankündigungen auf großer politischer Bühne: Die EU hat beschlossen, Gebrauchsartikel aus Einwegplastik zu verbieten. Bis 2029 sollen EU-weit zumindest 90 Prozent aller Plastikflaschen wieder eingesammelt werden.

Und hier hat Österreich Nachholbedarf. Von den Plastikflaschen landen noch immer zu viele im Hausmüll oder in der Natur. Nur sieben von zehn werden recycelt oder wiederverwendet. Um auch die anderen drei eingesammelt und sinnvoll verwertet zu bekommen, gäbe es Lösungen: Etwa ein Pfand auf Einwegflaschen zu erheben, die dann gesammelt und recycelt werden.

Plastikgipfel streitet um Einwegpfand

Am Montag trafen sich deshalb rund 40 Vertreter so unterschiedlicher Gruppen wie den Umweltschützern von Greenpeace bis hin zur Wirtschaftskammer. Hauptthema des als „Plastikgipfel“ bezeichneten Runden Tischs im Umweltministerium: Braucht es ein Pfandsystem für Plastikflaschen und wie soll das aussehen? Zu der ganzen Idee sagt der Handel schlicht: Nein. „Mit einem Einwegpfand wäre Österreich auf dem Holzweg“, schrieb WKO-Spartenobmann Peter Buchmüller vorab.

Das Argument: Die Kosten dafür seien zu hoch. Besonders kleine Geschäfte würden wohl Probleme bekommen, müssten sie Rücknahmesysteme installieren. „Ineffizient und rückschrittlich“ nannte die Altstoff Recycling Austria (ARA) das Pfandsystem in einem offenen Brief an Bundeskanzler Sebastian Kurz. Ginge es nach den Vertretern des Handels und den Plastikeinsammlern der ARA sollte am besten alles so bleiben wie es ist.

Lisa Panhuber, Konsumexpertin von Greenpeace, überrascht das nicht: „Der Handel ist hier immer auf die Bremse getreten“, sagt sie zu MOMENT. Gegen ein Pfandsystem hätten die BranchenvertreterInnen schon vor Beginn der Koalitionsverhandlungen von ÖVP und Grünen „ganz offen lobbyiert“.

Der Einwegpfand ist die günstigste und umweltfreundlichste Alternative.
Leonore Gewessler, Umweltministerin

Dabei kommt eine Studie, in Auftrag gegeben noch von der damaligen ÖVP-Umweltministerin Elisabeth Köstinger, zum gegenteiligen Schluss: Das Ziel, 90 Prozent der Plastikflaschen wiederzuverwerten sei „realistisch nur mit einem Pfand in ausreichender Höhe erreichbar“, heißt es darin. Die Studie war auch Grundlage der Diskussionen am Montag. Die heutige, grüne Umweltministerin Leonore Gewessler sagte vor dem Gipfel im Ö1-Radio: Der Einwegpfand sei „die günstigste und umweltfreundlichste Alternative“.

Details gibt’s später im Jahr

Was am Ende herauskam sind vor allem Absichtserklärungen. Und zwar solche, die praktisch noch immer alle Optionen offen lassen – auch die, einfach nichts zu tun. Man werde jetzt „konkrete Details eines möglichen Einwegpfandsystems für Österreich entwickeln“, verlautbarte Gewessler nach Ende des Treffens.

Aber: Konkrete Details und Vorschläge für ein Pfandsystem lieferte zum Beispiel bereits die Studie des Umweltministeriums. Dort wurde sogar berechnet, wie hoch der Pfand sein könnte (30 Cent), wie viele Plastikflaschen so jährlich eingesammelt werden könnten (rund 1,6 Milliarden), was ein Flaschenannahmeautomat kosten würde (25.000 Euro) und auch wieviel Zeit es täglich braucht, die Sammelsäcke im Geschäft auszutauschen (15 Minuten).

Für Christian Pladerer vom Ökologie-Institut sei “positiv, dass nicht mehr nur über das ob eines Einwegpfand sondern über das wie diskutiert wird”, sagte er nach dem Treffen. Der Einwegpfand sei ein Schritt. Denn dadurch würde weniger Plastik achtlos weggeworfen und lande mehr davon im Recycling. Doch für ihn gibt es einen Königsweg: „Wenn ich Plastikabfälle reduzieren möchte, muss ich auf Mehrweg setzen“, sagt Pladerer. Denn: „Je länger ich eine Verpackung in Umlauf bringen kann, desto geringer sind die Umweltauswirkungen.“

Vermeiden und Wiederverwenden darf nicht mehr weiter nur Prosa im Gesetz sein.
Lisa Panhuber, Greenpeace

Laut der Studie für das Umweltministerium wird jede Mehrweg-Glasflasche im Schnitt zehn Jahre verwendet und dabei 56 Mal verkauft, ausgetrunken, zurückgegeben, wieder aufgefüllt und erneut verkauft. Für Pladerer ist Mehrweg deshalb die „ökologischste Variante von Getränkeverpackung“.

Das sieht auch Greenpeace-Expertin Panhuber so: “Vermeiden und Wiederverwenden darf nicht mehr weiter nur Prosa im Gesetz sein”, sagte sie am Montagnachmittag. Im Herbst müssten klare Maßnahmen und Ziele gesetzlich verankert werden. Sie fordert ein Pfandsystem und dazu eine verpflichtende Quote an Mehrwegflaschen. Sie machen heute nur rund 18 Prozent aller verkauften Getränkeflaschen aus. 

Vier von fünf sind für Pfand und Mehrweg

Denn auch wenn alle Einwegflaschen eingesammelt werden könnten, zu hundert Prozent wiederverwertet werden sie eben nicht. “Es ist Zeit den Recyclingmythos aufzudecken”, sagt Panhuber. “Das System funktioniert nicht so gut, wie oft dargestellt wird.” Aktuell würden nur 28 Prozent der gesammelten Plastikflaschen wieder zu neuen Flaschen.

Der große Rest werde allenfalls zu Plastik von geringerer Qualität verarbeitet oder gleich verbrannt. “Anstatt kostbare Rohstoffe als Wertstoffe zu betrachten, werden sie zu Wegwerfprodukten verarbeitet”, sagt Panhuber über die immer weiter ansteigende Flut an Plastikverpackungen.

Es ist jetzt genau der richtige Zeitpunkt dafür.
Christian Pladerer, Österreichisches Ökologie-Institut

Zumindest bei einer Gruppe scheint die Sache mit dem Pfand auf Plastikflaschen aber eine klare Angelegenheit zu sein: bei den KonsumentInnen. 83 Prozent der ÖsterreicherInnen sprachen sich in einer YouGov-Umfrage im Auftrag der Umweltschutzorganisation Global 2000 im März dafür aus, ein Pfand auf Einweg-Plastikflaschen einzuführen.

Beinahe ebenso viele, nämlich 78 Prozent, wünschten sich in einer Umfrage für Greenpeace mehr Mehrwegflaschen im Getränkeregal. „Ich glaube das wird passieren“, sagt Christian Pladerer. „Es ist jetzt genau der richtige Zeitpunkt dafür.“

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