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Arbeitswelt
Kapitalismus

Ryanair in der Krise: Bonus für Chef O’Leary, Kündigungen fürs Personal

Während MitarbeiterInnen auf Gehalt verzichten sollen und gekündigt werden, gönnt sich Ryanair-Chef Michael O'Leary einen Bonus. Das erscheint anrüchig, ist aus Sicht des Marktes aber logisch.

 
„Schmerzhafte Einsparungen“ verlangt Ryanair in der Corona-Krise von seinen MitarbeiterInnen. Standorte werden geschlossen, Gehälter gedrückt, Angestellten gekündigt und Verluste geschrieben. Firmenchef Michael O’Leary gönnt sich dafür einen Bonus und bekommt mehr Geld als im vergangenen Jahr. Das erscheint anrüchig, ist aus Sicht des Marktes aber logisch.

In Zeiten der Corona-Krise auf Lohn verzichten: Das verlangt Ryanair-Chef Michael O’Leary derzeit von seinen MitarbeiterInnen. Er droht damit, Standorte wie den von Laudamotion in Wien dichtzumachen, wenn die MitarbeiterInnen nicht weniger Gehalt akzeptierten. Anderswo macht er das auch: In Deutschland drehte die Ryanair-Tochter vor einer Woche den Betrieb ganz ab.

Und nun diese Meldung: Michael O’Leary lässt sich auf der Hauptversammlung der in Irland ansässigen Fluglinie ein Jahresgehalt von 3,5 Mio. Euro absegnen, inklusive eines Bonus von 460.000 Euro. Das ist sogar noch mehr als die 3,38 Millionen Euro, die O’Leary im Jahr davor erhielt.

Jeden Tag 4 Milliarden Euro reicher

Überhaupt hielten sich in der Corona-Krise die besonders Reichen ziemlich schadlos, profitierten vielmehr davon. Ein Bericht des US-Think-Tanks Institute for Policy Studies kam jetzt zu dem Ergebnis: Die Milliardäre in den USA konnten ihr Vermögen seit dem 18. März, dem Tag an dem weite Teile der Welt in den Lockdown gingen, um ein Drittel steigern.

Konkret heißt das: 643 Milliardäre konnten ihr Vermögen von damals 2,95 Billionen US-Dollar auf jetzt 3,8 Billionen Dollar steigern. Das entspricht einem Zuwachs von 4,7 Milliarden Dollar pro Tag, umgerechnet knapp 4 Milliarden Euro.

O’Learys Gehalt wirkt dagegen beinahe bescheiden. Aber wofür erhielt er den Bonus von fast einer halben Million Euro? Immerhin sprach Ryanair Ende Juli noch vom schlimmsten Quartal in 35 Jahren Unternehmensgeschichte. Jetzt sei ein „schmerzhafter Rettungsplan“ notwendig, hieß es.

Angebot von Ryanair: 1.000 Euro Gehalt oder Jobs weg

Schmerzhaft ist der bisher vor allem für die Angestellten. Eine Woche bevor sich O’Leary sein Gehalt absegnen ließ, verwandelte er die in Wien ansässige Laudamotion in eine leere Hülle. Ryanair verkündete am 10. September, dass die Linie ab dem Winter als Lauda Europe mit einer Fluglizenz des Mittelmeer-Kleinstaats Malta fliegen wird.

Experten der Luftfahrtbranche sahen in dem Malta-Konstrukt schon vor einem Jahr ein Schlupfloch für Ryanair, sich aus geltenden Kollektivverträgen herauszumogeln. Das scheint sich zu bewahrheiten: Die MitarbeiterInnen von Laudamotion sollen nun neue Verträge bei Lauda Europe unterschreiben.  

Schon zuvor war Laudamotion als Marke kaum mehr präsent in Österreich: Wer die Website aufruft, landet auf der Seite von Ryanair. Die Fllugnummern tragen das Kürzel FR von Ryanair. Damit wird schleichend vollzogen, womit Ryanair seinen Angestellten im Frühjahr bereits drohte: Den Standort in Wien aufzugeben.

Zähneknirschend akzeptierten die Angestellten im Juni nach monatelangem Tauziehen einen Kollektivvertrag, der FlugbegleiterInnen ein Grundgehalt von 1.440 Euro brutto im Monat 14 Mal pro Jahr garantiert. Angeboten hatte Ryanair zu Beginn sogar nur 1.000 Euro.

Kündigung für Frauen im Mutterschutz

Als weitere Drohkulisse wurden alle MitarbeiterInnen beim AMS zur Kündigung angemeldet. Und auch nachdem der Kollektivvertrag unterschrieben war, wurde das nicht zurückgenommen. Rund 100 MitarbeiterInnen sind inzwischen tatsächlich gekündigt. Etwas mehr als 300 sind noch übrig. Gegen 25 Mitarbeiterinnen im Mutterschutz zog Ryanair vor Gericht, um sie zu zwingen, ihren Kündigungen zuzustimmen.

Ryanair kämpft auch in anderen Ländern mit harten Bandagen: Ebenfalls am 10. September kündigte die Fluglinie an, auch die letzte verbliebene deutsche Laudamotion-Niederlassung in Düsseldorf zuzusperren. Ab Ende Oktober stehen hier alle verbliebenen 200 MitarbeiterInnen ohne Job da.

Bei der deutschen Niederlassung der Tochterlinie Malta Air scheiterten Lohnverhandlungen, weil Ryanair von den 900 Beschäftigten verlangte, auf so viel Lohn zu verzichten, dass er unter das mögliche Arbeitslosengeld gesunken wäre. In der Krise drohte Ryanair damit, im ganzen Unternehmen 3.000 von rund 19.000 Jobs zu streichen.

Man spielt mit der Angst der Beschäftigten.
Daniel Liebhart, Gewerkschaft vida

Das zeigte Wirkung: In Spanien verzichteten die PilotInnen auf 20 Prozent ihres Gehalts und akzeptierten geänderte Dienstpläne und Urlaubsregeln. In Irland gelang es Ryanair, die Gewerkschaften auszuhebeln und vereinbarte mit den PilotInnen einzelne Verträge – zu schlechteren Konditionen versteht sich.

Bei Fluglinien wie Ryanair „spielt man mit der Angst der Beschäftigten“, sagte Daniel Liebhart, Vorsitzender im Fachbereich Luftfahrt der Gewerkschaft vida, im Mai zu MOMENT. Die Corona-Krise werde zum Anlass genommen, die geringen Löhne weiter zu drücken.

Milliarden an Vermögen, aber kein Geld um Krise zu überstehen?

Doch ist die Lage so dramatisch, dass ein Kahlschlag beim Personal und rigoros gekürzte Gehälter notwendig sind? Ryanair sprach im Frühjahr sogar davon, es ginge ums Überleben. Fakt ist: Trotz zeitweise brachliegenden Flugverkehres fuhr Ryanair im zweiten Quartal einen Verlust von „nur“ 185 Millionen Euro ein. Bei Laudamotion war nicht zu fliegen laut O’Leary günstiger als den Betrieb aufrechtzuerhalten.

Den Verlusten gegenüber steht bei Ryanair ein Barvermögen von 3,9 Milliarden Euro sowie 333 Jets im Wert von rund 7 Milliarden Euro. Die britische Regierung gewährte der Fluglinie ein Darlehen von umgerechnet 654 Millionen Euro. Durch eine Kapitalerhöhung an der Börse holte sich Ryanair 400 Millionen Euro frisches Geld von Aktionären.

Im gleichen Quartal des vergangenen Jahres machte Ryanair 243 Millionen Euro Gewinn, im gesamten Geschäftsjahr sogar fast eine Milliarde Euro. Dennoch wurden die Löhne der MitarbeiterInnen damals nicht erhöht.

Lohndumping in der Flugbranche – trotz Riesengewinnen

Im Gegenteil: Mit Händen und Füßen wehrten sich Ryanair und andere Billigflieger trotz Milliardengewinnen gegen Kollektivverträge und bessere Arbeitsbedingungen. „Es ist eine Lohndumping-Spirale nach unten eröffnet“, sagte vida-Gewerkschafter Philipp Gastinger im Oktober 2019 zu MOMENT. Da wusste hierzulande noch kaum jemand etwas über Coronaviren oder COVID-19 und was eine Pandemie für unseren Alltag, die Wirtschaft und den Flugverkehr bedeutet.

Eine Folge war: Hunderttausende Flüge mussten abgesagt werden, Millionen Passagiere blieben auf gekauften Tickets sitzen. Die Fluglinien sollten dieses Geld ihren KundInnen zurückerstatten, so sieht es EU-Recht vor. Aber das läuft nur schleppend, wie MOMENT berichtete.

O’Learys Airlines erstatten Tickets besonders ungern

Ryanair und besonders Laudamotion tun sich hervor als Fluglinien, die es ihren KundInnen hartnäckig verweigern Tickets zurückzuerstatten. Laut FairPlane, einer Agentur für Fluggastrechte, hatte Ryanair bis August ihren KundInnen nur 7 Prozent der Tickets erstattet. Bei Laudamotion waren es sogar nur 2 Prozent, das ist der niedrigste Wert unter allen Fluglinien.

Beim Billigflug-Konkurrent EasyJet waren es da schon 96 Prozent und Austrian Airlines hatte zu diesem Zeitpunkt immerhin mehr als die Hälfte der Ansprüche der KundInnen ausbezahlt. Das zeigt zumindest: Es geht. Man muss aber auch wollen.

Michael O’Leary wird seinen Bonus wohl pünktlich erhalten. Er handelte im vergangenen Jahr ein neues Vergütungspaket aus. Zwar ließ er sich sein Gehalt und seinen höchstmöglichen Bonus auf eine Million Euro halbieren, schlug aber einen anderen Deal heraus, der ihm bis zum Jahr 2024 ein hohes Zusatzeinkommen bescheren könnte.

Wenn der Aktienkurs stimmt: Ryanair-Chef könnte Megabonus kassieren

Denn streicht das Unternehmen in einem der Jahre bis dahin einen Jahresgewinn von zwei Milliarden Euro ein oder steigt der Aktienkurs von Ryanair auf über 21 Euro, kann sich O’Leary 10 Millionen Aktien seiner Firma zum Festpreis von 11,12 Euro sichern. Sein Gewinn wären damit 99 Millionen Euro.

Solcherart Vergütungen könnten dazu führen, dass der Firmenchef weniger darauf schielt, mit angemessenen Gehältern und fairen Arbeitsbedingungen zufriedene MitarbeiterInnen zu haben. Sondern eher darauf zu achten, Gewinn und den Aktienkurs weiter hochzuschrauben.

Als die Corona-Krise ausbrach, sackte die Aktie von Ryanair zeitwillig auf einen Tiefststand von 8 Euro ab. In der vergangenen Woche erreichte der Kurs schon wieder 12,50 Euro. Das ist – trotz noch lange nicht ausgestandener Corona-Krise – 20 Prozent über dem Kurs von vor einem Jahr. Aus Sicht der AktionärInnen hat sich O’Leary seinen Bonus also verdient.

 

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