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Demokratie

Aufpassen: Was Staatssekretär:innen machen

Aufpassen: Was Staatssekretär:innen machen
Claudia Plakolm (ÖVP) ist Staatssekretärin für Jugend im Bundeskanzleramt. Die neue Regierung von schwarz-rot-pink plant gleich sieben Staatssekretär:innen. // Foto: BKA Andy Wenzel
ÖVP, SPÖ und NEOS wollen sieben Staatssekretär:innen in ihren Ministerien unterbringen. Statt ihre Minister:innen zu unterstützen, haben sie oft eine andere Funktion: als Aufpasser:in für den Koalitionspartner. Doch was können und dürfen Staatssekretär:innen eigentlich tun? Erstaunlich wenig.

Relativ dünn ist, was die Bundesverfassung über die Rolle von Staatssekretär:innen für die Regierung Österreichs zu sagen hat: „Den Bundesministern können zur Unterstützung in der Geschäftsführung und zur parlamentarischen Vertretung Staatssekretäre beigegeben werden“, heißt es in Artikel 78 des Bundes-Verfassungsgesetzes. Die Minister:innen können ihre Staatssekretär:innen „auch mit der Besorgung bestimmter Aufgaben betrauen“.

Sinnvoll sei das besonders in großen Ministerien, so der Verfassungsrechtler Bernd Wieser von der Universität Graz. „Bestimmte Aufgaben werden dann innerhalb des Ministeriums von Staatssekretären wahrgenommmen“, sagt er zu MOMENT.at. Aber: „Das setzt voraus, dass die Staatssekretäre von derselben Partei sind und ein Vertrauensverhältnis haben.“

Staatssekretär:in als „Aufpasser“

In der Vergangenheit wurde die Rolle von Staatssekretär:innen gern umgedeutet: Statt ihren Minister:innen zuzuarbeiten, sollten sie „Aufpasser:in“ spielen. In Koalitionsregierungen ist es üblich, in Ministerien einer Partei eine:n Staatssekretär:in der anderen Partei unterzubringen. Besonders in „heiklen“ Ministerien. „Strategisch wichtige Ministerien werden mit Staatssekretären anderer Parteien als quasi Kontrollorgan besetzt“, sagt Experte Wieser dazu. Aber: „Diese Kontrollfunktion wird im Bundes-Verfassungsgesetz mit keinem Wort erwähnt. Sie ist politische Praxis, deswegen aber nicht verfassungswidrig.“ 

Beispiele jüngerer Zeit: Im Klimaschutzministerium der Grünen Leonore Gewessler kam ab 2020 Magnus Brunner von der ÖVP als Staatssekretär unter – bis er im Dezember 2021 zum Finanzminister aufstieg. Dem FPÖ-Innenminister Herbert Kickl stellte die ÖVP 2017 Karoline Edtstadler zur Seite. Wobei „zur Seite gestellt“ wohlwollend formuliert ist. Das Miteinander der Beiden war enden wollend. „Diese Zusammenarbeit war nicht von großem Vertrauen gekennzeichnet“, formuliert es Wieser.

Was Staatssekretär:innen (nicht) dürfen

Dass Parteien sich gegenseitig Staatssekretär:innen als Kontrollorgan in die Ministerien setzen, mag politische Praxis sein. Ob das viel Sinn hat, ist die andere Frage. „Das Problem ist: Staatssekretäre haben kein Kontrollrecht. Der Minister kann deren Wünsche ignorieren“, sagt Wieser. Staatssekretär:innen sind ihren Minister:innen unterstellt „und an seine Weisungen gebunden“, heißt es im Bundes-Verfassungsgesetz.

Haben sie keinen Aufgabenbereich, dürfen sie Beamt:innen gegenüber keine Weisungen erteilen. „Wenn der mutig ist, kann er einfach sagen: ‚Nein, das mache ich nicht, Sie sind nicht zuständig‘“, erklärt Experte Wieser. Erst wenn Staatssekretär:innen bestimmte Aufgaben zugewiesen sind, sind sie „berechtigt, Weisungen zu erteilen“, heißt es im Bundesministeriengesetz. Aber auch dann haben die Minister:innen das letzte Wort.

Minister:in hat immer das letzte Wort

„Wenn ein Minister damit nicht einverstanden ist, was der Staatssekretär macht, kann er das stoppen“, sagt Wieser. Und: „Wenn der Minister seinen Staatssekretär aushungert und von Informationen abschneidet, kann er sich wenig wehren.“ Was ein:e Staatssekretär:in dann überhaupt machen kann? Wieser formuliert es so: „Im schlimmsten Fall setzen sie sich in ihr Büro, versuchen den Tag zu verbringen und sich politisch zu profilieren.“

Klappt das nicht, dann bleibt nicht mehr viel: Staatssekretär:innen dürfen zwar dem Ministerrat beiwohnen, haben dabei aber nur beratende Funktion und keine Stimme. Formal gehören sie der Regierung nicht an. Dafür hat ihr Amt eine lange Tradition: Seit Gründung der 1. Republik 1918 gibt es auch Staatssekretär:innen.

Frauenministerium startete als Staatssekretariat

Dass ein:e Staatssekretär:in einer anderen Partei im Ministerium auch Vorteile haben kann, bestreitet Wieser nicht. Wege sind kürzer, die Abstimmung untereinander könnte leichter gelingen. „Rechtlich ist nichts festgelegt. Aber was konkret handelnde, einzelne Personen daraus machen, ist eine andere Sache. Das kann eine wertvolle Unterstützung sein.“ 

Außerdem kann ein Staatssekretariat auch der Startschuss dafür sein, später ein Ministerium daraus zu machen. Wieser erinnert an 1979, als der damalige Kanzler Bruno Kreisky unter anderem Johanna Dohnal zur Staatssekretärin machte und ihr den Aufgabenbereich Frauenpolitik zuteilte. Ab dem Jahr 1990 gab es das Frauenministerium, mit Dohnal an der Spitze.

Neue Regierung plant sieben Staatssekretariate

Die mögliche neue Regierung aus ÖVP, SPÖ und NEOS plant laut Medienberichten gleich sieben Staatssekretariate ein. Verfassungsrechtler Wieser nennt das „einen Ausreißer“. Dabei soll die ÖVP eine:n Staatsekretär:in im SPÖ-geführten Finanzministerium bekommen. Dafür soll die SPÖ jemanden ins ÖVP-Innenministerium schicken. Wieser bezeichnet das als „gelebtes Misstrauen unter den Parteien“. 

Dazu soll die ÖVP in das Bundeskanzleramt und wahrscheinlich in das Wirtschaftsministerium eine:n Staatssekretär:in entsenden. Die SPÖ will dem voraussichtlichen Vizekanzler Andreas Babler eine:n Staatssekretär:in zur Seite stellen. Auch dem künftigen, als Riesenministerium bezeichnetes, Ministerium für Gesundheit, Soziales und Arbeit soll ein Staatssekretariat angefügt werden. Dem voraussichtlich von NEOS-Chefin Beate Meinl-Reisinger geführten Außenministerin soll Parteikollege Josef Schellhorn als Staatssekretär angehören. Wer welche Themen bearbeiten soll oder möglicherweise keinen eigenen Aufgabenbereich bekommt, darüber wird noch munter spekuliert. 

Was Staatssekretär:innen an Gehalt beziehen

Ob jemand als Staatssekretär:in einen festen Themenbereich hat oder keinen, ist bei einer Sache nicht unerheblich: dem Gehalt. Denn das unterscheidet sich. Staatssekretär:innen mit Aufgabenbereich erhalten laut Kundmachung des Rechnungshofes knapp 18.000 Euro brutto monatlich. Wer keine Aufgaben hat, bezieht rund 16.000 Euro.

Darüber gab es 2023 einen handfesten Wickel. Im Februar des Jahres wurde bekannt, dass die vier Staatssekretär:innen der türkis-grünen Regierung teils monatelang den Höchstbezug erhalten hatten – obwohl ihnen noch keine Aufgaben zugeteilt waren. Rechtlich hätten ihnen somit statt rund 17.000 Euro monatlich lediglich 15.100 Euro zugestanden, befand ein Gutachten. Die falsche Praxis wurde darüber hinaus bereits seit 25 Jahren gelebt. “Das war eine typisch österreichische Schlamperei”, sagt Verfassungsrechtler Wieser dazu. “Die Staatssekretäre hätten auch selbst erkennen müssen, dass das nicht korrekt war”, kritisiert er. 

Insgesamt exakt 14.408,40 Euro wurden den vier Staatssekretär:innen Claudia Plakolm, Florian Tursky und Susanne Kraus-Winkler (alle ÖVP) sowie der Grünen Andrea Mayer daraufhin abgezogen. Das vom Bundeskanzleramt beim Salzburger Verfassungsrechtler Sebastian Schmid dazu in Auftrag gegebene Gutachten war 14 Seiten lang und kostete 9.300 Euro.

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  • frizzdog
    27.02.2025
    schlangengrubentraining für nachwuchstalente
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  • frizzdog
    27.02.2025
    haben solche "typisch österreichische Schlampereien” nicht system? bis ins letzte detail akribisch organisiert?
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