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Ungleichheit
Fortschritt

Stadtplanung: Wie Wien Mädchen zurück in die Parks holte

Mehr als 20 Jahre ist es her, als wissenschaftliche Erhebungen zeigten, wie sich Mädchen ab dem 10. Lebensjahr aus Parks zurückziehen, die Burschen aber blieben. Anstatt das einfach zu akzeptieren, nahm sich die Wiener Stadtbaudirektion vor, das zu ändern. Mit Erfolg. Claudia Prinz-Brandenburg war Teil des Teams, das um die Jahrtausendwende Parks so umgestaltete, dass sie auch für Mädchen attraktiv wurden. Der Bruno-Kreisky-Park, direkt an der U4-Station Margaretengürtel, ist einer davon.

Claudia Prinz-Brandenburg sitzt im Wiener Bruno-Kreisky-Park. Es ist windig, aber dort, wo die Sonne hinscheint, warm. Noch ist der Park leer, es ist auch Donnerstagfrüh, die Kinder sind in der Schule.

Mehr als 20 Jahre ist es her, als wissenschaftliche Erhebungen zeigten, wie sich Mädchen ab dem 12. Lebensjahr aus Parks zurückziehen, die Burschen aber blieben. Anstatt das einfach zu akzeptieren, nahm sich die Wiener Stadtplanung vor, das zu ändern. Mit Erfolg. Prinz-Brandenburg war Teil des Teams, das um die Jahrtausendwende half, Parks so umzugestalten, dass sie auch für Mädchen attraktiv wurden. Der Bruno-Kreisky-Park, direkt an der U4-Station Margaretengürtel, ist einer davon.

Was Mädchen wollen und was in Wien noch zu tun ist, erklärt die Stadtplanerin im Interview mit MOMENT.

 

MOMENT: Warum sind Mädchen ab einem bestimmten Alter nicht mehr in Parks gekommen?

Claudia Prinz-Brandenburg: Es gibt natürlich viele Faktoren, zwei der wichtigsten Punkte sind Sicherheit und Übersichtlichkeit. Der Park muss so gestaltet sein, dass Mädchen einen Rückzugsort haben. Zum Sicherheitsaspekt gehört auch, dass der Hauptweg, der durch den Park führt, gut beleuchtet ist.
 

Im Bruno-Kreisky-Park gibt es keine Ballspielkäfige. Wieso?

Damals schon, jetzt nicht mehr. Dafür aber eine große Wiesenfläche, die fürs Ballspielen genutzt werden kann. Wir wissen, dass diese Käfige oft von dominanten, älteren Burschen besetzt werden. Wenn es Ballspielkäfige gibt, dann sollte es zumindest zwei Zugänge geben. Viele haben nur eine einzige Tür. Mädchen können sich unwohl dabei fühlen, wenn sie an der Gruppe von Burschen vorbei in den Käfig gehen müssen und wenn sie erstmal drinnen sind, könnten sie sich eingesperrt fühlen. Da helfen mehrere Zugänge. Zusätzlich sollte es bei allen Ballspielplätzen, egal ob auf offener Wiese oder im Käfig, Möglichkeiten zum Sitzen geben. So können sich Mädchen das Spiel erst ansehen und in weiterer Folge die Spielfläche auch selbst nutzen. Das sind ein paar der Ergebnisse von Beobachtungen und Befragungen von Mädchen in Parks.

Im Bruno-Kreisky-Park haben wir den Käfig bei der Umgestaltung entfernt.  Am anderen Ende des Parks gibt es Klettergeräte und den Kleinkinderspielplatz – diese Kombination hilft Mädchen, die auf ihre Geschwister aufpassen, die Übersicht zu behalten, während sie selbst die Spielangebote nutzen. Wichtig sind auch Toiletten in den öffentlichen Parkanlagen.

 
Foto zeigt den Kinderspielplatz im Bruno Kreisky Park, im Hintergrund ist derBerufsschulkomplex Mollardgasse zu sehen.

Warum sind Toiletten für Mädchen wichtiger?

Ohne Toilette ist die Aufenthaltsdauer von Mädchen limitiert. Die Burschen suchen sich Alternativen, die Mädchen verlassen vorzeitig den Park. Auch wenn sie beispielsweise die Regel haben oder eine Blasenentzündung, die tendenziell auch häufiger bei Mädchen und Frauen vorkommt.
 

Man hätte damals auch sagen können, naja, vielleicht mögen Mädchen Parks einfach nicht. Ist eben so. Wieso war es Ihnen wichtig, die Mädchen zurück in die Parks zu bringen?

Es ist eine Tatsache, dass Mädchen gesundheitliche Nachteile haben, wenn sie sich weniger bewegen. Sie entwickeln schon in jungen Jahren etwa Osteoporose. Ein Teil ist also der gesundheitliche Aspekt. Uns ist es aber auch darum gegangen, dass Mädchen sich den öffentlichen Raum nehmen. Klar kann man sagen, sie sollen einfach in den Park gehen. Aber warum sollten sie das tun, wenn es kein attraktives Angebot für sie gibt?
 

Und nach der Umgestaltung ist die Zahl der Mädchen tatsächlich gestiegen?

Ja, die Pilotprojekte wurden in den folgenden Jahren evaluiert. Die Zahlen sind besser geworden. Wir müssen aufpassen, dass wir die Bedürfnisse von Mädchen und Frauen nicht aus dem Blick verlieren. Wir sind längst nicht fertig.
 

Aus den Ergebnissen der Pilotprojekte wurden Empfehlungen herausgearbeitet. Werden die bei neuen Projekten berücksichtigt?

Planungsempfehlungen für gendergerechte Parkgestaltung sind mittlerweile Teil der Vorgaben der Wiener Stadtgärten. Damit ist die Berücksichtigung von Mädcheninteressen Routine geworden.
 

Manche fragen sich an dieser Stelle, gehen mädchenfreundliche Parks auf Kosten von Buben?

Die Befürchtung gab es damals bei der ersten Umgestaltung, passiert ist es nicht. Beim Bruno-Kreisky-Park wurde der Ballspielkäfig entfernt, dafür in der Nähe neue errichtet. Auch jüngere Buben profitieren davon, wenn die Rahmenbedingungen so gestaltet sind, dass jede Gruppe ihren Platz findet, nicht nur die laute und dominante.
 

Wie sieht es abgesehen von Parks im öffentlichen Raum aus, was ist in Wien die größte Baustelle?

Mobilität. Es sind immer noch Frauen, die häufiger zu Fuß unterwegs sind, mit Kinderwagen oder Einkäufen. Wir haben es geschafft, dass Gehsteige mindestens zwei Meter breit sein müssen. Wir sollten uns weiter in Richtung Fußgängerfreundlichkeit bewegen. Autos müssen weniger Platz beanspruchen.

 

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