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Kapitalismus
Ungleichheit

Sveta-Mietshaus in Wien: Vom Wohnidyll zum teuren Chaos

Mietshaus in der Schleifgasse in Wien-Floridsdorf. Seit es der Sveta gehört, geht es für die Mieter:innen bergab.
Mietshaus in der Schleifgasse in Wien-Floridsdorf. Seit es der Sveta gehört, geht es für die Mieter:innen bergab.
Der Garten gepflegt, das Haus intakt. Dann kaufte Sveta das Mietshaus in der Schleifgasse in Wien-Floridsdorf. Der Garten verwilderte, das Haus verkam. Dafür stiegen die Betriebskosten. Eine Firma des Sveta-Geschäftsführers kassierte hohe Beträge für die Reinigung, die selten stattfand. Leerstehende Wohnungen im Haus werden teuer an Geflüchtete vermietet. Ständig ist die Tür kaputt. Gerichte und Behörden sind voll beschäftigt. Die Bewohner:innen fühlen sich ohnmächtig: “Wir zahlen, zahlen, zahlen.” Sveta sieht kein Problem. Die Hausverwaltung CCI duckt sich weg.

Nadine schaut in den verwilderten Garten hinter ihrem Wohnhaus in der Schleifgasse 4 in Wien-Floridsdorf. Ganz hinten modert eine kleine Hütte vor sich hin. Gras wuchert kreuz und quer. Manche Zweige stehen so hoch wie der davor gezogene, mannshohe grüne Zaun. Beim Lokalaugenschein hängt ein alter Teppich an einem Gestell. Kaputte Kleiderkästen sind im Hof verteilt. Wer in den Garten will, kommt aber sowieso nicht hinein. Das Zauntor ist abgesperrt, seit Jahren schon.

Nadine zieht ihr Smartphone aus der Tasche und scrollt durch die Bilder. „Schauen Sie, wie unser Garten vorher war“, sagt sie und zeigt Fotos her. Zu sehen sind eine intakte Hütte, gepflegte Blumenbeete, ein akkurat gemähter Rasen mit darauf verteilten kleinen Windrädern. Es hat was von kitschiger Kleingartenromantik. „Es gab Blumen, da haben Hasen gelebt, es war alles so sauber“, sagt sie und klingt wehmütig. Sie fügt an: „Wir haben uns sicher gefühlt.“

Sveta kaufte das Haus, bald lief Wasser durchs Dach

Das ist vorbei. Mit dem abgesperrten Garten gingen die Ordnung und die Ruhe. Aber nicht nur die: Nadine, die hier jetzt im vermüllten Hinterhof ihres Mietshauses steht, fühlt sich in ihrem Zuhause nicht mehr daheim. „Wir sind wirklich am Ende. Psychisch und gesundheitlich“, sagt sie zu MOMENT.at. Sie will nicht mit ihren richtigen Namen genannt werden. Wir haben ihn verändert.

Im April 2019 ging es los. Der Immobilien-Entwickler Sveta Group kaufte das Haus. Genauer: das Unternehmen Sveta Immo12 GmbH. Es ist eine von Dutzenden Firmen eines weitverzweigten Firmenkonglomerats. Kontrolliert wird es von Gründer Boris Yosopov und seinen Söhnen Avial und David. 1,16 Millionen Euro legte Sveta Immo12 damals auf den Tisch, beziehungsweise ließ es sich von einer Bank vorstrecken. Die Raiffeisenbank Attersee-Süd steht jetzt mit Pfandrecht im Grundbuch.

Sveta Immo12 wollte hoch hinaus in der Schleifgasse. Das Dachgeschoss sollte ausgebaut werden. Im Haus ging es aber erstmal bergab. Zuerst kam das Wasser in die Wohnungen der Mieter:innen. „Das Dach war kaputt. Wasser lief durch die Toiletten und die Lampen herunter“, berichtet Nadine. Sie meldete den Schaden der Hausverwaltung CCI Immobilientreuhand GmbH.

Der Mitarbeiter dort versprach, jemanden vorbeizuschicken. Das dauerte aber doch länger. Erst als Nadine mit Klage gedroht habe, wurde das Dach abgedichtet und die Schäden repariert. Das Geld dafür hätten Sveta und CCI dann über die Haushaltsversicherung der Bewohner:innen einfordern wollen. „Das geht doch nicht“, sagt Nadine.

Dafür klagte Sveta ein:e Mieter:in. Diese soll ihre Wohnung illegal untervermietet haben, das sei ein Kündigungsgrund. Zwei Tage vor dem Prozesstermin habe Sveta die Klage dann zurückgezogen. Anfang dieses Jahres brachen Unbekannte in ihren Keller ein. Sie klauten die Sachen darin und hoben aus unerfindlichen Gründen im Boden ein Loch aus. Ein mal ein Meter groß ist es.

Sveta beauftragt Sveta-Firma das Haus zu reinigen, zum stolzen Preis

Den Bewohner:innen flattern Betriebskostenabrechnungen mit immensen Nachforderungen ins Haus. „Wir zahlen, zahlen, zahlen“, sagt Nadine. 3.000 Euro sollen die drei Mieter:innen allein für 2022 nachzahlen. Zum Beispiel für die Betreuung des Gartens – den sie nicht nutzen können und der augenscheinlich nicht betreut wird. Das schlug zuletzt mit 2.350 Euro im Jahr zu Buche.

 

 

MOMENT.at konnte Einblick nehmen in die Abrechnungen. Darin steht erstaunliches: Kurz nachdem die Sveta Immo12 das Gebäude übernahm, wurde eine Firma namens Scount Handels GmbH damit beauftragt, das Haus zu reinigen. Ab 2021 war es das Unternehmen A.Y. Immobilienverwertungs & -management GmbH. Das Kürzel klingt vertraut. Beide Firmen gehören Avial Yosopov. Er ist auch Geschäftsführer der Sveta Immo12.

Die Hausverwaltung CCI legte die Reinigung des Gebäudes also in die Hände einer Firma, die vom Besitzer des Hauses geführt wird. Und nicht nur das: A.Y. Immo war bis Sommer 2022 auch mit 5,5 Prozent an Sveta Immo12 beteiligt. Seinen Sitz hat die Firma praktischerweise an derselben Adresse wie fast alle Sveta-Firmen: Nobel residiert sie in der Singerstraße im 1. Bezirk in Wien.

Für die Reinigung des zweistöckigen Hauses in der Schleifgasse wurden hohe Beträge verrechnet. Ab Jänner 2020 waren es 583,33 Euro monatlich, die Scount kassierte. Ab Juni desselben Jahres verlangte die Firma dann sogar 833,33 Euro im Monat. Ab März 2021 war es dann A.Y. Immo, die diesen Betrag erhielt. Im Jahr 2022 summierte sich das auf exakt 9.996,96 Euro.

Die Gegenleistung dafür sei überschaubar gewesen, jedoch der Schmutz bald unübersehbar, berichten die Bewohner:innen. Bevor Sveta kam, kümmerte sich ein Hausbesorger um das Gebäude. Der verrechnete im Jahr 2019 ein „HB-Entgelt“ von etwas mehr als 3.200 Euro. Dafür reinigte er aber nicht nur das Stiegenhaus, sondern tauschte Glühbirnen aus, kümmerte sich um kleinere Reparaturen und auch den Garten. „Es war alles wunderschön und sauber“, sagt Nadine.

Für uns ist Sveta inzwischen ein rotes Tuch.
Ex-Geschäftspartner von Sveta.

Inzwischen brennt das Licht im Stiegenhaus nur noch fallweise, gereinigt wird es kaum. Und, achja: Das Honorar für die Hausverwaltung stieg von 615 Euro auf mehr als 1.800 Euro im Jahr. Die kassiert CCI. Warum die Hausverwaltung die beiden zum Sveta-Konglomerat gehörenden Firmen beauftragte, beantwortet CCI nicht. Zahlreiche E-Mail-Anfragen von MOMENT.at bleiben unbeantwortet. Auch telefonisch gibt die Firma keine Auskunft. Ein in Aussicht gestellter Rückruf von Geschäftsführer Gerhard Freund kommt nicht. Auch der fürs Haus zuständige Mitarbeiter reagiert nicht auf Anrufe und E-Mails.

Dafür äußert sich der Mitarbeiter einer anderen Hausverwaltung, die für Sveta tätig war. Die Zusammenarbeit wurde aufgrund vieler Ungereimtheiten beendet, sagt er zu MOMENT.at. Die Verträge für Reinigungsarbeiten seien vom Eigentümer selbst beauftragt worden. In den vergangenen Monaten habe man diese jedoch neu vergeben. Waren die den Mieter:innen vorher verrechneten Beträge zu hoch? „Das möchte ich unkommentiert lassen“, sagt der Mitarbeiter. Er besteht darauf, dass sein Unternehmen nicht namentlich genannt wird. Er möchte mit Sveta nicht mehr in Zusammenhang gebracht werden. „Für uns ist Sveta inzwischen ein rotes Tuch.“

Die Bewohner:innen legten Widerspruch gegen die aus ihrer Sicht völlig überhöhten Betriebskosten ein. Am Bezirksgericht Floridsdorf läuft deshalb ein Verfahren, das noch nicht entschieden ist.

Hohe Kosten für wenig Leistung: bei Sveta offenbar Methode

Das Vorgehen der Sveta hat offenbar Methode. MOMENT.at liegen aus zwei weiteren Häusern Abrechnungen der Betriebskosten vor. In einem dreistöckigen Haus in Wien-Hernals wurde ebenfalls A.Y. Immo für die Hausreinigung beauftragt. Auch hier waren es monatlich exakt 833,33 Euro, die dafür fällig wurden, also im ganzen Jahr auf vier Cent genau 10.000 Euro.

Die vorher hier tätige Firma verrechnete lediglich 113,40 Euro. Die Kosten für die Hausreinigung schossen von einem Monat auf den anderen also um mehr als 630 Prozent nach oben. Mit der hohen Inflation lässt sich das nicht erklären. Etwas günstiger reinigte A.Y. Immo ein vierstöckiges Haus in Wien-Brigittenau: „Nur“ 683,33 Euro wurden den Mieter:innen monatlich im Jahr 2022 in Rechnung gestellt.

David Yosopov sieht kein Problem darin, dass in Sveta-Häusern Firmen für die Reinigung beauftragt worden sind, die zum Sveta-Konglomerat gehören. „Wieso soll das komisch sein, wenn wir gemeinsam arbeiten?“, fragt er zurück. „Wir sind ein Familienunternehmen und wir möchten alles unter uns machen“, sagt der 25-Jährige zu MOMENT.at. Bis Anfang 2022 war er Geschäftsführer von Sveta Immo12, der das Haus in der Schleifgasse gehört. Unter seiner Leitung kaufte die Firma das Gebäude und setzte das Konstrukt mit der ziemlich teuren Hausreinigung in Kraft. Dann übergab er es an seinen Bruder Avial.

David Yosopov empfängt in seinem neuen Büro in der Lagergasse in Wien-Landstraße. In Sichtweite steht der große Betonklotz namens Hotel Intercontinental. Er hat sich von Sveta abgenabelt. Nicht nur seinen Posten bei Sveta Immo12 hat er an seinen Bruder abgegeben, sondern auch bei zahlreichen anderen Sveta-Firmen. Der junge Mann zieht jetzt sein eigenes Immobilien-Imperium auf: David Group.

Den Vorwurf, mit überhöhten Betriebskosten mehr Geld aus den Mieter:innen gepresst zu haben, lässt er nicht gelten. „Geld, was mir nicht gehört, fasse ich nicht an“, beteuert er. Und: „Ich kann in der Nacht nicht gut schlafen, wenn ich von jemandem zu viel genommen habe.“ Die Reinigung der Gebäude sei korrekt abgerechnet worden und die Kosten in der Höhe richtig so. Den Mieter:innen seien sogar Kostenvergleiche mit anderen Firmen gezeigt worden. „Da waren wir immer um 50 bis 60 Euro billiger im Monat“, sagt Yosopov.

Nur: Die Mieter:innen können sich auf Nachfrage von MOMENT.at nicht erinnern, dass ihnen jemals Vergleichsangebote vorgelegt wurden. „Ich höre das zum ersten Mal“, sagt Nadine. Gespräche darüber habe es nie gegeben. Die Mieter:innen seien auch nicht darüber informiert worden, wenn mal wieder eine andere Reinigungsfirma beauftragt wurde.

Seit einigen Monaten reinigt ein neues Unternehmen das Haus in der Schleifgasse. Wie viel dafür fällig wird, wissen die Mieter:innen erst, wenn die Betriebskostenabrechnung für 2023 kommt. Auf Nachfrage von MOMENT.at äußerten sich weder Sveta noch die Hausverwaltung CCI, welche Kosten den Mieter:innen jetzt verrechnet werden. Die neu beauftragte Firma reagierte nicht auf Anfragen.

Matratzenlager in einem dunklem Raum: So leben hier Geflüchtete

Was bei allen drei Häusern gleich ist, für die hohe Reinigungskosten verrechnet wurden: Die Stiegenhäuser sind schmutzig, Mistkübel quellen über, im Hof stehen Gerümpel und kaputte Möbel. Seit Jahren sei das so, berichten die Mieter:innen. In der Schleifgasse steht eines der gangseitigen Fenster offen. In dem sehr dunklen Raum liegen einige Matratzen am Boden, Klamotten sind verteilt. Acht Wohnungen gibt es im Haus. In fünf davon wechseln ständig die Mieter:innen.

Und das mit Methode: Sveta quartiert hier geflüchtete Menschen ein. Die Bewohner:innen haben einen gesicherten Aufenthaltsstatus, aber schlechte Karten auf dem Wohnungsmarkt. Über Community-Gruppen in sozialen Medien und Vermittler:innen geraten sie dann an Wohnungen, einzelne Zimmer oder lediglich ein Bett in Häusern, die saniert werden sollen oder schon offene Baustellen sind. Die Mieten sind hoch, Wohnkomfort gibt es eher nicht.

Für David Yosopov ist das ein normales Geschäft: „Wir arbeiten hauptsächlich mit Flüchtlingen“, sagt er. „Die unterschreiben direkt bei mir den Mietvertrag“, sagt er, geht aus dem Raum und holt einen der Verträge, den er mit einem Bewohner abgeschlossen hat. Miete, Betriebskostenanteil, Steuer, alles sei korrekt aufgelistet. „Die Leute werden nicht gezwungen, irgendwelche Wohnungen zu nehmen“, sagt er. Der Bedarf sei groß. Wenn eine Behausung frei werde, habe er an einem Tag 20 bis 30 Anfragen.

Im gleichen Atemzug klagt er, wie viele Scherereien ihm das alles bereite. „Sie müssen mal sehen, was die Flüchtlinge dort für einen Müll hinterlassen.“ Warum macht Yosopov das also? „Einerseits, weil es menschlich ist“, sagt er. Er habe viele Freund:innen, die selbst geflüchtet sind und er habe gesehen, wie die gehaust haben. „Nicht einmal mein schlimmster Feind soll in so einer Wohnung leben, wo meine Freunde schon gelebt haben“, sagt er.

Aber natürlich ist es auch ein Geschäft. „Jeder Tag, an dem eine Wohnung leer steht, ist für unser Unternehmen ein Schaden. Es ist wichtig, dass die Wohnungen schnell vermietet werden.“ Und das werden sie. Die Mieter:innen in der Schleifgasse bemerken es als ständiges Kommen und Gehen im Haus. „Da kommt dann jemand mit zehn Leuten vorbei und sagt zu mir, er möchte ihnen die Wohnungen zeigen“, berichtet Nadine. Das erledigt dann aber nicht immer jemand von der Sveta. Nadine zeigt das Foto eines älteren Herren. Er sei ein Ansprechpartner für die geflüchteten Mieter:innen, sagt sie.

Der Immobilienmarkt in Wien ist eine kleine Welt: Alle kennen sich

Der Herr auf dem Foto ist MOMENT.at von einer anderen Recherche am Gaudenzdorfer Gürtel 41 bekannt: Dort vermieteten die Immobilienfirma Pecado und dessen Geschäftsführer Stanislav Hnat das Gebäude etagenweise an Michael S. und seine Partnerin Farida S. Die untervermieteten es dann einzeln an Geflüchtete. Seit einem Jahr gibt es keinen Strom, keine Heizung, kein warmes Wasser. Wegen des seltsamen Vermietungskonstrukts laufen inzwischen mehrere Prozesse.

 

 

Das ehemalige Hostel, in dem auch heute noch Menschen einquartiert sind, gehörte vorher der Sveta. Als MOMENT.at Ende August einmal das Büro in der Singerstraße besuchte, hing sogar noch ein gerahmtes Bild vom Gebäude an der Wand – obwohl es bereits Ende 2021 an Pecado verkauft worden ist.

David Yosopov kennt Pecado-Geschäftsführer Hnat. Sie waren Geschäftspartner, heute ist er nicht mehr gut auf ihn zu sprechen, um es einmal vorsichtig zu formulieren. Und natürlich kennt Yosopov auch Michael S. und seine Partnerin. Die Welt des Immobilienmarktes in Wien ist manchmal erstaunlich klein. Mit ihnen habe er zusammengearbeitet, um Wohnungen an Geflüchtete zu vermitteln. Michael S. wiederum kennt die Sveta auch. Und er kennt auch das Haus in der Schleifgasse.

„Da habe ich Wohnungen vermittelt“, sagt er zu MOMENT.at. Und das liefe so: „Wir bringen die Leute zu Sveta und die unterschreiben da direkt.“ Michael S. sieht darin kein Problem. „Ich hab schon Tausende Leute wo untergebracht, ich mache nichts Unübliches“, sagt er. Während des laufenden Telefonats weist er einen Miet-Interessenten den Weg in die Büros einer Hausverwaltung – nicht ohne gleichzeitig in brüskem Ton zu schimpfen. Mit „den Ausländern“ gebe es immer Probleme.

Video-Wohnungsanzeige gelöscht, als Fragen kommen

Seit 50 Jahren arbeite er im Immobiliengeschäft. „Ich kenne hier alle und die kennen mich.“ Seine Partnerin Farida S. spricht Arabisch. Über sie läuft der Kontakt mit den Mieter:innen. Eine perfekte Kombination. Vier Mietverträge werde er heute hier abschließen, sagt Michael S. Was er selbst dafür bekommt, sagt er nicht. Sein Geschäft beschreibt er als gute Tat: „Ich bin nicht der Täter oder Verantwortliche hier, ich helfe den Leuten nur. Die bekommen ja sonst keine Wohnung.“

Ab und an kommen die alteingesessenen Mieter:innen mit den neuen Bewohner:innen in der Schleifgasse ins Gespräch. Sie kommen hauptsächlich aus Syrien. Eine Familie habe gesagt, sie miete die Wohnung von Farida S. Kontaktperson für die fünf Bewohner der nächsten Wohnung sei ein Mitarbeiter der Hausverwaltung CCI.

Bei der anderen laufe es über einen Mitarbeiter der Sveta, der sich schlicht „Österreicher“ nennen würde. Sieben Männer aus Afghanistan würden hier leben. Pro Bett müssten sie 250 Euro an den Sveta-Mitarbeiter zahlen, immer in bar. Darauf angesprochen, sagt David Yosopov, ihm sei das nichts bekannt. Er habe jede Wohnung immer nur an eine:n Mieter:in abgegeben.

In einer Facebook-Gruppe der arabischen Community in Wien teilte vor einigen Wochen ein Mann namens Abu A. ein Video. Darin zeigt er eine Ein-Zimmer-Wohnung im Haus in der Schleifgasse und bietet sie an: 450 Euro im Monat will er dafür haben, dazu eine Kaution und auch eine Provision. MOMENT.at schreibt ihn an und fragt, ob er der Vermieter der Wohnung ist oder ein Vermittler und ob er mit der Sveta oder der Hausverwaltung in Kontakt stehe. Wenige Stunden später ist das Video von der Plattform gelöscht. Abu A. antwortet nicht.

David Yosopov sagt, er kenne weder das Video noch den Mann, der die Wohnung anbietet. Dass die temporären Mieter:innen ihre Wohnungen weiter untervermieten, komme vor. Schlussendlich weiß dann niemand so recht, wer eigentlich in den überbelegten Wohnungen lebt. Mit Folgen, die schon an der Hauseingangstür zu sehen sind. Die ist in bemitleidenswerten Zustand. Immer wieder wird sie aufgebrochen. Viele der einquartierten Geflüchteten hätten keine Schlüssel zum Haus, erklärt Nadine. „Jeder Schlüssel kostet 70 Euro. Die haben sie nicht. Also machen sie immer wieder die Türe kaputt.“

Die Tür zu reparieren braucht 6 Monate und eine Klage

Nadine hat eine gewissenhafte Chronik darüber angelegt. Als die Tür im Juni 2022 mal wieder kaputt ist, meldet sie das der Hausverwaltung CCI. Die antwortet nicht. Die Bewohner:innen gehen zur Mietervereinigung. Dann wird die Magistratsabteilung 50 Gruppe Schlichtungsstelle eingeschaltet. Im Oktober kommt die Wiener Gebietsbetreuung dazu.

Vier Wochen darauf schaut die Magistratsabteilung 25 für Technische Stadterneuerung die Tür an und erstellt ein Gutachten. Inzwischen hat die Mietervereinigung Klage eingereicht wegen der Tür, die nicht schließt. Im Dezember 2022 bitten die Mieter:innen des Sveta-Hauses die Mobile Mieterhilfe vom Wohnservice Wien um Unterstützung. Einige Tage später ist es soweit: Am 19. Dezember wird die Tür tatsächlich repariert. Die Mietervereinigung zieht die Klage zurück. Drei Tage später vermerkt Nadine in ihrer Chronik: „Die Tür ist wieder kaputt.“

Erneut gehen sie und die beiden anderen Mieter:innen zur Mietervereinigung. Das Spiel beginnt von vorne. Im Mai 2023 wird die Tür sogar von der Wand abgerissen. Ein Teil der Tür kann jederzeit herunterfallen und jemanden treffen, der ins Haus kommt. Da schaltet sich dann auch die Magistratsabteilung 37 Baupolizei ein und verlangt von Sveta, die Tür komplett zu tauschen. An der neuen Tür wird ein Schloss montiert, in das die alten Schlüssel nicht passen.

Wieso hat niemand von der Stadt gesagt: Stopp, so geht das nicht.
Mieterin Nadine

Die Haustür lässt sich aber sowieso weiterhin einfach aufdrücken. Die Sprechanlage funktioniert nicht. Eineinhalb Monate später, es ist inzwischen August, wird ein neues Schloss montiert, die Mieter:innen bekommen neue Schlüssel. Zehn Tage darauf ist die Tür kaputt. Letzter Stand von Mitte November laut Mieter:innen: Die Tür ist wieder kaputt. Sie vermuten, dass es gar nicht nur ihre schlüssellosen Nachbar:innen sind, die immer wieder Hand anlegen. Die Hausverwaltung selbst sorge dafür, dass die Haustür in der Schleifgasse regelmäßig kaputt ist.

„Das ist ein weiteres Mittel, um uns hier rauszubringen“, sagt Nadine. Die neuen Bewohner:innen sollen Sveta nicht nur Geld bringen. „Seien wir uns ehrlich: Sie sind da, um uns zu stören.“ Dazu kämen die unglaublich hohen Betriebskosten, die Verfahren, die Kündigung, die dann doch zurückgezogen wurde. „Alles, damit wir hier ausziehen“, vermutet Nadine.

Nadine fragt sich, warum Sveta so lange damit durchkommt. „Wieso hat niemand von der Stadt gesagt: Stopp, so geht das nicht.“ Nun ist es nicht so, dass Behörden und Mieterschützer:innen das Haus in der Schleifgasse nicht kennen. Allein wegen der kaputten Türe waren sechs Institutionen und ein Gericht gut beschäftigt. Die Feuerpolizei war auch schon einmal da.

Der Bezirksvorsteher schlug Alarm. Aber was tat er?

Das Schwarze Brett des Hauses ist tapeziert mit Kundmachungen und Verfahrensurteilen. Auch die Landespolizeidirektion hat einen Zettel geklebt. Sie sucht Zeugen für den Kellereinbruch, bisher ohne Erfolg, wie es von dort heißt. Die Magistratsabteilung 62 für Meldesachen hat ein Verfahren angestrengt. Da ging es um An- und Abmeldungen von Bewohner:innen des Hauses.

Sogar der Floridsdorfer Bezirksvorsteher Georg Papei (SPÖ) stellte sich im Sommer dieses Jahres medienwirksam für einen Bericht der Wiener Bezirkszeitung vor die Eingangstür. Er schlug „Alarm“ und war empört, hieß es da. „Es gehe nicht an, dass Mieter so behandelt werden“, sagte er und versprach Hilfe. MOMENT.at fragte bei ihm nach, was seitdem passiert sei und was er erreichen konnte. Über Wochen heißt es von der Bezirksvorstehung zu der eigentlich recht simplen Anfrage, sie sei „in Bearbeitung“. Bis Redaktionsschluss kommt keine Auskunft.

In einer E-Mail an die Bewohner:innen schreibt die Mobile Mieterhilfe: „Die aktuelle Situation gibt nur wenige Möglichkeiten her, um behördlich einschreiten zu können.“ Im Gespräch mit MOMENT.at erklärt Andreas Pöschko, Jurist bei Mietervereinigung: Nur weil eine Vermietung Druck ausübe und mit fragwürdigen Methoden die Mieter:innen rausbringen wolle, „bedeutet das umgekehrt nicht, dass eine Mieterhilfe, eine Mietervereinigung oder eine Bezirksvorstehung dann ähnlich quasi mit Keulen auf diese Vermieter losgehen können“.

Gerhard Cech ist Abteilungsleiter der MA 37, der Baupolizei. Auch er kennt das Haus in der Schleifgasse. Wegen des undichten Daches und des Wasserschadens sowie der Tür, von der Teile herunterzufallen drohte, schritt sie ein. Die Behörde wies Sveta an, die Schäden zu reparieren. Was auch geschah. „Das wird immer relativ zügig erledigt, aber dann kommt bald wieder das nächste Problem“, sagt Cech zu MOMENT.at.

Er hält nicht damit hinter dem Berg, dass es ihm gegen den Strich geht, wie manche Hausbesitzer:innen vorgehen. „Es ist ein ewiger Kampf.“ Nur: Er könne da auch wenig machen. Die Baupolizei darf nur einschreiten, wenn die Sicherheit oder Gesundheit der Bewohner:innen im Haus gefährdet ist. 50 Werkmeister:innen sind dafür zuständig, angezeigte Schäden in Häusern zu überprüfen. Jährlich rund 4.000 Anzeigen muss die Behörde abarbeiten. „Das ist natürlich eine Herausforderung“, umschreibt es Cech.

Ausmieten ist Teil des Geschäfts, fragwürdig sind die Methoden

Beim Gespräch in seinem Büro streitet David Yosopov ab, dass Firmen der Sveta Group oder er selbst Druck ausübten oder fragwürdige Methoden anwendeten, um Mieter:innen loszuwerden. Aber natürlich: „Ausmieten“, wie es in Wien genannt wird, das mache er schon. Sein Mittel der Wahl sei aber lediglich: Geld. Bei niedrigen fünfstelligen Beträgen gehe es los und mitunter auf bis zu 150.000 Euro hoch. Die werden Mieter:innen mit unbefristetem Vertrag angeboten, wenn sie ihre Wohnung freiwillig verlassen.

„Das ist auch sehr viel Geld, das ich in die Hand nehmen und investieren muss“, sagt Yosopov und beklagt sich: „Wenn ich eine 60 Quadratmeter große Wohnung kaufe und da nur 300 Euro Miete bekomme, wovon soll ich dann leben?“ Die Häuser absichtlich verkommen lasse er nicht. Was habe er auch davon, wenn Schimmel an den Wänden wächst und Wasser durchs Haus läuft, fragt er. Woran liegt es dann, dass auffallend viele Häuser von Sveta und seiner eigenen Firma in solch einem Zustand sind?

Schuld seien die Baufirmen, die er beauftrage. „In einem Haus haben sie von uns 130.000 Euro Anzahlung bekommen. Sie haben angefangen, das Dach zu öffnen und sind dann kurz vor dem Winter in Konkurs gegangen“, sagt Yosopov. Das Geld sei weg gewesen, das Hausdach dafür undicht. Eine neue Baufirma habe sich so schnell nicht finden lassen und fertig sei der Schaden gewesen. Eine andere Firma habe sogar 1,5 Millionen Euro erhalten. Diese sei ebenfalls in Konkurs gegangen und das Geld damit futsch gewesen.

Mit den Baufirmen hat das Sveta-Konglomerat offenbar häufig Pech. MOMENT.at berichtete im August, wie in einem anderen Sveta-Haus Algen blühen und begonnene Bauarbeiten einfach nicht weitergehen. Auch hier hieß es von Sveta: Es lag an der Baufirma.

 

Doch wer sich in Wien umschaut, erkennt schnell: An vielen Orten und Häusern wird eifrig gebaut. Ein Hausbesitzer, der von Gerichtswegen unfreiwillig häufig mit Sveta-Firmen zu tun hat, sagt zu MOMENT.at: „Was bei Sveta passiert, ist absolut unüblich. Normalerweise geht das viel schneller. Und wenn ich eine neue Baufirma brauche, dann finde ich sie auch.“

Bevor neues Geld fließt, müssen die Banken einwilligen

Also warum geht bei Sveta und deren verbundenen Firmen so wenig weiter? David Yosopov sagt, es komme noch etwas dazu: Weil die Häuser oft auf Pump gekauft werden, wollen die finanzierenden Banken jedes Mal wissen, warum sie nun erneut Geld zuschießen müssten. „Und ohne deren Einwilligung, kann ich nicht weitermachen“, sagt Yosopov. Die Lage am Markt sei generell schwierig. Nach jahrelangem Höhenflug sinken die Immobilienpreise. Gleichzeitig schießen Kreditzinsen in die Höhe.

Daran zerbricht nicht nur gerade das milliardenschwere Immobilien-Imperium der Signa-Gruppe von Rene Benko. Daran haben auch andere zu knabbern. „Es gibt keinen Umsatz mehr, die Mieten kommen nicht rein, es wird nichts verkauft, es gibt keine Anfragen. Es ist wirklich nicht einfach“, sagt Yosopov, jetzt Geschäftsführer der David Group und bis Anfang 2022 Geschäftsführer der Sveta Group.

Nach dem Gespräch habe er noch einen Termin bei einem Bankmanager. Der habe ihm in Aussicht gestellt, Zinsen für die nächsten zwei Jahre zu stunden. Yosopov klagt: Wenn es so weitergeht, müsse er bald selbst aus seinem Büro raus. Die 4.000 Euro Büromiete könne er nicht mehr aufbringen.

Die noch relativ frisch bezogene Repräsentanz der David Group glänzt lediglich auf den ersten Blick. Neben seinem Schreibtisch im Büro hat Yosopov einen Elektro-Heizstrahler voll aufgedreht. Vor einer der Eingangstüren hängen lose Kabel aus der Wand. Auch die Haustür lässt sich einfach aufdrücken. Jede:r könnte hier ein- und ausgehen. Zumindest das hat die Adresse in der Innenstadt mit dem heruntergekommenen Haus in Wien-Floridsdorf gemeinsam.

Der letzte Stand dort am Ende der vergangenen Woche: Ein Kleinbus ohne Firmenname und ein Sveta-Mitarbeiter fuhren zum Haus. Der Hof wurde aufgeräumt. Ein paar Mal habe der Bus kommen müssen, berichtet Mieterin Nadine per E-Mail und fügt ein Zwinker-Smiley an. Mit Humor lässt sich so manches leichter ertragen.

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