Warum eine Vermögenssteuer die Mittelschicht gar nicht erst trifft
Was du dazu wissen solltest:
#1 Es gibt bei Vermögen keine Mittelschicht.
Vermögen ist in Österreich ungleich verteilt. Es braucht schon sehr geschickte Grafiken, um die absurden Maßstäbe des extremen Reichtums überhaupt darstellen zu können: Das reichste Prozent besitzt bis zu 50 Prozent des Gesamtvermögens. Das heißt, knapp 90.000 Menschen verfügen jeweils über mindestens zwei Millionen Euro. Die ärmere Hälfte der Bevölkerung hat dagegen fast gar kein Vermögen. Viele von ihnen sind sogar verschuldet. Es gibt in der Vermögensverteilung keine Mittelschicht.
Wie viel Österreichs Reiche aber tatsächlich besitzen, lässt sich gar nicht so genau sagen. Es gibt kein Vermögensregister, das deren Besitz detailliert erfassen würde. Große Vermögen werden deshalb oft eher noch unterschätzt. Über ein EU-weites Register wird aktuell noch heftig debattiert. Was wir aber wissen: Weltweit gehen Milliardär:innen sogar mit einem Plus aus der Corona-Krise heraus. Das belegen Zahlen aus dem Jahr 2021. Von einer Krise ist ganz oben nichts zu sehen.
Warum diese Schieflage derart ungerecht ist? Sie hat nichts mit Leistung zu tun. Das haben wir übrigens in drei Argumenten noch einmal zusammengefasst.
#2 Elternhaus und Familienbetrieb sind nicht in Gefahr.
Die Industriellenvereinigung (IV) bezeichnete die Vermögenssteuer im Februar dieses Jahres als “Angriff auf den Mittelstand”. Sie würde arm machen. Sämtlicher Besitz wie Häuser, Wohnungen, teure Teppiche und Uhren wäre dann einfach weg. Diese Behauptung lässt es so aussehen, als wären Normalverdiener:innen und extrem reiche Menschen im selben Boot. So eine Behauptung hört man oft, sie ist aber falsch:
Alle derzeit diskutierten Modelle sehen einen Freibetrag vor. Vom Vermögen werden zuvor alle laufenden Kredite abgezogen, erst dann greift die Steuer überhaupt und das mit niedrigen Steuersätzen. Eine Studie der JKU Linz (Ferschli et al., 2017) berechnete etwa, wie sich ein Steuersatz von 0,7 Prozent jährlich ab einem Vermögen von einer Million Euro auswirken würde: Besitze ich beispielsweise eine Villa oder ein Zinshaus im Wert von 1,5 Millionen Euro, müsste ich 500.000 Euro davon versteuern. Bei dem genanntem Steuersatz sind das 3.500 Euro pro Jahr. Das ist in etwa so viel, wie Durchschnittsverdiener:innen in nur drei Monaten an Steuern und Abgaben leisten. Mehrfachen Millionär:innen haben mit solchen Summen keine Probleme.
Die Studie wurde 2019 auch von der EU-Kommission aufgegriffen. Sie empfiehlt Österreich aufgrund der wachsenden Ungleichheit eine Vermögenssteuer. Denn: Obwohl so eine Steuer die allermeisten Menschen überhaupt nicht betrifft, könnte sie je nach genauem Modell zwischen 2,7 und 6,3 Milliarden Euro einbringen (S. 22 im PDF). Eine progressive Vermögensbesteuerung würde sogar mehr bringen.
#3 Eine Vermögenssteuer würde die Mittelschicht sogar entlasten.
Durch den Freibetrag von mindestens eine Million Euro wäre die Mittelschicht gar nicht erst betroffen. Im Median verfügen Österreicher:innen über ein Vermögen von 83.000 Euro. Vermögenssteuern bezahlen also praktisch nur die Reichen. Sie würde drei bis vier Prozent der Haushalte treffen. Damit lassen sich dann aber öffentliche Leistungen finanzieren, die kleinere und mittlere Einkommen entlasten. So könnte beispielsweise mehr Geld in Kinderbetreuung, Pflege oder Klimaschutz gesteckt werden oder es könnten andere Steuern gesenkt werden, die die breite Bevölkerung stärker betreffen.
Bis wir eine Vermögenssteuer in Österreich sehen, wird es aber wohl noch dauern. Die wirtschaftsliberalen und rechten Parteien – ÖVP, FPÖ und Neos – sind traditionell dagegen und blockieren. Im Regierungsprogramm kommt also auch kein Plan vor, sie einzuführen. Allerdings: Im Regierungsprogramm stand auch nichts vom Ausbruch einer Pandemie und einer daraus folgenden tiefgreifenden Wirtschaftskrise, deren Auswirkungen jetzt bekämpft werden müssen.