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Demokratie

Warum es ein Problem ist, wenn die ÖVP bei Wahlen von den “Falschen” und “Richtigen” spricht

Warum es ein Problem ist, wenn die ÖVP bei Wahlen von den “Falschen” und “Richtigen” spricht

Die ÖVP wirbt im Wahlkampf in Niederösterreich mit einem Spot, der zwischen "Falschen" und "Richtigen" unterscheidet. Bei den Kandidat:innen - und bei den Wähler:innen.

Es ist wieder einmal Wahlkampf. Dieses Mal in Niederösterreich. Und das bedeutet: noch mehr polarisieren als sonst. Aufreger produzieren und radikale Sprache. So weit, so erwartbar.

Anhand von kleinen Indizien zeigt sich aber, welch gefährliche Rhetorik mittlerweile salonfähig ist. So hat die ÖVP Niederösterreich kleine Spots gedreht, in denen „ganz normale“ Leute erzählen, warum sie Johanna Mikl-Leitner und die ÖVP wählen. 

NÖ-Wahl: „Wenn die Falschen hingehen“

Die Leute sind selbstverständlich gecastet und das Gesprochene ist selbstverständlich gescriptet (und wahrscheinlich in Fokus-Gruppen abgetestet). In einem dieser kurzen Spots soll suggeriert werden, dass man zufällig auf Nichtwähler:innen gestoßen ist, die nun aber doch wählen gehen. Die Begründung der als „Stimme von der Straße“ getarnte Schauspielerin: „Aber wenn die Falschen hingehen, wird der falsche Landeshauptmann.“ (sic)

 

Nun kann man das als üblichen Untergriff abtun. Ein Treppenwitz ist es aber, weil ja just die ÖVP auf einen fairen Wahlkampf pocht

Auf den Spuren von Sebastian Kurz

Dieser Clip ist aber bemerkenswert. Er schlägt in die Kerbe jener Kräfte, die Wahlen nur als legitim anerkennen, wenn der oder die „Richtige“ gewinnt. Dazu braucht man gar nicht nach Brasilia oder Washington schauen, könnte man aber. Es reicht sich zu vergegenwärtigen, dass Sebastian Kurz nach seiner Abwahl proklamierte: „Das Parlament hat bestimmt, das Volk wird entscheiden“. 

Auch hier wurde die moralische Legitimität seiner Abwahl in Zweifel gezogen und ein „Volkswille“ einem Parlament entgegengestellt, das ja demokratisch und repräsentativ gewählt wurde. 

Das Verschwörungs-Raunen der “großen Lüge” hat in den USA dazu geführt, dass weite Teile der Republikaner nach wie vor glauben, dass die Wahl gestohlen wurde. Weil Trump der Auserwählte ist und gar nicht falsch liegen kann. Weil er eben der Richtige ist.

Nun ist Niederösterreich nicht die USA und Mikl-Leitner nicht Trump oder Bolsonaro. Eine Rhetorik, die eine Wahl als „falsch“ darstellt, wenn der „Falsche“ gewählt wird, geht aber in dieselbe Richtung.

Demokratie braucht die „Falschen“

Die andere Seite der Medaille ist ja die Warnung davor, dass nicht nur die „Falschen“ gewählt werden, sondern auch, dass die „Falschen“ wählen gehen. Es wird in diesem Fall nicht ausgesprochen, wer das ist. Es weckt aber unangenehme Erinnerungen an eine Zeit, als man Personengruppen aufgrund ihres Einkommens oder Geschlechts von Wahlen ausgeschlossen hat, weil sie eben „die Falschen“ waren. Das Zensuswahlrecht verband das Wahlrecht mit Vermögen und Besitz. Arbeiter:innen würden die Falschen wählen, also lässt man sie am besten gar nicht wählen.

Die Geschichte der modernen Demokratie ist untrennbar mit jener der Arbeiter:innenbewegung verbunden und umgekehrt. Weil „die Falschen“ nur in der Demokratie eine Chance haben, ihre Interessen durchzusetzen. So kommt es nicht von ungefähr, dass es rechte Kräfte sind, die versuchen Wahlen zu verhindern, zu erschweren und zu delegitimieren. Eine Einteilung in richtige und falsche Wähler:innen ist dabei noch der schlimmere Eingriff, als die Ablehnung einzelner Kandidat:innen. 

Die Suggestion von „falschen“ Wähler:innen rüttelt am allgemeinen Wahlrecht. Das wird natürlich nicht offen ausgesprochen und es ist nur eine kleine, fast nebensächliche Episode in einem anlaufenden Wahlkampf. Ein Missgeschick oder eine Unachtsamkeit ist es aber auch nicht, dafür ist die ÖVP NÖ viel zu professionell. Es ist ein Austesten, was welche Reaktionen auslöst. Es ist ein gefährliches Spiel mit der Grundprinzipien der Demokratie.

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