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Arbeitswelt

Wie der Brexit zu verrottenden Früchten führte

Wie der Brexit zu verrottenden Früchten führte
Erntehelfer:innen arbeiten oft unter prekären Bedingungen
Ein Mangel an Arbeitskräften führt in Großbritannien dazu, dass immer mehr Früchte auf den Feldern verrotten. Das ist dramatisch, zeigt jedoch auch ein systemisches Problem auf.

In Großbritannien fehlen die Erntehelfer:innen aus dem Ausland. Das ist für die dortige Landwirtschaft ein großes Problem: Der überwiegende Teil der Arbeiter:innen auf den Feldern kommt aus Osteuropa. Der Mangel an Arbeitskräften liegt zum Teil an den Reisebeschränkungen der Coronakrise, aber noch viel mehr am Brexit. 

Durch den Austritt Großbritanniens aus der EU können Arbeitskräfte aus anderen Ländern nicht mehr so einfach zum Arbeiten in das Land einreisen. Für sie gibt es jetzt wesentlich mehr Barrieren und bürokratische Hürden zu überwinden. Das führt dazu, dass viele Landwirt:innen zusehen müssen, wie ihre Früchte auf den Feldern verrotten, da niemand die Arbeit machen will. Das Problem besteht schon seit 2013, als die britische Regierung ein Visaprogramm für Saisonarbeitskräfte beendet hat. In den letzten Jahren wurde der Arbeitskräftemangel aber kontinuierlich schlimmer. Dieses Jahr gestaltet sich besonders schwierig, denn seit 1. Jänner ist Großbritannien nicht mehr Teil des EU-Binnenmarktes und der Zollunion.

Der Mangel an Arbeitskräften zeigt jedoch auch ein anderes, grundlegenderes Problem: Die Arbeit als Erntehelfer:in ist hart und schlecht bezahlt. Die britische Regierung hat 2020 das Projekt “Pick for Britain” gestartet, um so heimische Arbeitskräfte anzulocken, die durch die Pandemie arbeitslos wurden. Doch das war weder nachhaltig noch erfolgreich. Gerade einmal 450 Menschen fanden so Arbeit, am Ende der Saison blieben 18 davon übrig. 

Durch die Reisebeschränkungen kam es auch in Österreich während der Corona-Krise zu einem Arbeitskräftemangel. Landwirt:innen schlugen Alarm, zwischenzeitlich fehlten ihnen 3.500 Arbeitskräfte. Das Landwirtschaftsministerium gründete die Plattform “Die Lebensmittelhelfer”, um die Stellen mit Menschen aus Österreich zu besetzen – mit mäßigem Erfolg. Erst als etwa 1.000 Arbeitskräfte eingeflogen wurden, besserte sich die Lage. Doch durch den Mangel wurden Öffentlichkeit und Medien auf die Branche aufmerksam.

Dass Obst- und Gemüsebäuer:innen in Österreich wenig Personal finden, ist nicht weiter verwunderlich, denn nicht nur die Quartiere entsprechen oft nicht den Standards. Arbeiter:innen verdienen häufig unter dem kollektiven Mindestlohn von etwa 8 Euro brutto und mündliche Vereinbarungen statt Arbeitsverträge sind eher die Regel als die Ausnahme. In vielen Berichten wurde ein System beschrieben, das auf Ausbeutung von Menschen basiert, die sich nur schwer wehren können. 

Doch das ist nicht der einzige Bereich, in dem immer wieder über einen Mangel an Arbeitskräften geklagt wird. In der Pflege werden bis 2030 etwa 75.000 zusätzliche Arbeitskräfte benötigt – gleichzeitig hat sich gerade in der Corona-Krise wieder gezeigt, dass auch hier nicht nur die Arbeitsbedingungen prekär sind. Und seitdem sich die Wirtschaft von der Corona-Krise etwas erholt hat, werden einheimische Arbeitslose wiederholt an den Pranger gestellt. Viele Betriebe, besonders in der Gastronomie, suchen angeblich händeringend nach Arbeitskräften. Dass es auch hier an schlechten Arbeitsbedingungen und miserabler Bezahlung liegen könnte, kommt nicht nur den dafür Verantwortlichen nicht in den Sinn. Auch Medien drehen bei diesem Spin immer wieder kräftig mit:

 
Gegengelesen: Wir der Bericht in der Heute aussehen sollte

So könnte ein Bericht in der „Heute“ tatsächlich aussehen. 

Arbeitskräftemangel ist bei einer Kombination aus schlechten Arbeitsbedingungen, unattraktiven Arbeitszeiten und niedrigen Löhnen wenig verwunderlich. Genau dieser Zusammenhang kommt aber nicht nur in der Berichterstattung über Brexit-bedingten Arbeitskräftemangel häufig zu kurz.

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