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Klimakrise

Wir geben absurd viel Steuergeld dafür aus, dem Klima zu schaden

Wir geben absurd viel Steuergeld dafür aus, dem Klima zu schaden
Steuergeld gegen das Klima (c) Karolina Grabowska
Das österreichische Steuersystem hat in Sachen Klimaschutz noch einiges an Nachholbedarf. Tut man in Österreich etwas für das Klima, zahlt man häufig sogar drauf. Der Staat fördert dagegen klimaschädliches Verhalten - und das in Milliardenhöhe. Grund dafür sind Steuerprivilegien. Gesprochen wird darüber aber kaum. Und doch könnte der Staat etwas dagegen tun, wenn er nur wollte.

Der Staat arbeitet gegen das Klima

Mindestens 4,1 bis 5,7 Milliarden Euro hat Österreich in den vergangenen Jahren im Durchschnitt für klimaschädliche Förderungen ausgegeben. Das ergab eine Analyse der Österreichischen Instituts für Wirtschaftsforschung (WIFO). Das ist viel Geld. Dabei sind die Schätzungen sogar noch eher niedrig und nur sehr eindeutige Dinge in der Rechnung. Würde man etwa den Bau von Straßen schon als klimaschädlich deuten, wären die Ausgaben viel höher. “Den größten Teil der klima-kontraproduktiven Förderungen machen entgangene Steuereinnahmen aus”, sagt WIFO-Ökonomin Margit Schratzenstaller im Gespräch mit MOMENT.at. 

61 % der erfassten Förderungen betreffen auch so den Verkehr. Rund drei Viertel davon sind auf den Straßenverkehr zurückzuführen. “Das ist die begünstigte Besteuerung des Diesels. Das ist das Dienstwagenprivileg”, nennt Schratzenstaller zwei größere Brocken. Das restliche Viertel betrifft Flug- und Schiffsverkehr. Der Bereich der Energieerzeugung und -verbrauch macht 38 % der “klimakontraproduktiven” Steuern aus. Der Anteil der Landwirtschaft liegt zwar in der Studie lediglich bei einem Prozent. Gemessen wurden dabei allerdings nur jene Maßnahmen, die die direkte Tierhaltung begünstigen. Würde nur zum Beispiel auch der begünstigte Mehrwertsteuersatz für tierische Produkte berücksichtigt, wäre der Anteil der Landwirtschaft um ein Vielfaches größer.

Schratzenstaller fasst die absurde Situation zusammen: “Wir setzen auf der einen Seite Maßnahmen, um die klimafreundliche Transformation der Wirtschaft und der Gesellschaft voranzutreiben. Wir führen die CO₂-Bepreisung ein. Wir investieren in den öffentlichen Verkehr. Auf der anderen Seite haben wir ein beträchtliches Ausmaß an klimaschädlichen Subventionen, die genau das Gegenteil bewirken. Das heißt, wir wirken klimafreundlichen Förderungen entgegen, indem wir auf der anderen Seite viel Geld für Maßnahmen ausgeben, die dem Klima schaden.” 

Fragwürdige Abgaben und Steuerbegünstigungen

Autofahren schadet unserem Klima erheblich. Das ist nichts Neues. Problematisch sind vor allem die großen Mengen an CO₂-Emissionen. Die Besteuerung des klimaschädlichen Treibhausgases sollte dem entgegenwirken. Dass das in Zeiten der Klimakrise eine notwendige und effektive Maßnahme ist, steht außer Frage. Die österreichische Umsetzung war jedoch nicht besonders ambitioniert: Während man hierzulande aktuell nur 32,50 Euro pro ausgestoßener Tonne zahlt, sind es beim Spitzenreiter Schweden 120 Euro. Der Liter Diesel oder Benzin wurde durch die Einführung der Steuer in Österreich nur um rund 8 Cent teurer. Gerade bei den aktuellen Preisentwicklungen verpufft da jeder Effekt. 

Auch die Ökonomin Schratzenstaller ortet Verbesserungspotential. Da auch die Mineralölsteuer in Österreich im EU-Vergleich besonders niedrig ausfällt, hätte man die CO₂-Steuer höher ansetzen müssen. Das Ausgangsniveau sei zu niedrig und auch die Erhöhung nicht sehr ambitioniert. Trotzdem fördert der Staat den Individualverkehr mit schwer verständlichen steuerlichen Begünstigungen – etwa das Pendlerpauschale und das Dienstwagenprivileg. 

Deutlich klimafreundlicher ist dagegen der öffentliche Personennahverkehr und die Bahn. Laut Umweltbundesamt ist ein Kilometer, der mit einem von Diesel oder Benzin angetriebenen Auto zurückgelegt wird, im Schnitt 15 Mal so klimaschädlich wie ein Kilometer mit dem Zug – auch mit neuen Autos. Mit Diesel ist die Bilanz sogar noch schlechter als mit Benzin. Trotzdem ist die Mineralölsteuer niedrig und der Diesel wird gegenüber dem Benzin sogar noch begünstigt. Die Bahn wird dagegen vor allem im internationalen Verkehr benachteiligt. Europaweit ist für die Benutzung der Schieneninfrastruktur ein Entgelt zu bezahlen. 

Zusätzlich werden durch den Autoverkehr externe Kosten verursacht, die die Allgemeinheit bezahlen muss. Diese Kosten ergeben sich etwa aus Gesundheitsschäden durch Abgase und Lärm, Unfälle, dem Verlust von Biodiversität oder anderen Klimaschäden. Ein großer Teil dieser Kosten wird durch den Straßenverkehr verursacht, nur wenig davon durch Schienenverkehr. Laut dem Verkehrsclub Österreich sind die durch den Straßenverkehr verursachten Kosten doppelt so hoch, wie die Kfz-bezogenen Steuern und Abgaben. Damit wird das Autofahren indirekt subventioniert. 

Der hohe Preis der Hafermilch 

Falsche Anreize gegen das Klima gibt es auch anderswo. Auf Lebensmittel zahlt man in Österreich 10 % Mehrwertsteuer. Der Normalsteuersatz liegt bei 20 %. Das bedeutet, dass alle Lebensmittel steuerlich begünstigt werden. Prinzipiell gut, um Ernährung leistbar zu machen. Aber wir wissen wir auch, dass es wichtig für das Klima wäre, dass wir weniger tierische Produkte essen.

 

Statistik die zeigt, welche Lebensmittel wie viele Treibhausgase in Kilogramm ausstoßen

Wie viele Treibhausgase unsere Essen verursacht 

Für diese Veränderung fehlen steuerliche Anreize. Teilweise fördert unser System sogar Nahrungsmittel, die klimaschädlicher sind. Denn unsere Getränke sind “normal” mit 20% besteuert. Ausgenommen Milch und Milcherzeugnisse. Sie unterliegen auch dem begünstigten Steuersatz von 10 %. Das stimmt aber nur, wenn es um tierische Milch geht. Pflanzliche Milch (die gesetzlich nicht “Milch” genannt werden darf) wird mit 20 % besteuert. Wer also zu Hafer-, Reis-, Soja- und Mandel-”Drinks” greift statt etwa zu Ziegen- oder Kuhmilch, zahlt dem Staat einen Zusatz. Über das Jahr kann da einiges zusammen kommen.
 

Grafik, die zeigt Für welchen Preisunterschied die Mehrwertsteuer bei Hafermilch zuständig ist

Für welchen Preisunterschied die Mehrwertsteuer bei Hafermilch zuständig ist

(c) Jessica Zekar

Dabei verursacht die Herstellung eines Liters Kuhmilch deutlich mehr Treibhausgase als all diese Produkte. Kuhmilch verbraucht auch deutlich mehr Wasser und Land und belastet die Natur deutlich mehr, als insbesondere Hafer- und Sojadrinks. Vom Tierwohl abgesehen. 

Wer sich rein pflanzlich ernährt, schützt das Klima. Das bestätigte auch eine neue Studie. Laut dieser emittieren Menschen, die sich vegan ernähren, drei Viertel weniger Treibhausgase als Menschen, die viel Fleisch essen. Fleisch, Fisch und Co. werden trotzdem ebenfalls steuerlich begünstigt. Beliebt wäre das Gegenteil sogar: Laut einer Greenpeace-Studie sprachen sich in Deutschland zwei Drittel der Menschen für eine Abschaffung der Mehrwertsteuer für klimafreundliche Lebensmittel wie Obst und Gemüse aus. 

Der Staat könnte das. Bereits 2021 einigte die EU sich auf flexiblere Vorgaben für die Mehrwertsteuer. So können Waren niedriger besteuert werden, wenn sie zum Klimaschutz beitragen. Lebensmittel, die Grundbedürfnisse decken, können ganz von der Mehrwertsteuer ausgenommen werden. 

Trotz dieser Erleichterungen hat sich in Österreich bei der Mehrwertsteuer für Lebensmittel bis jetzt nichts geändert. Warum das so ist, kann auch die Expert:in nicht beantworten. Eine Erhöhung des ermäßigten Mehrwertsteuersatzes auf tierische Produkte wurde bisher in Österreich kaum diskutiert. Dabei lege die Analyse des WIFO nahe, dass die Anwendung des regulären Steuersatzes auf Fleisch, Milchprodukte und Eier deren Konsum verringern könnte. 

Generell sei klimafreundliche Ernährung aber ein wichtiger Aspekt, dem sich zu wenig gewidmet würde. “Es wäre wichtig, die Besteuerung von Lebensmitteln und das Verhältnis zwischen ermäßigten und regulären Steuersätzen, nicht nur vor dem Hintergrund sozialpolitischer, sondern auch klimapolitischer Überlegungen, auf den Prüfstand zu stellen”, erklärt die Ökonomin Schratzenstaller. 

Politisches Nichtstun ist teuer

Obwohl die Klimakrise seit vielen Jahrzehnten von der Wissenschaft angekündigt ist, tun wir auch heute noch zu wenig dagegen. Auch, weil immer wieder hohe Kosten beklagt werden. In der Politik wird selten gesehen und auch nicht wirklich belohnt, was heutige Maßnahmen aber in der Zukunft sparen würden. Oft wäre es ein Vielfaches.

Dass wir klimaschädliches Verhalten aber heute immer noch sogar mit viel Geld fördern, geht über das gefährliche Nichtstun noch hinaus. Das Abschaffen von Steuererleichterungen wäre ein erster Schritt aus der Misere. Einfach ist das nicht immer. Das Ende von Privilegien klingt allgemein gesagt gut, kann konkret aber auch unpopulär sein. Wer ein Dieselfahrzeug fährt, freut sich nicht darüber, wenn eine Förderung wegfällt. Um die Akzeptanz in der Bevölkerung zu erhöhen, müssten die zusätzlichen Einnahmen wieder zurückgegeben werden, meint Schratzenstaller. Ähnlich wie das beim Klimabonus der Fall ist. Dieser wird durch die CO₂-Bepreisung finanziert. 

“Wenn wir Steuerprivilegien abschaffen, könnten wir die Transformation der Wirtschaft und Gesellschaft vorantreiben und gleichzeitig kontraproduktive Effekte aus umweltpolitischer Sicht vermeiden”, sagt Schratzenstaller. “Dann hätten wir auch zusätzliche Steuereinnahmen, die wir dazu verwenden können, das gesamte Abgabensystem nachhaltiger zu gestalten, indem die Arbeit entlastet wird. 

Die Klimakrise zu bekämpfen, das mag nicht einfach und im ersten Moment nicht immer populär sein. Tun wir jedoch nichts, werden die Änderungen noch drastischer – und die Probleme für die Politik noch deutlich schwieriger zu lösen.

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