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Demokratie

Woher der rechte Hass auf Städte kommt

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Konservative und rechte Politik macht das Land gerne zur idyllischen Idealvorstellung. Die Stadt hingegen: Ein Sündenpfuhl. Diese politische Erzählung gibt es schon seit Jahrhunderten. Natascha Strobl erklärt, wie und warum dieser Kulturkrieg befeuert wird.

Washington ist ein Sumpf, London ist viel zu gefährlich und in Wien stehen in vielen Familien nur die Kinder in der Früh auf – die negativen Erzählungen gegen die Stadt sind vielfältig. Und alles andere als neu.

CDU-Chef Friedrich Merz verkündete unlängst: Der Berliner Stadtteil Kreuzberg – das ist nicht Deutschland. Gillamoos schon.

Zur Erklärung: Gillamoos ist ein bayerisches Volksfest, das den meisten Menschen in Deutschland und Österreich eher unbekannt ist. Warum spielt Merz ein regionales, ländliches Fest gegen einen Berliner Stadtteil aus? Schließlich liegen, ganz ohne jeden Zweifel, beide dieser Orte in Deutschland. 
 

Feindbild Stadt: Wofür Kreuzberg und Wien bei Rechten stehen

Kreuzberg ist aber ein Feindbild und wird deshalb diskursiv ausgebürgert. Weil Kreuzberg als migrantisch gesehen wird. Und mit “migrantisch” ist muslimisch gemeint. Weil es als linker Bezirk gilt. Und weil es das urban-alternative Zentrum der ungeliebten Hauptstadt ist. 

Auch Donald Trump spielt mit ähnlichen Narrativen. Washington als politisches Zentrum sei ein Sumpf, der weit weg von realen Menschen mit realen Problemen agiert. Und die ÖVP attestierte Wien, immerhin der lebenswertesten Stadt der Welt, gefährlich und unbewohnbar zu sein. Seien es Obdachlose, die auf Bankerl schlafen oder Menschen, die auf Mindestsicherung angewiesen sind – diese Probleme wurden als Wien-Probleme dargestellt. ÖVP-Klubobmann August Wöginger hatte sogar Angst, dass die jungen Leute, die vom Land nach Wien ziehen, als Grüne zurückkommen.
 

Echtes Land, unechte Stadt

Der Gegensatz, der hier aufgemacht wird, ist Land gegen Stadt. Das Land wird als echt, authentisch und rein gesehen, während die Stadt dekadent, verdorben und unecht ist. 

Das ist kein neuer Gegensatz. Auf dieser Klaviatur spielt die extreme Rechte aber vor allem auch der Konservatismus seit über 100 Jahren. Und es ist auch klar warum: Die Stadt war das Symbol des Proletariats und der Intellektuellen sowie des jüdischen, liberalen Bürgertums und anderer ethnischer wie religiöser Minderheiten. 

Das Land war homogen, bäuerlich und oft, bis auf ein paar Großbauern, bettelarm. Der gesellschaftliche wie technische Fortschritt setzte sich erst langsam auch in den entlegensten Flecken durch. So war es leicht, diesen Teil der Bevölkerung mit Kulturkampf für sich zu gewinnen. Die Verherrlichung des Bauernstandes und die Verklärung des Landlebens begannen in der Romantik (von Leuten, die dieses karge Leben nie selbst leben mussten) und gingen direkt in die politische Propaganda rechter Parteien über. 

Die Stadt wurde so zum Hort des Niedergangs, der Dekadenz, der Vermischung und Entgrenzung. Das Land war gottgläubig, stark und nach innen gekehrt (im Gegensatz zur weltoffenen Stadt). 
 

Das tut auch der Landbevölkerung unrecht

Selbstverständlich tut diese Darstellung auch der Landbevölkerung unrecht, die dieser faschistischen Blaupause nie entsprechen konnte. Spannend ist hier auch, dass die Stadtbevölkerung als körperlich schwach dargestellt wurde, während die Landbevölkerung kernig und stark ist. 

In Österreich gipfelte dieser Kampf gegen die Stadt sogar in einem realen Kampf mit Waffen – im Februar 1934. Die eigene Hauptstadt wurde als fremd und Feind gesehen, die es zu attackieren galt. Der Kampf gegen die Stadt und ihre Bewohner:innen hat also eine Tradition. Dieser Kampf vermischt Rassismus, Antisemitismus und Frauenverachtung. 

Dabei besteht jeder Staat aus Stadt und Land und vielen verschiedenen Menschen und Menschengruppen. Das unterscheidet eine echte Gesellschaft von einem eingebildeten Volk im Sinne der extremen Rechten.

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