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Klimakrise

6 junge Menschen verklagen 33 Länder in Europa, weil sie der Klimakrise nur zuschauen

6 junge Menschen verklagen 33 Staaten für die Kampagne #Youth4ClimateJustice - weil sie ihre Menschenrechte verletzen. 

Sechs Kinder und junge Menschen aus Portugal ziehen vor den Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte. Sie klagen 33 Staaten in Europa an, die in ihren Augen ihre Menschenrechte verletzen: Weil sie die Klimakrise ignorieren. 

Mariana (8), André (12), Sofia (15), Martim (17), Caterina (20) und Claudia (21) kommen aus Portugal klagen. Sie sehen ihre Menschenrechte verletzt, weil die Klimakrise durch die Tatenlosigkeit vieler Regierungen ungehindert fortschreitet und zur Klimakatastrophe zu werden droht. Deshalb haben sie den Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte zu einer möglicherweise schwerwiegenden Entscheidung aufgerufen.

Wie lautet die Klage?

Die jungen Menschen argumentieren (mit Hilfe der NGO Global Legal Action Network), dass die bewusst in Kauf genommene, menschengemachte Klimakrise mit vielen ihrer Menschenrechte in Konflikt steht. Die 33 Staaten würden gegen ihre Pflichten verstoßen, weil sie die Ziele aus internationalen Verträgen nicht mit konkreten, gesetzlichen Plänen angehe. Ebenso würden die Staaten sich aus der Verantwortung stehlen, weil es keine klare Aufteilung weltweiter Treibhausgas-Budgets gebe und sie sich so ständig auf andere herausreden könnten.

Welche Länder werden hier verklagt?

Die Klage richtet sich gegen die 27 einzelnen Staaten der Europäischen Union und damit auch Österreich. Außerdem betrifft sie Großbritannien, Russland, Norwegen, die Ukraine, die Türkei und die Schweiz.

Es sind also alle wesentlichen Länder des Kontinents und damit auch die schlimmsten Klimazerstörer in Europa dabei. Die Bemühungen gegen die Klimakrise in diesen Staaten werden durchwegs als ungenügend oder noch schlechter bewertet.

Welche Menschenrechte der jungen Menschen sollen durch die Klimakrise betroffen sein?

Es geht in der Klage um das Menschenrecht auf Leben. Wenn wir den derzeitigen Kurs auf eine Erhitzung der Erde beibehalten, würden in Europa zum Ende des Jahrhunderts dreißigmal so viele Menschen an der Folge von Hitzewellen sterben, wie noch Anfang des Jahrhunderts. Im Heimatland der KlägerInnen, Portugal, starben allein im Jahr 2017 ganze 110 Menschen durch klimabedingte Waldbrände. Das war der Anlass zu ihrer Klage.

Es geht aber auch um das Menschenrecht auf körperliche und mentale Gesundheit. Die Hitzewellen in Portugal erreichen bereits jetzt Rekordtemperaturen von 44°C. Ein normales Leben mit Sport, gesundem Schlaf und Aktivitäten im Freien ist dabei nicht mehr möglich. Zudem belaste die berechtigte Sorge um die Zukunft einer lebenswerten Welt die jungen Menschen auch seelisch und würde das Recht auf ein Familienleben beeinflussen.

Und es geht um das Menschenrecht, nicht diskriminiert zu werden. Junge Menschen leben länger, also werden sie von der Klimakrise auch länger betoiffen sein. Es sei ungerecht, ihnen mit heutiger Tatenlosigkeit die Folgen in der Zukunft aufzubürden.

 

Was ist der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte?

Der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte (EGMR) in Strassburg wacht über die Einhaltung der Europäischen Menschenrechtskonvention (EMRK). Anders als häufig angenommen ist er keine Einrichtung der Europäischen Union mit ihren 27 Staaten, sondern entsteht direkt aus der Menschenrechtskonvention heraus. Alle 47 Staaten des Europarates (auch keine EU-Einrichtung) sind ihr beigetreten.

Deshalb unterscheidet sich diese Klage auch von anderen, die bereits laufen. Hier wird auf internationaler Ebene aber gegen die einzelnen Staaten in Europa geklagt. Andere Klagen nehmen die EU als ganzes ins Auge oder versuchen in den Staaten selbst gegen die einzelnen Staaten – wie Österreich – zu klagen. Um den EGMR anzurufen, müsste man eigentlich zuerst in jedem einzelnen Land klagen. Die Klage der 6 PortugiesInnen haben erfolgreiche eine Ausnahme erbeten, weil das Vorgehen für 33 Staaten praktisch unmöglich sei.

Was sagt der EGMR?

Der EGMR hat die Klage wegen des Zeitrdrucks der Klimakrise auf eine hohe Priorität gesetzt. Die Staaten müssen jetzt bis spätestens Februar 2021 Stellungnahmen dazu abgeben. 

Was ist das Ziel?

Die Kampagne zur Klage – #Youth4ClimateJustice (übersetzt: „Jugend für Klimagerechtigkeit“) – möchte erreichen, dass es ein verbindliches Urteil des EGMR gibt. Fällt es in ihrem Sinne aus, könnte das laut BeobachterInnen dazu führen, dass die Klimaziele der Staaten – insbesondere die Zwischenschritte – konkreter gemacht werden müssen.

Wie steht es um die Klimabemühungen eigentlich?

Im Pariser Klimaabkommen wollen die Staaten der Welt die Klima-Erhitzung auf 1,5°C begrenzen. Das würde bereits gravierende Auswirkungen haben, aber gilt als wichtige Marke, um katastrophale Auswirkungen einigermaßen zu begrenzen. Diese Grenze rückt aber jeden Tag weiter weg. 

Eine neue Untersuchung zeigt: Wenn die optimistischsten, bisherigen Versprechen wirklich eingehalten werden, würde die Erhitzung der Erde bis zum Ende des Jahrhunderts auf etwa 2,1°C begrenzen. Diese Prognose ist besser als frühere, aber die Erhitzung würde die Menschheit trotzdem vor enorme Schwierigkeiten stellen.

Allerdings gibt es selbst zu dieser Hoffnung nur dann einen Grund, wenn die Versprechen zur Klimaneutralität bis 2050 alle wirklich auch eingehalten werden. Dazu müssen eben in allen Staaten die Zwischenschritte bis 2030 viel greifbarer und ambitionierter werden.

Die tatsächlichen, heutigen Gesetze und Rahmenbedingungen lassen hingegen eine Erhitzung um 2,9°C am wahrscheinlichsten erscheinen. In dieser Schätzung liegt aber eine Ungenauigkeit. Auch 3,9°C gelten hier noch als relativ wahrscheinlich.

Was macht ein Grad mehr oder weniger schon aus?

Der Unterschied sogar jedes Zehntelgrades kann wegen gewisser „Kipppunkte„, die eine größere Spirale in Bewegung treten, groß sein. Diese Grafik auf Basis leicht anderer Daten noch aus 2019 (mehr dazu hier) zeigt die groben Auswirkungen unterschiedlicher Erhitzungen auf.

 
 

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