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Demokratie

AfD-Verbot: Die vielen falschen Argumente gegen ein Verfahren

AfD-Verbot: Die vielen falschen Argumente gegen ein Verfahren
Die Stimmen für ein AfD-Verbot werden lauter.
Kommt ein AfD-Verbot? Die deutsche Schwesterpartei der FPÖ wird als verfassungsfeindlich und gesichert rechtsextrem eingestuft. In Deutschland wird zunehmend darüber nachgedacht, sie als Bedrohung der Demokratie zu verbieten. Und oft werden nur schlechte Argumente dagegen vorgebracht. Natascha Strobl analysiert.

Ein AfD-Verbot wird in Deutschland heiß diskutiert. Zumindest ob man das Verfahren dazu einleiten sollte. Im Gegensatz zu Österreich gibt es in der deutschen Verfassung diese Möglichkeit, gegen verfassungsfeindliche Parteien vorzugehen. Nicht politische Konkurrenz, sondern Höchstrichter am Bundesverfassungsgericht entscheiden darüber. (Hier die Erklärung des Verfahrens)

In der Diskussion des Für und Wider so eines Verfahrens kommt es aber immer wieder zu ärgerlichen Vermengungen und Argumenten, die am Thema vorbeigehen.

#1 – „30% der Wähler:innen lassen sich nicht verbieten.“

Bei einem Verfahren für ein Parteiverbot werden auch nicht die Wähler:innen verboten, sondern es wird überprüft, ob eine Parteistruktur verboten wird. Das ist eine juristische, keine politische Frage.

Es ist wohl wahr, dass 20-30% der Wähler:innen sich dann bei Wahlen umorientieren müssen. Wie sie das tun, dazu sind viele verschiedene politische Szenarien denkbar: von Wut, Resignation, Nichtwählen oder pragmatisches Wechselwählen.

Die Anzahl der Wähler:innen ist aber kein Argument – wenn doch, dann sogar ein bestärkendes. Die NPD wurde nicht verboten, weil sie zu irrelevant dafür war. Wenn nun die AfD zu beliebt wäre, dann gäbe es nur einen engen Korridor, in dem ein Verbotsverfahren eingeleitet werden könnte. Das ist nicht Sinn der Sache.

#2 – „Kein:e Wähler:in kommt deswegen zu einer demokratischen Partei zurück“

Das ist ein Missverständnis darüber, was ein Verbotsverfahren leisten soll und kann. Ein Verbotsverfahren dient dazu, juristisch zu prüfen, ob eine Partei eine Gefahr für Demokratie und Rechtsstaat ist. Es dient nicht dazu, politisch zu überzeugen.

Überzeugte Wähler:innen rechtsextremer Parteien sind für demokratische Parteien kaum mehr erreichbar. Da muss man nicht naiv sein. Viel wichtiger sind aber jene, die gerade zum ersten Mal extrem rechts wählen bzw. jene, die es noch nicht tun.

Die Auseinandersetzung mit diesen Wähler:innen ist von einem etwaigen Verbotsverfahren unberührt. So oder so braucht es hierfür Strategien, die nicht vor Gericht stattfinden, sondern im Alltag dieser Gruppen. 

#3 – „Die AfD muss politisch gestellt werden“

Ja, das muss sie. Die Versuche diesbezüglich sind auch ohne Verbotsverfahren überschaubar. Meistens wird jede wissenschaftliche Evidenz ignoriert und der extremen Rechten in Themensetzung und Argumentation nachgesprungen. Damit sendet man die falsche Botschaft aus, dass die extreme Rechte eigentlich recht habe, aber es ein wenig zu grauslich formuliert. Das ist kein politisches Stellen, sondern eine politische Selbstaufgabe.

Niemand hindert Parteien daran, die AfD politisch zu stellen. Nicht jetzt, nicht vor fünf Jahren, nicht in fünf Jahren. Das ist kein Gegensatz zu einem etwaigen Verbotsverfahren. Das bietet keine politische, sondern eine juristische Auseinandersetzung. Es stellt fest, ob eine Partei rechtlich eine Gefahr für die freie Demokratie ist.

#4 – „Das hilft nur der AfD“

Nein, im Gegenteil. Es ist ein Irrglaube, dass Widerspruch und Konfrontation die extreme Rechte stärken. Das Gegenteil ist wahr. Unterwürfigkeit und gewähren lassen stärkt die extreme Rechte.

Das Problem mit der extremen Rechten ist nicht, dass sie zu viel ausgrenzt, sondern, dass sie zu wenig ausgegrenzt werden. Konfrontation und rote Linien helfen, sie bei bestimmten Gruppen möglicher Wähler:innen unbeliebt zu machen.

Einen juristisch abgesicherten Weg aus Angst nicht beschreiben ist viel größere Schützenhilfe für die extreme Rechte, als es das Verfahren selbst je sein könnte.

#5 – „Die formieren sich dann einfach unter neuem Namen neu“

Ja, das ist sehr wahrscheinlich. Aber das ist kein friktionsfreier Prozess. Das führt zu internen Machtkämpfen. Zudem sind viele Ressourcen, finanzieller, aber auch immobiler oder ideeller Natur, erstmal weg. Selbstverständlich sind eine Radikalisierung und eine Neuformierung denkbar. Aber aus Angst vor der Zukunft kann man keine Prozesse in der Gegenwart unterlassen.

AfD-Verbot: Es gibt legitime Argumente dagegen

Es gibt legitime Argumente und Befürchtungen bei einem Verbotsverfahren. Da wäre die Frage nach dem Scheitern des Verfahrens und den politischen Folgen. Oder die Frage nach nicht kalkulierbaren Gewaltausbrüchen und die Verantwortung für die Gesundheit und das Leben von Menschen. Das sind legitime Perspektiven.

Ein Verbotsverfahren ersetzt aber nicht die politische Auseinandersetzung, und das soll es auch gar nicht. Ein Verbotsverfahren ist kein politischer Überzeugungsprozess, sondern entzieht, wenn erfolgreich, einer Partei Struktur und Ressourcen, die eine Gefahr für das Funktionieren der Demokratie ist. Nicht mehr, aber auch nicht weniger.

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