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Ungleichheit

Amtsgeheimnis abschaffen? Da könnte ja jeder kommen!

Amtsgeheimnis abschaffen? Da könnte ja jeder kommen!

Behörden geben in Österreich ungern Informationen heraus. Das Amtsgeheimnis ist stark und geduldig. Die Regierung will das ändern, lässt sich bisher aber Zeit. Und allzu weit soll es mit der Informationsfreiheit dann auch nicht gehen. Am Dienstag zeigten NGOs und JournalistInnen auf, wo es in Österreich bei der Informationsfreiheit hakt und was es jetzt braucht.

In allen anderen EU-Ländern müssen Behörden ihre Informationen frei zugänglich machen – in Österreich nicht. NGOs und Medien fordern mehr Transparenz. Die zuständige Ministerin Karoline Edtstadler hat versprochen, an einem Gesetzesentwurf zu arbeiten; der lässt aber noch auf sich warten. Und allzu weit soll es mit der Informationsfreiheit dann auch nicht gehen. Am Dienstag zeigten AktivistInnen und JournalistInnen auf, wo es in Österreich bei der Informationsfreiheit hakt und was es jetzt braucht.

Österreich ist einzigartig, allerdings in diesem Fall nicht auf die gute Art: Wer vom Staat oder von Behörden Informationen darüber erhalten möchten, welche Verträge die öffentliche Hand etwa mit Unternehmen abgeschlossen hat oder wo welche Förderungen hinfließen, beißt auf Granit. „Wir sind das letzte Land in der EU, das nicht das Recht gewährt, behördliche und staatliche Dokumente einzusehen“, sagte Mathias Huter vom Forum Informationsfreiheit am Dienstag.

Gemeinsam mit JournalistInnen präsentierte er Vorschläge, wie auch ganz normale BürgerInnen in Zukunft endlich Zugang zu Dokumenten erhalten sollen. Bisher hüten Österreichs Regierung und Verwaltungen diese teils wie Staatsgeheimnisse. Und das, obwohl uns alle betrifft, wohin unsere Steuergelder fließen, und wie Gesetze zustande kommen.

Einsicht zu bekommen sollte ein Recht sein und kein Gnadenakt.
Alexander Fanta, netzpolitik.org

Darin Einsicht zu bekommen, „sollte ein Recht und kein Gnadenakt der Behörden sein“, sagte Alexander Fanta von netzpolitik.org. Er berichtete darüber, wie die Technologiefirma Apple Druck auf die EU ausübt. Diese verlangte vor Jahren schon, dass Stecker von Aufladekabeln für Mobiltelefonen genormt werden sollen. Alle Hersteller sollten den gleichen Stecker verbauen. Bisher als einziges Unternehmen erfolgreich dagegen gewehrt hat sich: Apple.

Fanta forderte bei der EU alle Dokumente zum Thema an, die diese auch herausgeben musste, weil es eine entsprechende Verordnung dazu gibt. Unter den 120 Dokumenten waren auch Treffen von EU-Vertretern mit Lobbyisten von Apple. „Das zeigte den intensiven Druck von Apple“, so Fanta.

Den Namen Transparenzportal sollte man hinterfragen.
Markus Hametner, Addendum/Forum Informationsfreiheit

In Österreich ist das bisher undenkbar. Hier gibt es zwar seit einiger Zeit das sogenannte Transparenzportal. „Aber diesen Namen sollte man hinterfragen“, sagt Markus Hametner, Journalist bei Addendum, der sich ebenfalls beim Forum Informationsfreiheit engagiert.

Behörden sollten auf dem Portal melden, wohin ihre Förderungen fließen. Der Bund tut das, manche Länder auch, manche aber nicht und Gemeinden gar nicht, so Hametner. Und: BürgerInnen haben gar keinen Einblick in die Daten. Wer sie verarbeitet, ohne dazu berechtigt zu sein, riskiert bis zu 50.000 Euro Strafe.

Konsequenz: Was Österreichs Behörden wofür ausgeben bleibt weitgehend eine Blackbox. Hametner und seine KollegInnen stellten kurzerhand eine eigene Transparenzdatenbank auf die Beine. Sie fragten bei allen österreichischen Gemeinden an, mit wie viel Geld diese Sport und Kultur gefördert haben.

Was geht euch das an. Auskunftspflicht könnt ihr auch vergessen.
Antwort eines Bürgermeisters auf Anfrage nach Informationen

Neben einigen schroffen Antworten wie „Was geht euch das an. Auskunftspflicht könnt ihr auch vergessen“, gaben viele tatsächlich Auskünfte. „So erhielten wir mehr Förderdaten von Gemeinden, als vermutlich selbst der Finanzminister jemals zu Gesicht bekommen hat“, sagte Hametner bei der Pressekonferenz in den Räumen des Presseclub Concordia.

Problem: Solche Daten zusammenzusammeln dauert oft extrem lange. Julia Herrnböck, Journalistin bei Dossier und für Reporter ohne Grenzen tätig, berichtet davon, wie Behörden sie ein Jahr lang mit Auskünften hinhielten. So bei einer Recherche über mutmaßliche Ungereimtheiten am Wiener Konservatorium, wo mit Aufenthaltsgenehmigungen Handel getrieben worden sein soll.

Es darf nicht sein, dass Redaktionen sich fragen müssen, ob sie sich das überhaupt leisten können.
Julia Herrnböck, Dossier/Reporter ohne Grenzen

„Wenn die Informationen dann endlich kommen, ist das Thema oft nicht mehr aktuell“, sagt Herrnböck. So lange und hartnäckig an einem Thema dranzubleiben könnten zudem nicht alle Medien stemmen. „Es darf nicht sein, dass Redaktionen sich fragen müssen, ob sie sich das überhaupt leisten können“, sagt sie und fordert: „Fristen für Auskünfte müssen eingehalten werden.“

Und die sollten nicht zu lang sein. Laut Forum Informationsfreiheit sollen sich die Behörden nicht länger als 15 Werktage Zeit lassen dürfen. Das ist noch nicht einmal besonders ambitioniert: In Estland müssen Behörden nach spätestens fünf Werktagen Auskunft geben.

Informationen schnell erhalten? Ministerin Edtstadler tritt auf die Bremse

Grüne und ÖVP wollen aber, das ist die gute Nachricht, jetzt endlich das Amtsgeheimnis in Österreich abschaffen. Ein Informationsfreiheitsgesetz wie es international Standard ist, soll kommen.

Bei den geforderten kurzen Fristen dafür, Informationen herausgeben zu müssen, tritt die zuständige Verfassungsministerin Karoline Edtstadler aber bereits auf die Bremse. Man müsse den Menschen in den Behörden genügend Zeit geben, sagte sie. Vier Wochen und sogar acht Wochen in „schwierigen Fällen“ schweben der Regierung dabei vor.

Im Juni lud Edtstadler VertreterInnen von NGOs wie dem Forum Informationsfreiheit, Gemeinden, Gerichten und Medien zu einem Runden Tisch, um sich auszutauschen. Dabei vergaß sie allerdings, VertreterInnen des grünen Koalitionspartners einzuladen, die sich vorher vehement dafür einsetzten, das Thema Transparenz in die Regierungsvereinbarung zu bekommen. Ein Affront. Mathias Huter war bei dem Treffen dabei. Er bezeichnete das Gespräch mit Edtstadler als „ein Abtasten“.

Für mich war kein politischer Wille sichtbar, darüber hinauszugehen, was im Regierungsprogramm steht.
Mathias Huter, Forum Informationsfreiheit

Sie habe sich Forderungen der NGOs und Bedenken angehört. Vonseiten Edtstadlers „war für mich kein politischer Wille sichtbar, darüber hinauszugehen, was im Regierungsprogramm steht“, so Huter am Dienstag. Der Verfassungsdienst wolle „bis zum Sommer“ einen Entwurf für ein Informationsfreiheitsgesetz ausarbeiten.

Inzwischen ist es Ende Juli, das Parlament befindet sich in der Sommerpause, ein Gesetzesentwurf liegt aber noch nicht vor. Auf Anfrage von MOMENT in Edtstadlers Büro am Dienstag, wann es denn soweit sein wird, gab es bisher keine Antwort.

Viel Raum, Informationsfreiheit nicht zu umfassend werden zu lassen

Dazu kündigte Edtstadler an, dass es Ausnahmen von der Informationsfreiheit geben müsse. Beachtet werden müssten Datenschutz, Persönlichkeitsrechte und für die öffentliche Ordnung und Sicherheit nötige Einschränkungen, sagte sie. Dafür sei „eine lange, genaue Liste sinnvoll“. Das lässt viel Raum dafür, die Informationsfreiheit dann doch nicht zu umfassend werden zu lassen.

„Behörden dürfen nicht länger mauern, mauern, mauern“, forderte Mathias Huter am Dienstag. Das Forum Informationsfreiheit bietet mit der Website fragdenstaat.at  allen BürgerInnen die Möglichkeit, Anfragen an Behörden zu stellen.

Dort sind auch alle Anfragen penibel dokumentiert: 503 davon wurden erfolgreich beantwortet, 457 immerhin teilweise. Dagegen wurden 108 Anfragen abgelehnt. Ganze 303 Mal reagieren die Behörden seit Monaten oder Jahren nicht. Eine solche Anfrage gilt dann als „eingeschlafen“.

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