Anschlag in Wien: SystemerhalterInnen müssen trotz allem in die Arbeit gehen
Trotz erschütterndem Anschlag in Wien mussten am Tag darauf zahlreiche Menschen in die Arbeit gehen. Die viel beschworenen SystemerhalterInnen sind es, die auch bei Pandemie oder Terrorangst vor Ort gebraucht werden. Wir haben einige von ihnen gefragt, wie es ihnen bei der Arbeit ging.
Die viel beschworenen SystemerhalterInnen werden bei Pandemie wie auch bei Terrorangst am dringendsten vor Ort benötigt. Und manche Unternehmen haben auch dort, wo Home-Office möglich wäre, nicht das nötige Verständnis für die Angst ihrer MitarbeiterInnen.
Wir haben Menschen, die Dienstagfrüh zur Arbeit mussten, gefragt, wie es ihnen dabei geht.
Die Schulpflicht wurde für den Dienstag in Wien ausgesetzt, die LehrerInnen sind trotzdem zur Arbeit erschienen. Unter ihnen eine Volksschullehrerin, die im 15. Bezirk unterrichtet. „Ich habe kaum geschlafen“, erzählt sie. In der Früh habe sie mitbekommen, dass die Kinder nicht kommen müssen. „Angefühlt hat es wie am Anfang des ersten Lockdowns. Mir war völlig unklar, wie der Tag aussehen wird.“ Eine Kollegin holte sie mit dem Auto ab, in der Frühaufsicht war kaum etwas los. Schließlich betreute sie in ihrer Klasse zwei Kinder. „Ein Schüler hat überhaupt nicht gewusst, was los war. Wir haben das gemeinsam besprochen.“
„Wir sind von der Corona-Zeit erschöpft“
Die Stimmung sei angespannt gewesen. „Mir ist erst in der Schule gekommen, was eigentlich passiert ist. Im Endeffekt war ich froh, zumindest etwas zu tun zu haben.“
Iris Misera ist Leiterin eines Kindergartens in Favoriten. Nachdem nur elf Kinder gekommen waren, konnte sie einige MitarbeiterInnen wieder nach Hause schicken. „Wichtig ist in so einer Situation, dass wir den Kindern trotzdem ein Gefühl der Sicherheit geben“, sagt sie. Herausfordernd war es allemal, den Kindern zu erklären, was in der Nacht auf Dienstag geschehen ist. „Wir sind schon von der Corona-Zeit erschöpft.“
Eine angehende Steuerberaterin musste trotz allem in der Früh ins Büro fahren, das ausgerechnet in der Nähe vom Schwedenplatz liegt. „Meine Chefs meinen, wir haben nichts mehr zu befürchten. Ich habe aber Angst“, sagt sie am Telefon. „Der erste Bezirk ist voll von Rettungs- und Polizeiwägen, ich höre die Sirenen im Büro.“ Sie spüre die Angst und Unruhe, die in Wien in der Luft liege.
Eigentlich könnte sie ihre Arbeit leicht von zu Hause aus erledigen. Doch schon während des ersten Lockdowns wurde sie dazu angehalten, weiterhin jeden Tag persönlich zu erscheinen. Auch ein Anschlag ist offenbar kein Grund für eine Ausnahme. Die Büroangestellte hat Angst vor dem Heimweg im Dunklen. „Ich bin die ganze Zeit kurz vorm Heulen“, sagt sie.
„Man muss weitermachen“
Ein Lieferant, der in den frühen Morgenstunden regionale Produkte ausliefert, möchte lieber gar nicht daran denken, was in der Vornacht geschah. „Es ist so sinnlos, was passiert ist“, sagt er. Auch in die Wiener Innenstadt wollte er liefern, wurde aber von der Polizei weggewiesen. „Man muss weitermachen.“
Da ist noch der Mann, der in der Müllabfuhr arbeitet. „Ich bin seit 6 Uhr früh im Dienst. Mir wäre gar nicht in den Sinn gekommen, nicht arbeiten zu gehen. Angst habe ich keine“, sagt er, bevor er schnell weiter muss.
Das sind nur ein paar der Menschen, die am Tag nach dem Anschlag nach draußen mussten, um ihre Arbeit zu machen. Es sind noch viel mehr: Supermarktkassiererinnen und Lagerarbeiter, Putzkräfte und Chirurginnen. Aus der Corona-Krise wissen wir, dass systemrelevante Berufe tendenziell schlecht bezahlt und belastend sind. Der Tag nach dem Anschlag ist gleichzeitig der erste Tag des zweiten Lockdowns. Die Probleme der SystemerhalterInnen bleiben dieselben.