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Arbeitswelt
Ungleichheit

Gemeinschaftliches Wohnen: “Alleinerziehende haben andere Bedürfnisse”

Sarah Zeller lächelt, einen Baum im Rücken, in die Kamera.
Sarah Zeller, Leiterin von Juno, einem Wiener Verein für gemeinschaftliches Wohnen für Alleinerziehende

Alleinerziehende gibt es zwar in Österreich viele, ihre Bedürfnisse werden aber beim Wohnen oft nicht beachtet. Das Wiener Projekt Juno vermittelt Alleinerziehende und passende Wohnungen und unterstützt mit Beratung. Besonders wichtig für die AlleinerzieherInnen: Gemeinschaft und günstige Mieten.

Alleinerziehende Frauen und Männer haben zwischen Kindern, Job und Haushalt wenig Verschnaufpausen. Viel zu oft sind sie auf sich allein gestellt. Das muss aber nicht sein. Sarah Zeller und ihr Verein Juno vermittelt Ein-Eltern-Familien an WGs und Wohnungen in Häusern, die auf Gemeinschaft setzen. Das wichtigste Kriterium: Leistbarkeit. Wie das abläuft und wieso gerade alleinerziehende Eltern von Gemeinschaft profitieren, erzählt sie im Interview mit MOMENT.

MOMENT.at: Was ist gemeinschaftliches Wohnen und wie unterscheiden sich eure Projekte von herkömmlichen Wohnhäusern?

Sarah Zeller: Im gemeinschaftlichen Wohnen gibt es einen starken Fokus auf Nachbarschaft und gegenseitige Unterstützung. Dafür braucht man einerseits die Räume, die man gemeinsam nutzen kann. Andererseits braucht es auch Personen, die sich darum kümmern, wie diese Räume genutzt werden und die BewohnerInnen dabei unterstützen, etwas aufzubauen. Du musst dir vorstellen, wenn ein leeres Haus besiedelt wird, dann gibt es dort noch keine Vorgaben. Die BewohnerInnen müssen sich überlegen, wie sie die Gemeinschaftsräume nutzen wollen: Soll es eine Gemeinschaftsküche geben, einen Kinderspielraum oder Fitnessraum.

MOMENT.at: Wieso profitieren gerade Alleinerziehende von solchen Gemeinschaftsräumen?

Der Vorteil ist definitiv der soziale Rückhalt. Wer alleinerziehend ist, hat oft das Gefühl, auf der Welt ganz allein zu sein. In einem Haus zu wohnen, in dem ich weiß, dass es auch andere Alleinerziehende gibt und ich mich an sie wenden kann, macht einen großen Unterschied. Wenn eine für den anderen mitkocht oder kurz auf die Kinder schaut – das hilft enorm und entlastet im Alltag.  Wir haben auch einen Schwerpunkt auf Generationen-Wohnen. Einen Schritt weiter gehen Alleinerziehenden-WGs. Hier leben Ein-Eltern-Familien in einer typischen Wohngemeinschaft zusammen. So ein Projekt haben wir auch und vermitteln über unsere WG-Börse. Das Modell passt allerdings nur für wenige, es erfordert ein hohes Maß an Planung im Alltag.

MOMENT.at: Wie soll denn eine Wohnung aussehen, in der Alleinerziehende mit ihren Kindern gut leben können?

Die meisten Wohnungen sind auf Mutter-Vater-Kind-Familien ausgerichtet. Alleinerziehende haben andere Bedürfnisse. Im Idealfall gibt es viele kleinere Zimmer. Für eine Elternteil mit zwei Kindern sind das vier Räume, sodass jede Person ein eigenes Zimmer hat und es noch einen Gemeinschaftsraum gibt. Weil Geld ein großes Thema ist, sollten die Wohnung nicht zu groß und die Miete nicht so hoch sein. Wir sehen aber auch den politischen Aspekt. Ziel muss es sein, dass Wohnen wieder leistbar wird. In der Zwischenzeit sind kleine Wohnungen mit vielen Zimmern eine Möglichkeit.

MOMENT.at: Alleinerziehende sind überdurchschnittlich oft armutsgefährdet. Wie achtet ihr darauf, dass eure Projekte leistbar bleiben?

Wir arbeiten mit gemeinnützigen Bauträgern zusammen und bemühen uns, möglichst viele SMART-Wohnungen zu bekommen. Diese sind bei einer Miete bei 7,50 Euro pro Quadratmeter gedeckelt, inklusive Betriebskosten. Auch der Finanzierungsanteil ist gedeckelt. Bei einer 50-Quadratmeter-Wohnung liegt er allerdings immer noch bei 3.000 Euro. Das ist viel und manche Menschen haben diese Rücklage nicht. Wir schauen dann, ob es eine Möglichkeit gibt, das Geld aufstellen. Etwa mit Unterstützung vom Magistrat.

MOMENT.at: Das ergibt Sinn. Wie bist du auf die Idee gekommen, ein Wohnprojekt für Alleinerziehende zu machen?

Ich war selbst als Studentin Alleinerzieherin, eine Freundin von mir ebenso und wir wollten zusammenziehen. Wir haben aber schnell gemerkt, dass die Wohnungen nicht zu unserer Vorstellung passten, weil sie zu sehr auf typische Kleinfamilien ausgerichtet waren. Außerdem hätten wir keinen Vertrag bekommen, weil wir zwei junge Frauen mit Kindern, aber ohne Job waren. So ist das erste Wohnprojekt entstanden und daraus der Verein Juno.

MOMENT.at: Neben der Vermittlung von Wohnungen macht ihr auch Sozialarbeit.

Genau. Wir machen psychologische und Sozial-Beratung und versuchen im Rahmen der Elternmoderation Konflikte zu lösen. Wir lassen die Menschen nicht nach dem Einzug allein, sondern unterstützen sie weiterhin beim Aufbau einer Gemeinschaft. Unsere Beratungsangebote sind übrigens für alle Alleinerziehende da.

MOMENT.at: Wie kommen Interessierte zu einer Wohnung über Juno?

Einmal im Monat veranstalten wir einen Info-Workshop. Dort lernen wir einander kennen und stellen die Projekte vor, sehen uns die Grundrisse an. Die Leute bekommen über uns einen unbefristeten Hauptmietvertrag. Interessierte können sich dann auf die Warteliste setzen lassen, wenn sie den Anforderungen entsprechen. Die schwierigste Anforderung ist sicher das Mindesteinkommen. Aktuell sind 14 Wohnprojekte in Planung, wobei die in ganz unterschiedlichen Stadien sind. Rund einmal im Jahr wird ein Bauprojekt fertig und wir können etwa 10 Wohnungen vermitteln. Das ist noch nicht sehr viel, klar. Ab 2022 werden es sehr viel mehr sein.

 
Sarah Zeller von Juno, Gemeinschaftliches Wohnen für Alleinerziehende, bei einem Infoworkshop. Sie spricht neben einem Flipchart stehend zu einer im Sesselkreis sitzenden Gruppe.

Beim Infoworkshop von Juno erfahren interessierte Alleinerziehende von den Wohnprojekten und können sich gleich auf die Warteliste setzen lassen.

MOMENT.at: Wie kommt das?

Bei der Stadt Wien tut sich einiges beim Thema Wohnen für Alleinerziehende. Die Stadt legt gerade einen Schwerpunkt darauf bei den Ausschreibungen der Wettbewerbe.

MOMENT.at: Wie können Leute euch und euer Anliegen unterstützen?

Bisher bekommen wir noch kaum öffentlichen Subventionen und sind auf Spenden angewiesen. Wir retten uns von Monat zu Monat. Deswegen hilft finanzielle Unterstützung, aber auch Sachspenden können wir gut gebrauchen. Flyer zum Beispiel, Ausstattung für unser Büro oder Coaching und Weiterbildungen. Wir sind für jede Hilfe dankbar.

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