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Ungleichheit
Kapitalismus

Kampf gegen Steuertricks geht in wichtige Phase: Warum Länder wie Österreich sich hoffentlich nicht durchsetzen

Kampf gegen Steuertricks geht in wichtige Phase: Warum Länder wie Österreich sich hoffentlich nicht durchsetzen
Heute beginnen entscheidende Verhandlungen zwischen EU-Institutionen und Regierungen um mehr Transparenz über Steuertricks von Konzernen zu ermöglichen. Damit würde die Öffentlichkeit unter anderem sehen können, wieviel Gewinn Konzerne je Land machen und wieviel Steuern sie zahlen. Österreich hatte in der Vergangenheit in dieser Frage Entscheidungen blockiert. Wir haben darüber mit David Walch von Attac gesprochen, einer Organisation, die weltweit für soziale Gerechtigkeit kämpft.
 
David Walch von Attac

David Walch von Attac über Steuertricks und warum Österreich ein EU-Transparentzgesetz blockiert.

Max Herlitschka

MOMENT: Was genau wird denn ab heute verhandelt?

David Walch: Es beginnen die entscheidenden Verhandlungen zwischen den EU-Regierungen, der EU-Kommission und dem EU-Parlament, wie multinationale Konzerne ihre Finanzberichte zukünftig veröffentlichen müssen. Derzeit hat Portugal den Vorsitz im EU-Rat inne und dieses Land hat es sich an die Fahnen geheftet in dieser Frage etwas weiterzubringen. Viele andere Länder, wie Österreich, hatten das Thema in der Vergangenheit blockiert. Wenn die Verhandlungen nun scheitern, droht wieder ein jahrelanger Stillstand.

MOMENT: Warum blockierte Österreich lange Zeit? Sollte es nicht jedem Staat ein Anliegen sein, dass Konzerne Steuern bezahlen und ihre Gewinne nicht ins Ausland verschieben?

Walch: Oft wird die EU-Politik so dargestellt, als ob einzelne Länder ein einheitliches Interesse hätten. Tatsächlich aber geht es hier um einen Interessenkonflikt, der in jedem Staat vorliegt: Kapitalinteressen von einzelnen und Konzernen gegen die Interessen der Allgemeinheit. In vielen Ländern sind es eindeutig die Konzerne, die einen privilegierten Zugang zu Entscheidungsträgern haben. 

Wir sehen ja anhand des der vielen Diskussionen um die SpenderInnen der ÖVP, wie eng diese Regierungspartei mit Konzernen verflochten ist. Österreich ist natürlich kein Einzelfall. Auch Deutschland zählt zu den Blockierern, wenn es um Steuertransparenz geht – obwohl Deutschland nachweislich zu den großen Verlierern zählt. Aber viele große, deutsche Export-Konzerne profitieren von diesem System.
 
MOMENT: Um wie viel Geld geht es hier?
 
Walch:
Schätzungen nach geht es um weltweit rund 500 bis 600 Milliarden Dollar jährlich, die Staaten durch Steuertricks entgehen. In Österreich soll diese Summe rund eine Milliarde Euro betragen. 
 
MOMENT: Das ist sehr viel Geld. Brauchen wir das nicht gerade um diese Corona-Krise zu bewältigen?
 
Walch:
Ja, genau deshalb hoffen wir, dass nun endlich mehr Druck herrscht, um dieses Thema voran zu bringen. Wenn wir uns die großen Steuerskandale wie Panama-Leaks oder die Paradise-Papers anschauen, so waren es nie die Regierungen, die diese Skandale aufgedeckt haben. Es war immer Druck von außen: Whistleblower und unabhängige JournalistInnen, kurzum, die Zivilgesellschaft. 

MOMENT: Aber wie genau blockierte denn nun Österreich diese wichtige Entscheidung auf EU-Ebene?

Walch: Zunächst einmal waren alle ÖVP-FinanzministerInnen der letzten Jahre strikt dagegen. Nach dem Ibiza-Skandal, als Österreich kurz eine Expertenregierung hatte, gab es jedoch einen Parlamentsbeschluss von SPÖ, FPÖ und den Grünen, der alle folgenden Regierungen dazu verpflichtet, Vorhaben auf EU-Ebene zuzustimmen, die mehr Steuertransparenz schaffen.

MOMENT: Das klingt doch gut. Wo ist da der Haken?

Walch: Die Regierung blockierte zunächst indirekt weiter. Wie Mails aus Brüssel zeigen, hat das Finanzministerium in Brüssel offenbar weiter signalisiert, dass sie eigentlich nicht für mehr Steuertransparenz sind. Solche Signale können dazu führen, dass es am Ende zu keiner Abstimmung kommt. Denn wenn es so aussieht, als könnte es für den Beschluss keine Mehrheit geben, gibt es keine formale Abstimmung. 

Zudem stellte Österreich weiterhin rechtliche Fragen zur Diskussion, die eigentlich schon längst geklärt waren. Nämlich ob für einen Beschluss nicht Einstimmigkeit unter den Regierungen nötig wäre – womit das Thema natürlich niemals durchgehen würde. Doch Einstimmigkeit braucht es hier nicht, da es nicht um die Änderung von Steuergesetzen für Staaten geht, sondern um die Bilanzen von Konzernen und wie diese zukünftig aussehen sollen. Letztendlich hatte Österreich jedoch Anfang März keine andere Wahl mehr und musste unter den Augen der kritischen Öffentlichkeit zustimmen. Damit kam endlich eine Mehrheit unter den EU-Regierungen zustande.

Die Gefahr ist jedoch nun, dass bei den Verhandlungen mit dem EU-Parlament eine sehr schwache Richtlinie verabschiedet wird. Das wäre kontraproduktiv. Es gilt hier ein paar wichtige Pfähle für echte Transparenz in den Boden zu rammen.
 

MOMENT: Diese Pfähle wären?
 
Walch:
Grundsätzlich wird nun verhandelt, in welcher Form und wie genau multinationale Konzerne zu Transparenz verpflichtet werden sollen. Wir haben vor allem drei Schwächen entdeckt.
 
Erstens geht es darum, für welche Niederlassungen die Konzerne Daten veröffentlichen müssen. Die Regierungen wollen, dass sie das nur für Niederlassungen tun, die in der EU sind – plus ein paar wenige Staaten, die die EU als Steueroasen listet. Das ist allerdings viel zu wenig.

Die Richtlinie muss unbedingt die Konzern-Niederlassungen auf der ganzen Welt umfassen. So will es auch das EU-Parlament. Sonst blieben ja erst wieder Gewinnverschiebungen und Steuertricks in die schädlichsten Steuersümpfe weiter im Dunkeln.

MOMENT: Und der zweite Pfahl?

Walch: Weiters geht es darum, welche Konzerne ihre Steuern transparent machen müssen. Derzeit sollen nur multinationale Konzerne über 750 Millionen Euro Umsatz in die Pflicht genommen werden. Diese Schwelle ist viel zu hoch, denn das wären nur rund 10 Prozent aller multinationalen Konzernen. Die Grenze müsste unbedingt auf 40 Millionen Euro Umsatz gesenkt werden. Eine Verpflichtung zu mehr Steuertransparenz gibt es etwa schon für Rohstoffkonzerne – und hier gelten 40 Millionen Euro Umsatz als Grenze – warum diese nicht auf alle anwenden? 

MOMENT: Jetzt fehlt noch der dritte Pfahl.
 
Walch:
Weiters ist natürlich wichtig genau zu definieren, was in diesen länderweisen Finanzberichten drinnen stehen muss. Da braucht es möglichste viele aussagekräftige Daten – dazu zählen auch konzerninterne Transaktionen. Die aktuellen Pläne sind auch hier löchrig. Keinesfalls darf es den Konzernen überlassen werden, Daten geheim zu halten, die sie selbst als „sensibel“ einstufen. Das wäre nur wieder ein Schlupfloch für Steuertricks. Außerdem ist es wichtig, dass diese Daten nicht in einem langen PDF-Dokument zwischen Textblöcken verwurstelt veröffentlicht werden, sondern in leicht auswertbaren Format. Sonst erfordert es enormen Aufwand, hier wirklich durchzublicken.

MOMENT: Sind sie optimistisch, dass die jetzigen Verhandlungen zu einem positiven Ergebnis führen?

Walch: Es herrscht derzeit aufgrund der Corona-Krise ein enormer Druck und Staaten können es sich nicht leisten, auf einen gerechterer Beitrag der Konzerne zu verzichten. Obwohl derzeit noch immer viel zu wenig in dieser Frage weitergeht, so gibt es heute zumindest ein Bewusstsein dafür, dass wir ein Problem mit Gewinnverschiebungen und Steuertricks haben. Vor 10 Jahren wurde das Problem ja noch nicht einmal ernsthaft diskutiert. Heute betonen Regierungschefs, dass ihnen das Thema ein Anliegen ist – doch an der Umsetzung hapert es meist noch immer. Umso wichtiger ist es, dass NGOS und die kritische Öffentlichkeit hier genau hinschaut, damit die Regierungen endlich Taten setzen.

 

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Update der Redaktion: 29.3. 9:35 – Durch einen technischen Irrtum ging heute um 4:30 eine nicht-autorisierte Version des Interviews online. Durch die üblichen Kürzungen im redaktionellen Prozess schlichen sich leider einige falsche und missverständliche Stellen ein. Wir bedauern den Vorgang und haben den Artikel seither aktualisiert.

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