Klimakrise droht Feuerwehr zu überfordern: "Keine Region in Österreich bleibt verschont"
Erst am Morgen sahen sie im Tageslicht das Ausmaß der Zerstörung und stellten erschrocken fest: Der Erdrutsch hatte sich genau dort gelöst, wo sie kurz davor noch standen. Doch zum Grübeln hatten sie ohnehin keine Zeit: Jetzt begann die Arbeit erst so richtig – der Schlamm musste schließlich weggeschafft werden.
Ehrenamtlich in Lebensgefahr
In Österreich gibt es rund 340.000 Feuerwehrleute. 99 Prozent davon arbeiten ehrenamtlich. Ohne einen Cent zu bekommen, löschen sie wie die Kameraden der Freiwilligen Feuerwehr Feld am See mitten in der Nacht Brände, schaufeln Schlamm oder Schneemassen weg, pumpen Keller aus – und setzten mitunter ihr Leben aufs Spiel.
Die verheerenden Unwetter der letzten Wochen im Süden Österreichs haben laut ersten Schätzungen allein in Kärnten Schäden in dreistelliger Millionenhöhe verursacht.
Immer mehr Einsätze
Extremwetterereignisse haben in den letzten Jahren zugenommen. Wissenschaftlich lässt sich nicht eindeutig klären, welche Unwetter die Klimakrise in Österreich genau auslöst. Klar ist aber, dass Hitzewellen häufiger und länger werden, was wiederum zu mehr Waldbränden führt. Trotz großer, jährlicher Schwankungen zeigen die Aufzeichnungen, dass die Waldbrände seit den Nullerjahren zunehmen.
Der Präsident des Österreichischen Bundesfeuerwehrverbandes Albert Kern ist überzeugt, dass die Einsätze in Zukunft zunehmen werden – und die Feuerwehren noch viele außergewöhnliche Aufgaben zu meistern haben werden: “Der Klimawandel hat so vielfältige Auswirkungen – es wird keine Region in Österreich geben, die verschont bleibt.”
Ob Hochwasser, Brände, Muren oder Scheechaos – die Einsätze der Feuerwehren werden vielfältiger und mehr. Ein Beispiel: Die Hitzewellen der letzten Jahre waren manchmal so extrem, dass Seen “gekippt” sind. Fische “ersticken” dann regelrecht, weil das warme Wasser keinen Sauerstoff mehr binden kann. Die Feuerwehr muss dann anrücken, Wasser abpumpen und mit Sauerstoff angereichert wieder in den See zurückführen. Das fällt übrigens gar nicht in den Aufgabenbereich der Feuerwehr – aber wer soll das denn sonst machen?
Schon jetzt zeigt die Statistik, dass die Feuerwehren immer öfter ausrücken müssen. Ihre Mitgliederzahl bleibt hingegen konstant, beziehungsweise nimmt sogar ganz leicht ab. Das könnte zukünftig problematisch werden.
Schwierige Rekrutierung
„Noch können wir alle Einsätze gut abdecken, doch es zeichnet sich ab, dass die Rekrutierung von neuen Mitgliedern immer schwieriger werden wird,“ so Kern. Die Gründe dafür sind vielfältig: ehrenamtliche Tätigkeiten scheinen immer unattraktiver empfunden zu werden, geburtenschwächere Jahrgänge machen die Rekrutierung von Nachwuchs schwieriger und viele junge Menschen wandern in Städte ab. Dort engagieren sich grundsätzlich weniger Freiwillige als in kleineren Orten, wo die alteingesessene Feuerwehr mit ihren Festen einen Fixpunkt im gesellschaftlichen Leben darstellt.
Die Feuerwehrverbände versuchen viel, um den Trend umzukehren – etwa gibt es Initiativen, die Frauen für die Arbeit der Feuerwehr begeistern sollen.
Mehr Eigenverantwortung von jedem
Die Klimakrise stellt das System der Freiwilligen Feuerwehren in Zukunft jedenfalls vor große Herausforderungen. Derzeit wird versucht die finanzielle Deckelung des Katastrophenfonds von 95 Millionen auf 130 Millionen anzuheben. Aber Geld löst nicht alle Probleme der Feuerwehr, so Kern: “Wir haben immer bessere Maschinen und Geräte, aber die erfordern wiederum längere und aufwendigere Einschulungen – auch dafür müssen sich die Freiwilligen Zeit nehmen.” Arbeitgeber bekommen seit kurzem zumindest einen Bonus, wenn sie auf freiwilliger Basis Mitarbeiter während der Arbeitszeit für Großeinsätze freistellen – doch auch hier wird die Kulanz zunehmend strapaziert.
Der Feuerwehrpräsident mahnt jedoch, dass künftig jeder mehr Eigenverantwortung übernehmen muss: „Die Bevölkerung muss besser aufgeklärt und geschult werden. Wer in einem Hochwassergebiet wohnt, muss sein Haus und vor allem seinen Keller darauf auslegen. Es kommt nicht selten vor, dass Betroffene nicht nur erwarten, dass wir den Keller auspumpen, sondern besenrein übergeben. Das ist aber wirklich nicht unsere Aufgabe.“
Es ist also nötig, dass sich mehr Menschen engagieren, und der Feuerwehr mehr unter die Arme greifen. Wer sich ehrenamtlich engagiert, gibt nicht einfach kostenlos seine Arbeitszeit her. Viele schätzen die Kameradschaft und lernen nützliches fürs Leben. Und „nebenbei“ helfen sie anderen und retten mitunter sogar Leben.