Weniger Schnitzel, mehr Soja: Braucht Österreich eine neue Ernährungspyramide?
Ich bin auf dem Land groß geworden. So richtig am Land. In einem Dorf, in dem mehr Hühner als Menschen leben. Wesentlich mehr. Ich bin als Kind in den Ställen zwischen den Hühnern, Kühen und Schweinen umhergelaufen. Dass sie alle geschlachtet und gegessen werden, schien ganz normal zu sein. Nichts, das man hinterfragen müsste. Bis ich es mit 13 Jahren doch tat und Vegetarierin wurde.
Bei meinem letzten Besuch zuhause in diesem Kuh- beziehungsweise Hühnerdorf, lief im ORF eine Folge von „Am Schauplatz“. Thema: Leben ohne Schnitzel. „Nicht nur eine Frage des Geschmacks, sondern fast schon eine Glaubensfrage“, schrieb der ORF.
Was wäre Österreich ohne Schnitzel?
Unter anderem kam darin ein Wirt zu Wort, der regelmäßig „Schnitzel-Partys“ veranstaltet. Auf die Frage, was Österreich ohne Schnitzel wäre, antwortet er: „Dann gäbe es kein Österreich.“
Österreich gäbe es wohl trotzdem noch. Mit der Antwort auf die nächste Frage – was los wäre, wenn wir für das Klima auf das Schnitzel verzichten würden – hat der Herr aber wohl recht: „Ich glaub da wäre ein großer Aufstand.“
Rund 59 Kilogramm Fleisch isst jede:r Österreicher:in laut Statista im Jahr. Zu viel. Die Österreichische Gesellschaft für Ernährung (ÖGE) empfiehlt aus gesundheitlichen Gründen maximal 23,4 kg.
WHO: Rotes Fleisch „wahrscheinlich krebserregend“
Zu viel Fleisch erhöht die Gefahr für Krankheiten wie Diabetes, Darmkrebs oder chronische Entzündungen. Die Weltgesundheitsorganisation WHO (World Health Organisation) hat bereits 2015 verarbeitetes Fleisch als sicher krebserregend und rotes Fleisch als wahrscheinlich krebserregend eingestuft. Doch nicht nur für die Gesundheit der Fleischesser:innen ist die Menge an Fleisch ein Problem. Es betrifft alle.
77 Prozent der landwirtschaftlich genutzten Fläche werden für Fleisch benötigt – für Futtermittelanbau, Weideflächen und Ställe. Obwohl Fleisch nur 18 Prozent des globalen Kalorienbedarfs von Menschen deckt.
Dafür werden auch besonders wichtige natürliche Flächen wie Wälder und Moore vernichtet. Diese sind als CO₂-Senken wichtig im Kampf gegen die Klimakrise.
Klimakiller Schnitzel
Dass in der Landwirtschaft solche Flächen vernichtet werden, hat einen sehr bitteren Beigeschmack. Rund ein Viertel aller Treibhausgas-Emissionen gehen nämlich auf unsere Ernährung zurück. 61 Prozent davon werden durch Landnutzung, Futtermittel und Fischerei verursacht. Der Rest stammt aus der Lebensmittelproduktion direkt für die menschliche Ernährung, Verarbeitung, Transport, Verpackung und Handel.
Ein Kilo Äpfel verursacht durchschnittlich 0,4 kg CO2-Äquivalente. Ein Kilo Mais liegt bei 1,0 kg CO2-Äquivalenten, Erbsen bei 0,9 kg. Ein Kilo Rindfleisch hingegen verursacht 60 kg und Milch 3 kg CO2-Äquivalente.
Wir verschlingen das 1,5-Grad-Ziel
Allein die Emissionen durch unsere Ernährung bringen uns über die 1,5-Grad-Grenze, auf die sich die Nationen mit dem Pariser Klimaabkommen 2015 geeinigt haben. Unsere Ernährung ist heute also nicht nachhaltig.
Fleisch und andere tierische Produkte tragen zur Klimakrise, Artensterben und der Verschmutzung von Luft, Wasser und Boden bei.
In unserer Ernährung liegt damit aber auch viel Potenzial, das Klima und die Umwelt zu schützen. Wenn wir sie ändern. Das haben auch die österreichischen Behörden erkannt. Sie arbeiten an einer neuen Ernährungspyramide.
Was ist die Ernährungspyramide?
Die Ernährungspyramide ist eine lebensmittelbasierte Empfehlung für die Menschen in Österreich. Erarbeitet wurde sie von der Arbeitsgruppe des Obersten Sanitätsrats (OSR) „Public Health – Ernährung“. Seit März 2010 dient sie als ernährungsmedizinische und ernährungswissenschaftliche Empfehlung.
Wie ist die Ernährungspyramide aufgebaut?
Die Ernährungspyramide besteht aus sieben Gruppen: Sechs Lebensmittel- und eine Gruppe an Getränken. Je weiter unten in der Pyramide ein Lebensmittel steht, desto öfter sollte es verzehrt werden.
Was empfiehlt die Ernährungspyramide?
Täglich mindestens 1,5 Liter Flüssigkeit – bevorzugt Wasser, Mineralwasser, ungezuckerte Tees oder verdünnte Obst- und Gemüsesäfte.
Täglich drei Portionen Gemüse oder Hülsenfrüchte wie Bohnen, Linsen oder Tofu und zwei Portionen Obst. Vier Portionen Getreide, Brot, Nudeln, Reis oder Kartoffeln. Jeden Tag drei Portionen an Milchprodukten. Täglich ein bis zwei Esslöffel pflanzliche Öle, Nüsse oder Samen.
Dreimal pro Woche Fleisch, ein bis zwei Portionen Fisch und maximal drei Eier. Nur selten fett-, zucker- oder salzreiche Lebensmittel. Das ist die aktuelle Ernährungsempfehlung in Österreich.
Zu viel tierische Produkte: Die österreichische Ernährungspyramide ist veraltet
Diese Empfehlung wird schon länger kritisiert. Sie enthalte zu viele tierische und damit besonders klimaschädliche Lebensmittel. Das sei nicht mehr zeitgerecht. “Weder gesund noch klima- und naturverträglich”, sagt die Umweltschutzorganisation WWF.
„Wie müssen sich die Empfehlungen der österreichischen Ernährungspyramide verändern, damit wir den Planeten möglichst wenig strapazieren?“ Dieser Frage gingen WWF und Wirtschaftsuniversität Wien (WU Wien) auf den Grund.
Basierend auf dem Konzept der planetaren Grenzen hat die WU Wien einen entsprechenden Vorschlag für eine neue Ernährungspyramide 2.0 ausgearbeitet.
Das Ergebnis: Weniger tierische Produkte. Deswegen werden fünf statt vier Portionen Getreide und Kartoffeln empfohlen. Nur noch einmal pro Woche weißes und maximal alle zwei Wochen rotes Fleisch. Sowie nur einmal pro Tag Milchprodukte – statt dreimal täglich. Außerdem sollen Kaffee, Tee und Kakao nur mehr 1 bis 2 mal statt 3 mal täglich konsumiert werden.
Neue Ernährungspyramide in Deutschland: Weniger tierische, mehr pflanzliche Lebensmittel
Auch die Deutsche Gesellschaft für Ernährung hat die Ernährungsempfehlung dieses Jahr überarbeitet und versucht, Nachhaltigkeit, Umweltbelastung, Gesundheit und die Gewohnheiten zu berücksichtigen.
Deswegen enthält die neue Empfehlung mindestens drei Viertel pflanzliche und maximal ein Viertel tierische Lebensmittel.
Neue Ernährungspyramide in Österreich mit weniger tierischen Lebensmitteln kommt
Auch in Österreich wird die Ernährungsempfehlung aktuell von der ÖGE überarbeitet. Noch dieses Jahr sollen die neuen Ernährungspyramiden als Empfehlung und zur Orientierung vom Bundesministerium für Soziales, Gesundheit, Pflege und Konsumentenschutz veröffentlicht werden.
Omnivore: Wörtlich „Allesfresser“ ernähren sich sowohl von pflanzlichen als auch tierischen Produkten wie Milch und auch Fleisch.
Flexitarisch: Bedeutet, dass die Menschen nur gelegentlich Fleisch essen.
Pescetarisch: Pescetarier:innen essen kein Fleisch, allerdings Fisch sowie Eier und Milchprodukte.
Ovo-Lacto-vegetarisch: Es wird kein Fleisch, aber Eier sowie Milch und Milchprodukte wie Käse konsumiert.
Lacto-Vegetarisch: Es werden keine Eier, aber Milch und Milchprodukte verzehrt.
Vegan: Veganer:innen verzichten möglichst auf jegliche tierischen Produkte.
Generell sollte auch in Österreich der Anteil an tierischen Produkten weniger werden.
Das Schnitzel und Österreich wird es dann immer noch geben. Ersteres im Idealfall aber nicht mehr so häufig. Vielleicht schmeckt es dann umso besser.