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Arbeitswelt

Nach der Lehre: Wenig Jobs und kaum Arbeitslosengeld

Koch und Köchin in einer Industrieküche bereiten etwas zu.

Für junge Menschen, die heuer eine Lehre abgeschlossen haben, gibt es nur wenig Jobs - und wenig Arbeitslosengeld. Was die Politik dringend tun müsste.

Nach der Lehre gestaltet sich der Einstieg in die Arbeitswelt aufgrund der Wirtschaftskrise schwierig. Wer heuer eine Lehre abgeschlossen hat, findet in manchen Branchen wie der Gastronomie nun kaum Jobs, auch das geringe Arbeitslosengeld stellt für viele ein Problem dar.

Hannes hat heuer im Sommer seine Lehre als Kellner beendet. In dem Betrieb, in dem er seine Lehrzeit verbracht hat, konnte er nicht bleiben. Nun ist er arbeitslos. “Ich habe mich nun um ein Praktikum bei einer Firma in der Nähe von meiner Heimatgemeinde beworben, ich hoffe das wird was, denn das Arbeitslosengeld, das ich bekomme, ist ziemlich mickrig,“ erzählt Hannes. Im letzten Lehrjahr verdienen KellnerInnen rund 900 Euro – doch Hannes bekam von seinem Chef freiwillig mehr Lohn: “Denn ihm ist klar, dass das sehr wenig ist und er schätzt meine Arbeit. Bei Feiern komme ich locker auf Arbeitstage von 16 Stunden und ich arbeite schließlich auch am Wochenende.”

Wenig Arbeitslosengeld – da bleibt nur Hotel Mama

Für Lehrlinge gilt, was auch für alle anderen Arbeitslosen gilt: Der Grundbetrag des Arbeitslosengeldes beträgt 55 Prozent des täglichen Nettoeinkommens als Tagsatz. Doch für die Berechnung werden immer die letzten zwölf monatlichen Beitragsgrundlagen herangezogen. Deshalb wird das Arbeitslosengeld von Lehrlingen oft nach dem zweiten und nicht dem dritten Lehrjahr berechnet – was wesentlich niedriger ist. 

Laut den Daten aus dem Vorjahr haben Arbeitslose mit Lehrabschluss im Durchschnitt 942 Euro Arbeitslosengeld pro Monat verdient. Auch gibt es einen Gender-Gap: Männer bekamen im Schnitt 1002 Euro, Frauen 837 Euro.

Und frischbackene LehrabsolventInnen steigen also mit noch wesentlich weniger aus. Die meisten leben aufgrund des mageren Lohns während ihrer Ausbildung ohnehin bei den Eltern.

Doch was, wenn diese keine Unterstützung bieten können?

LehrabsolventInnen können Sozialhilfe oder Mindestsicherung beantragen, sie erhalten dann eine Aufstockung. Doch dies ist an harte Bedingungen geknüpft, so müssen zuvor beispielsweise erst fast alle Ersparnisse aufgebraucht werden.

Keine Karriere trotz Lehre

Hannes ist nicht der einzige, der gerade einen Lehrabschluss in der Tasche hat und keinen Job findet. Ende Oktober waren 9.364 LehrabsolventInnen im Alter von 20 bis 24 Jahre als arbeitslos registriert, weitere 2.337 waren in einer Schulung, sodass insgesamt 11.700 Jugendliche mit Lehrabschluss im Oktober 2020 offiziell arbeitssuchend waren. Doch beim AMS lassen sich nicht alle arbeitslosen LehrabsolventInnen registrieren, also liegt die tatsächliche Zahl wohl noch höher. Sie gehen wohl in die Schattenwirtschaft oder Hilfsarbeiterjobs nach.

Grundsätzlich und vor allem in Krisenzeiten gilt: Je höher die abgeschlossene Ausbildung, desto höher die Chance einen Job zu finden. Wer nur einen Pflichtschulabschluss vorweisen kann, hat die schlechtesten Karten. Doch diesen folgen sogleich Lehrlinge.

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Erfolgsmodell Lehre? Schon vor Corona Stiefkind der Politik

Das Konzept der Lehrausbildung wird gerne international als österreichisches Erfolgsmodell verkauft. Doch dieses hat bisweilen an Glanz verloren, wie Soziologe Johann Bacher erklärt: “Die Lehre war bereits vor der Corona-Krise eine gewisse Baustelle, da ungefähr 63 Prozent nach Lehrabschluss eine Stelle suchen mussten.” 

Und viele Jugendliche finden erst gar keine Lehrstellen: Schon vor Corona gab es viel zu wenig Angebote, nun wird befürchtet, dass aufgrund der Krise nochmals 10.000 Lehrstellen wegfallen.

Es gibt große Branchenunterschiede, ob Lehrlinge nach ihrem Abschluss in einem Betrieb bleiben können. Schon vor Corona konnten etwa nur rund 16 Prozent der Gastro-Lehrlinge in dem Betrieb bleiben, in dem sie ihre Ausbildung durchlaufen haben. Rund die Hälfte wechselte nach wenigen Jahren überhaupt die Branche.

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Viele wollen oder müssen nach der Lehre Branche wechseln

Auch Hannes möchte nicht in der Gastronomie bleiben. Der 18-Jährige, der noch bei seinen Eltern lebt, muss im Dezember zur Musterung antreten und wird wohl nächstes Jahr zum Bundesheer einrücken. “Wenn ich das beendet habe, ist diese Krise hoffentlich vorbei. Und währenddessen überlege ich, was ich danach machen möchte“, so Hannes. Denn ein Bruttogehalt von 1.300 Euro für einen Knochenjob, der auch noch an den Wochenenden ausgeübt wird, ist einfach nicht attraktiv.

Doch aufgrund der Corona-Krise finden auch viele LehrabsolventInnen keinen Job, die gerne in der Branche bleiben würden. Im besten Fall finden sie eine Arbeit, die mit ihrer Ausbildung nichts zu tun hat, im schlimmsten Fall sind sie arbeitslos. Statistisch gesehen waren bereits vor Corona rund 10 Prozent der Lehrlinge 18 Monate nach Abschluss arbeitslos, rund 5 Prozent davon in Umschulungen oder Ausbildungen.

Die Kluft zwischen Ausbildung und Angebot am Jobmarkt klafft weit auseinander. Hier müsste im Schulsystem angesetzt werden, wie Wirtschaftswissenschaftler Dennis Tamesberger erklärt: “Ein Knackpunkt ist bestimmt, dass SchülerInnen bereits mit 14 Jahren entscheiden müssen, ob sie eine Lehre beginnen oder in eine höhere Bildungseinrichtung weitergehen. Das ist zu früh.”

Politik kümmert sich nicht um Lehrlinge

Aufgrund der generell hohen Jugendarbeitslosigkeit droht eine verlorene Generation. Schon lange fordern ExpertInnen Maßnahmen zur Verbesserung der Situation junger ArbeitnehmerInnen. Bisher erfolglos. Noch unter der türkis-blauen Vorgängerregierung gab es einen Kahlschlag bei Jugendarbeitsprojekten und der überbetrieblichen Lehre – was sich in der Krise rächt. 

Tanja Wehsely, Geschäftsführerin der Volkshilfe Wien, hat innovative Vorschläge: “Nach der Gesundheitskrise geht die Wirtschaftskrise weiter. Sie wird uns noch ein paar Jahre begleiten. Und es muss einfach mehr getan werden, um jungen Menschen Jobs zu verschaffen, oder ihnen Ausbildungsmöglichkeiten zu bieten. Diese Krise wird uns viel Geld kosten, also lieber gleich jetzt investieren.” Ihre Vorschläge: Mehr öffentliche Jobs in Städten und Gemeinden, Stipendien für Meisterausbildungen, oder die nun leerstehenden Hotelküchen für Zusatzausbildungen in der Gastronomie nutzen.

Die Volkshilfe bietet österreichweit zahlreiche Jugendarbeitsprojekte an. Arbeitslose LehrabsolventInnen bekommen etwa vorübergehend Jobs in sozioökonomischen Einrichtungen wie den Shops der Volkshilfe angeboten. Denn für sie ist wichtig, dass sie ihr eigenes Geld verdienen. “Denn so bezahlen sie auch wieder ins System ein, sind unabhängig und müssen keine Existenzängste haben”, erklärt Wehsely.

Frühe Arbeitslosigkeit verursacht Narben, die ein Leben lang bleiben

Die Forschung zeigt, dass Arbeitslosigkeit von sechs Monaten für Jugendliche weitreichende negativen Folgen hat. Ihr gesamtes Leben haben sie ein höheres Risiko, ihren Job zu verlieren. Haben sie eine Anstellung, verdienen sie relativ gesehen weniger als andere und ihr Gesundheitszustand ist generell schlechter. Und das hat auch Folgen für die Volkswirtschaft, denn wer nicht arbeitet oder nur wenig verdient, bezahlt auch keine oder kaum Steuern.

Auch die Psyche leidet bei Arbeitslosigkeit besonders, was hohe Gesundheitskosten nach sich ziehen kann. “So wie in dieser Krise die älteren Menschen die Risikogruppe in der körperlichen Gesundheit sind, so stellen die Jugendlichen die Risikogruppe für die psychische Gesundheit dar”, beschreibt Tanja Wehsely die besondere Situation junger Menschen.

 

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