Protest in Linz zum Black Friday: „Sie sollen sehen, dass wir mehr sind!“
Zur Paradise City, where the grass is green wollte Axl Rose schon vor fast 40 Jahren gebracht werden. Vom Paradies sind die Handelsangestellten hier in Linz weit weg, grünes Gras sucht man aktuell auch vergebens. Dort wollen sie aber auch gar nicht hin. Ihre Forderungen sind um einiges banaler: Ihnen reicht es schon, fair behandelt zu werden.
Die Verhandler:innen für den Handels-Kollektivvertrag wollten ursprünglich ein Gehaltsplus von 4,3 Prozent, mittlerweile haben sie das auf 3,9 Prozent verringert. Die Arbeitgeberseite beharrt auf 3,1 Prozent, dafür bietet man für 2026 einen automatischen Gehaltsabschluss von einem halben Prozentpunkt über der Inflation an. Allerdings auch nur, wenn die unter 2 Prozent liegt.
Handels-KV: Alle Jahre wieder
Während das Lied von der Bühne dröhnt, sammeln sich davor rund 350 Protestierende. Streik ist es noch keiner. Darauf deuten auch Tag und Uhrzeit hin – am Freitag um ein Uhr am Nachmittag hat man auch keine Massen in Linz erwartet. Darum geht es aber nicht: Man wolle erstmal ein Zeichen setzen und sichtbar sein, sagen uns Protestierende: “Es geht auch darum, zu sehen, dass wir mehr sind.” Die Verhandlungen gehen nämlich bald weiter. Das aktuelle Angebot sei aber auf jeden Fall inakzeptabel, so Veronika Arnost von der GPA: “Es bedeutet einen Reallohnverlust”.
Vermutlich wäre an diesem Tag “Alle Jahre wieder” ein passenderes Protestlied gewesen. Der Kampf um faire Löhne muss immer wieder aufs Neue geführt werden. Wir erinnern uns: Vergangenes Jahr waren die – nicht nur im Handel – besonders zäh. Die Rekordinflation hat für entsprechende Lohnforderungen gesorgt. Die Arbeitgeber legten sich lange quer, im Handel bot man eine Erhöhung um lächerliche 5 Prozent an – bei Preissteigerungen von über 9 Prozent.
Protest in Linz: Arbeitskampf wirkt
Für Österreich unüblich folgten darauf zumindest Warnstreiks. Und der Arbeitskampf zeigte Wirkung. Nach sieben Runden konnte man sich schließlich einigen. Durchschnittlich wurden die Löhne um 8,43 Prozent erhöht. Akzeptabel, aber immer noch unter der Inflation.
Dieses Jahr solle zumindest die rollierende Inflation von 3,8 Prozent ausgeglichen werden. Arbeitgeber:innen halten dagegen, dass die wirtschaftliche Situation in Österreich aktuell sehr schlecht sei. Da müssten eben alle den Gürtel enger schnallen. Mit diesem Argument haben sie die vierte Verhandlungsrunde abgebrochen.
Eine der Protestierenden muss darüber schmunzeln: “Es ist jedes Jahr dasselbe Spiel. Im Frühling und Sommer hören wir nichts davon, pünktlich zu den Kollektivvertragsverhandlungen geht es plötzlich allen Unternehmen wirtschaftlich so schlecht.” Dass dieses Jahr die Situation tatsächlich nicht die rosigste ist, darüber sind sich aber auch hier alle einig.
Das zeige etwa die Insolvenz von KTM. “Zu verantworten hat das die Person, die uns immer die Wirtschaft und Industrie erklärt hat. Wer sind jetzt die Leidtragenden? Die kleinen Leute”, heißt es auf der Bühne. Der Verantwortliche, das ist KTM-Chef Stefan Pierer. Der machte in den vergangenen Jahren immer wieder mit Aussagen zur “Leistungsgesellschaft”, Spenden an die ÖVP, hohen Corona-Förderungen und hohen Dividenden-Auszahlungen auf sich aufmerksam. Jetzt bangen 3.670 Menschen um ihre Jobs.
Black Friday: Die harten Wochen stehen bevor
Die Protestaktion in Linz läutet gleichzeitig die anstrengendste Zeit für die Handelsangestellten ein. Vom Black Friday bis zu Weihnachten klingeln die Kassen der Geschäfte. Für die Beschäftigten hingegen ist die Zeit extrem belastend, wie uns eine Angestellte erzählt hat. Beschimpfungen seien üblich, viele würden einen als Menschen zweiter Klasse sehen. Sie fordert von Kund:innen und Arbeitgeber:innen mehr Respekt ein – wenn nötig, auch mit Streiks.
Der Protest in Linz war erstmals nur ein einstündiger Warnschuss. Am 30. November folgt ein weiterer Protest in Wien, mittlerweile ist auch die nächste Verhandlungsrunde fixiert: Am 3. Dezember. Die Protestierenden in Linz strahlen Zuversicht aus, dass man sich noch einigt. Aber sie betonen in Gesprächen mit MOMENT.at auch, dass sie bereit zu weiteren Störaktionen seien. Mit Streiks und dem Druck, den man damit aufbauen kann, hat man mittlerweile ja etwas mehr Erfahrung.
Dabei sollte die gar nicht notwendig sein. Es geht um Respekt, Wertschätzung und darum, dass sich die Menschen das Leben halbwegs leisten können. Gerade im Handel reichen die Löhne und Gehälter dafür oft nicht aus. Und dass die Welt so ist, wie sie ist, daran sind die Beschäftigten im Handel nicht schuld. Das haben auch schon “Die Ärzte” gewusst – und tönen den Protestierenden deswegen auch in Linz entgegen.