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Demokratie
Kapitalismus
Ungleichheit

Die Kampagne gegen die staatliche Pension  

Die Kampagne gegen die staatliche Pension  
Seit Jahren wird eine Kampagne gegen staatliche Pensionen betrieben. Banken und private Konzerne hoffen auf Gewinne. Die Thinktanks und neoliberale Parteien wie ÖVP und Neos, die sie finanzieren, eilen ihnen zu Seite. Linientreue Ökonom:innen spielen mit. Eine kommentierte Chronologie.

Im Hintergrund ziehen zwei Gruppen die Fäden. Einerseits die Banken und Versicherungen. Sie erhoffen sich von der Angst um die eigene Pension zusätzliches Geschäft. Denn private Pensionen wie Lebensversicherungen oder betriebliche Pensionen muss man bei ihnen abschließen. Darauf fallen Provisionen an. Das verspricht höhere Gewinne, sodass die Kassen klingeln.  

Organisiert wird die Kampagne andererseits von der Industriellenvereinigung und der Wirtschaftskammer. Sie wollen kräftige Steuersenkungen für ihre Klientel, reiche Unternehmensbesitzer. Das geht sich nur aus, wenn die Pensionen gekürzt werden. Kräftige Unterstützung gibt es von den Unternehmerparteien ÖVP und Neos, sowie von Wirtschaftsforschern, die der ÖVP und dem Wirtschaftsbund ihre Spitzenpositionen zu verdanken haben. Gemeinsam wollen sie dem staatlichen Pensionssystem an den Kragen gehen.  

Für die heimischen Pensionen wird das gefährlich. Die gesetzlichen Pensionen in Österreich sind eine Erfolgsgeschichte. Sie sind im internationalen Vergleich ausreichend hoch und bleiben das in den kommenden Jahrzehnten auch. Doch der Zeitpunkt für eine Kampagne dagegen ist günstig. Weil die geburtenstarken Babyboomer nun in Pension gehen, steigen die Kosten im Pensionssystem vorübergehend an.

Nun könnte man gemeinsam konstruktiv darüber diskutieren, wie man das am besten finanziert und ob es sinnvolle Weiterentwicklungen des Pensionssystems braucht. Etwa, in dem sich die Sozialpartner zusammensetzen. Welche Maßnahmen für alle machbar wären, für Unternehmer:innen, Arbeitnehmer:innen, und das staatliche Budget. Doch die Gelegenheit, die staatlichen Pensionen sturmreif zu schießen, ist zu günstig, um sie auszulassen. Deshalb wird auf Teufel komm raus skandalisiert. 

Chronologie einer Kampagne 

Oktober 2023

Die Vorhut reitet aus. Agenda Austria Chef Schellhorn und IHS-Chef Bonin fordern, dass wir bis 67 Jahre arbeiten müssen. Sie beginnen, den Diskurs zu verschieben. Das Ziel: Es soll als normal angesehen werden, dass man erst mit 67 Jahren in Pension gehen darf. Anschließend soll die Politik handeln. Wer sind die beiden? Franz Schellhorn ist Chef der „Denkfabrik für Millionäre“ Agenda Austria. In letzter Zeit sponsern besonders Banken die Gehälter seiner Denkfabrik, an der Zahl 7. Holger Bonin wiederum ist Chef des Instituts für Höhere Studien. Im Kuratorium, das ihm diese Spitzenposition gegeben hat, sitzen kaum Wissenschafter. Dafür umso mehr (ehemalige) Funktionäre der ÖVP. Ein ehemaliger EU-Kommissar, eine ehemalige Nationalratsabgeordnete. Daneben weisungsabhängige Beamte aus ÖVP-geführten Ministerien, ein ehemaliger Uni-Rektor (auf ÖVP-Ticket) und Aufsichtsratsvorsitzender der ERSTE Bank, eine Behördenleiterin (ÖVP-Ticket). Kein Wunder, dass ausschließlich stramm Wirtschaftsliberale ans IHS befördert werden. Beide Wirtschaftsforscher setzen fast immer eine unternehmerfreundliche Brille auf. So auch beim Pensionsantrittsalter oder wenn es darum geht, Lohn- und Pensionserhöhungen zu kritisieren. Denn jeden Euro, den die Arbeitnehmer mehr für ihre Arbeit erhalten, senkt den Gewinn der Unternehmen.  

Wenige Tage später kommt wie jedes Jahr der Veteran unter den Kämpfern für Privatpensionen, der Mercer Index. Mercer ist eine Beratungsagentur, die „Lösungen für betriebliche Pensionen“ verkauft. In einer Rangliste vergleicht sie Pensionssysteme. „Zufälligwählt sie die Kriterien genau so aus, dass immer die gleichen Länder vorne im Ranking stehen. Und das sind die mit vielen Privatpensionen, die an internationalen Finanzmärkten angelegt werden – mit kräftigen Gewinnen für die Finanzindustrie. Ganz hinten liegen in der Liste jene Länder mit starken öffentlichen Pensionen – so wie Österreich.

September 2024

Einige Wochen vor der nächsten Mercer-Ausgabe schlagen die zwei Ritter der Bankenrunde zu. Ein Ex-Banker und Ex-ÖVP-Politiker, Andreas Treichl, sowie der ehemalige ÖVP-Finanzminister und heutige Versicherungschef Hartwig Löger beauftragten eine Studie bei ECO-Austria. Die baute – etwas anders, aber im Prinzip gleich – einen Mercer Index nach. Auch in dieser Bewertung der Pensionssysteme liegt Österreich – „Überraschung“ – schlecht. Mehr private Pensionen müssen her, lautete die Diagnose.  

Zum Hintergrund: ECO Austria macht Auftragsstudien. Zumeist für Ministerien (meist mit ÖVP-Ministern), für die Wirtschaftskammer oder die Industriellenvereinigung. Von letzterer wurde das Institut auch gegründet. Beide sitzen zudem im gleichen Gebäude – dem „Haus der Industrie“ am Schwarzenbergplatz in Wien. Das Ergebnis der Studie ist wenig überraschend recht genehm. 

Dezember 2024

Der ÖVP-nahe Verein „Aktion Generationengerechtigkeit“ meldet sich nach langer Abwesenheit zu Wort. Wenig innovativ, dafür umso effektiver beauftragt er – es ist leicht zu erraten – eine Studie. Thema: Pensionsreformen. Den wissenschaftlichen Steigbügelhalter durfte diesmal das WIFO spielen. Der langjährige Experte für Versicherungen und Banken am WIFO, Thomas Url, schreibt in der Studie über Pensionsreformen anderer Länder. Österreich müsse nachziehen.  

Professionell organisiert wird dazu eine Podiumsdiskussion und ein Pressegespräch. Dort sitzen die üblichen ausgewählten Verdächtigen – ECO-Austria Chefin Monika Köppl-Turyna und Agenda Austria-Chef Franz Schellhorn, denen ausreichende staatliche Pensionen schon lange ein Dorn im Auge sind. Doch WIFO-Chef Felbermayr ist das Tüpfelchen auf dem i. Er ist ein verdienter Wissenschafter. Den meisten Medien in Österreich gilt er als unabhängiger Wirtschaftsforscher, weil er ab und zu die Regierung kritisiert. In entscheidenden Fragen – Stichwort Bankensteuer – ist er aber auf Linie.  

Seine Spitzenposition am WIFO verdankt er dem ÖVP-Politiker Harald Mahrer, der sich für ihn einsetzte. Der ist in einem seiner vielen Zweitjobs Präsident des WIFO, im eigentlichen Job jedoch Präsident der Wirtschaftskammer. Zu der gehören auch die einflussreichen Banken, darunter Raiffeisen.  

Es wundert wenig, dass Felbermayr auch beim Thema Privatpensionen – ein Kerninteresse für Banken – firm auf der Seite der Banken und Versicherungen steht. Er tut mehr als das – er treibt die Debatte aktiv voran. Er ist ein Schlüsselspieler, denn er verleiht der Agenda damit die Glaubwürdigkeit, die sie sonst nur eingeschränkt hätte. Im Dezember forderte er nicht nur Arbeiten bis 67. Er forderte auch, dass die Pensionserhöhungen die vergangene Teuerung nicht mehr vollständig ausgleichen dürfen. Das kommt einer Entwertung der Kaufkraft der Pension gleich. Privatpensionen aber müssten gleichzeitig ausgebaut werden. 

3. Jänner 2025

Die Gespräche für eine Dreierkoalition aus ÖVP, SPÖ und Neos scheitern. Einer der Knackpunkte, der für Blau-Schwarz den Weg ebnet: Man ist sich bei den Pensionen nicht einig. Die Neos geben noch Wochen später der SPÖ die Schuld, weil sie das Pensionsantrittsalter 67 nicht akzeptieren wollte. Die ÖVP dementsprechend offenbar also schon. Dabei hatten weder Neos noch ÖVP das im offiziellen Wahlprogramm stehen (die Neos es nur in Interviews gesagt) – die ÖVP hatte hingegen im Wahljahr sogar versprochen, die Pensionen nicht zu senken (der Agenda Austria gefiel das gar nicht).

Als eine der ersten Maßnahmen diskutieren dann auch ÖVP und FPÖ laut Medienberichten die Kürzung der Pensionen – eingeklatscht von Medien, die sich wiederum auch auf WIFO-Chef Felbermayr berufen. Schlussendlich ist so etwas aber (zumindest unter den ersten verkündeten Maßnahmen) dann doch nicht dabei. Ob damit das letzte Wort gesprochen ist, bleibt abzuwarten. Für die Budgets der kommenden Jahre, denen Milliarden fehlen, wäre durch die langfristig wirkenden Pensionskürzungen schließlich wenig zu holen. 

8. Jänner 2025

Das bekannte Studien-Spiel noch einmal. Wieder eine Lobbyorganisation, wieder eine Studie. Diesmal beauftragt der Fachverband der Pensionskassen. Ihr Obmann ist im „Nebenjob“ ÖVP-Nationalratsabgeordneter. Die überbetrieblichen Pensionskassen wollen ihr Geschäft ausbauen, alle in Österreich zu Betriebspensionen verpflichten. Kontoführungsgebühren und Provisionen inklusive. Das WIFO wiederum verdient an den Studien zum Thema. Der langjährige Pensionsexperte Thomas Url schreibt Studie um Studie, Felbermayr verkauft diese dann im teuren Café Landtmann – wo eine Melange 6,90 Euro kostet. Für viele Normalbürger unerschwinglich.

Man sinniert bei der Pressekonferenz darüber, ob nicht ein Lohnverzicht der Arbeitnehmer die Betriebspensionen bezahlen könnte. Dass den gesetzlichen Sozialversicherungen damit knapp eine Milliarde Euro an Geld fehlen würde, fällt weiter nicht auf. Weder den anwesenden Journalisten, die das Gesagte unhinterfragt übernehmen, noch den Vortragenden. Auch so kann man die gesetzliche Pensionsversicherung finanziell unter Druck setzen.  

Trotz kommenden Sparpaketen solle Steuergeld für die „Förderung“ der Betriebspensionen fließen, weitere 320 Millionen Euro, möchte der Pensionskassen-Chef. Der Wifo-Chef stimmt zu, und die Studie rechnet das brav durch. Doch jeder der Euros wäre im staatlichen Pensionssystem besser aufgehoben, und wird dort auch gebraucht. 

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    Kommentare 7 Kommentare
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  • Michi
    27.01.2025
    Kann dem Autor/der Autorin nur zustimmen. Ohne viel vom Hintergrund zu wissen, ist an allen Vorschlägen von ÖVP und NEOS abzulesen, dass da was anders dahintersteckt als nur der "gute Wille". Eine Verhöhnung eines jeden der auf das öffentliche System vertraut. "Wir sichern das Pensionssystem" - mit Betriebspensionen - die darfst du dir selber einzahlen. Eine Verlagerung des Problems auf künftige Generationen, denn am Anfang muss ja nichts ausbezahlt werden. Und verdienen wollen die Banken ja auch was. An der betrieblichen Vorsorgekasse kann ich ablesen welche Rendite meine Einzahlungen bis jetzt am Kapitalmarkt gemacht haben: 0% Es greift zum Glück die Kapitalgarantie, aber das heißt ich bekomm derzeit nicht mehr als eingezahlt wurde! Die Zuschüsse zu unserem Pensionssystem kann man auch anders verringern, von mir aus mit einer langfristigen Anhebung des Pensionsalters. Aber das was da kurz kolportiert wurde, die Aufwertung des Pensionskontos auszusetzen ist klassischer Pensionsraub ("Rentenklau") und eine Aufforderung zum auf die Straße gehen.
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  • Gerald
    21.01.2025
    Folgende Grundsätze bei einer Diskussion darüber: 1) Aktienmarkt steigt historisch. Finanzmarktkrise und andere Krisen sind im Chart kaum wahrnehmbar. Somit sind diese "Krisen" kein Gegenargument, weil sie langfristig keine sind! 2) Pensionen, die ausgezahlt werden, werden natürlich nicht am Aktienmarkt angelegt. Was hätte das für einen Sinn? 3) Pensionen, die in 5-10 Jahren ausgezahlt werden, werden nicht am Aktienmarkt angelegt sondern in risikoärmere Instrumente rolliert. Somit bleibt die Frage, wie dies mit dem bestehenden Umlagesystem vereinbar und realisierbar wäre.
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  • Stephan
    21.01.2025
    Den wichtigsten Punkt vermisse ich in diesem Artikel. Die Lebenserwartung korreliert mit nichts so stark - nein auch nicht mit dem Rauchen - wie mit dem sozioökonomischen Status der Menschen. Setzt man daher das Antrittsalter für Pensionen von 65 auf 67 Jahre schafft man eine enorme Umverteilung von unten nach oben.
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  • devil
    19.01.2025
    Pensionsreform/Pensionshöhe/Pensionsanpassung Ich meine den Institutionen ist vor allem eins Dorn im Auge: Die laufende Wert/Inflationsanpassung! Das ist für Rentner immens wichtig und das bietet keine der angebotenen Veranlagerungsformen. Man sehe sich nur die mickrigen Erfolge de Pensionkassen an. Nicht nur die Kaufkraft der Zusatzpensionen sinkt laufend, sogar die nomnalen Auszahlungen! Altersvorsorgen sollen nur zugelassen werden wenn sie einen Kaufkraftausgleich garantieren - alles Andere ismeiner Meinung nach leztlch ein schleichender Diebstahl an Lebensleistung.... Entfall Klimabonus und ähnlich breit angelegte Einsparungen Man bedenke: Das Meiste geht/ging davon in den privaten Konsum. Dort hat es MWSt, Verbrauchssteuern Gebühren und Abgaben eingebracht. Bei gut zweimalgem Geldumlauf könnte das gern 50 % sein! Kürzt man die Ausgaben z.B. um 2 Mrd so entfällt 1 Mrd auf der Einnahmenseite! Das Budgeloch wrd damit nur um 1 Mrd verkleinert! Zusätzlich sinkt das BIP ein wenig. Einsparungen sollten daher nicht den Kleinkonsum beteffen sondern mehr das stabielere "Vermögensnetzwerk" ausserhalb des kurzfristgen Geldkreslaufs. Noch etwas:, was die guten Tips zu zweiten Säulen u.ä. betrifft: Warum nutzen das nicht die Fnanzministeren selber? Mit der immer wieder betonten wundersamen Geldvermehrung könnte man Steuern reduzieren bis abschaffen ;-) ... Bürger sollen besser nicht zu Zocker werden müssen!
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  • Olga Reinhardt
    19.01.2025
    Interessanter Beitrag über die staatlichen Pensionen! Es ist immer wichtig zu sehen, wie solche Themen unser tägliches Leben beeinflussen. Aber ich frage mich, ob es Vorschläge gibt, um das System zu verbessern, ohne die Menschen finanziell noch mehr zu belasten? Freue mich auf Ihren nächsten Artikel! Alles Gute.
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  • frizzdog
    17.01.2025
    3-säulen-modell und die patientenmilliarde - scheint ein steckenpferd von freiheitlicher regierungsbeteiligung zu sein! (a la 2001 ff...)
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  • frizzdog
    17.01.2025
    wie wir gestern im TV "so zwischen den zeilen erfahren" durften, sopllen die krankenkassenbeiträge aller pensionen erhöht werden - offenbar eine logische konsequenz der "senkung der lohnnebenkosten"???
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