Muttermalkontrolle auf Kassa gefährdet: Wird die Hautkrebsvorsorge in Wien bald zur Privatleistung?

Vor wenigen Tagen besuchte T. seine Hautärztin zur jährlichen Muttermal-Kontrolle. “Ah, Sie kommen noch einmal, bevor es etwas kostet?”, sagte diese. T. war überrascht. Der Zeitpunkt seines Besuchs war reiner Zufall. Bei ihm in Wien war die Muttermal-Kontrolle bzw. Hautkrebs-Vorsorge bisher immer eine Kassenleistung. Dass die Vorsorge bald etwas kosten wird, hatte er noch nicht gehört. 60 bis 100 Euro würde das wohl ab April kosten, erklärte die Ärztin. Beim Googlen daheim fand T. dazu keine Informationen. Er erzählte es einer Bekannten, die zufällig ebenfalls kurz darauf zur Kontrolle in einer anderen Ordination angemeldet war. Sie fragte ihre Ärztin danach. Und die bestätigte ihr die Information, zeigte ihr dazu sogar eine Chatgruppe, in der zahlreiche Hautärzt:innen das Thema der Muttermal-Kontrolle auf Kassa gerade diskutieren.
Die beiden traten mit dieser Information an die Redaktion von MOMENT.at heran. Zwei Mediziner:innen berichten ihren Patient:innen unabhängig voneinander, dass die Österreichische Gesundheitskasse (ÖGK) die Kosten für Ganzkörper-Vorsorge-Muttermal-Kontrollen ab 1. April 2025 nicht mehr übernehmen werde. Die Öffentlichkeit weiß davon aber noch nichts. Was ist da los?
Unsere Recherchen zeigen: Beschlossen ist offenbar noch nichts, aber die Hautkrebsvorsorge in Wien steht zumindest auf wackeligen Beinen.
Muttermalkontrolle nicht mehr auf Kassa? Das sagen ÖGK und Ärztekammer
Hintergrund ist die Bezahlung. Die Hautärzt:innen wollen mehr Geld für die Leistung. Ärzt:innen erzählen, sie bekommen von der Kassa derzeit 9 Euro für die grundlegende Kontrolle. Privat könnten sie die Vorsorge bis zu dreistellig verrechnen. Die privaten Preise kann sich aber natürlich bei weitem nicht jede:r so einfach leisten und wären auch für die Kasse ein größerer Brocken. Das ist ein üblicher Interessenskonflikt zwischen Versorgung der Allgemeinheit und Bezahlung von Kassenärzt:innen.
Die ÖGK schreibt auf Nachfrage, dass in Wien ihrerseits “keine Änderungen der bestehenden Abrechnungsregelungen geplant” sind. Dass sie keine Verschlechterung von sich aus „plant“, ist allerdings wenig überraschend. Allerdings: Auch von Seiten der Ärztekammer Wien habe die ÖGK “bis dato keine Vorschläge” zu einer Änderung erhalten.
Die Ärztekammer selbst bestätigt die Information auf Nachfrage nicht. Auch hier ist die Wortwahl der Stellungnahme interessant. Denn sie verneint es auch nicht. Es könne “zum aktuellen Zeitpunkt nicht bestätigt werden”, dass ab 1. April 2025 die Vorsorge-Muttermal-Ganzkörperkontrolle bei Dermatolog:innen zu einer Privatleistung wird. Das ist ebenfalls nicht überraschend – sonst müsste es auch die ÖGK bereits bestätigen. Aber: Man werde das durch die Bundesfachgruppe prüfen und ein Ergebnis kommunizieren, sobald es vorliegt. Das heißt: Es wird offenbar wirklich darüber gesprochen
Früherkennung bei Hautkrebs ist Trumpf
Die Vorsorge zu schwächen könnte aber sowohl den Patient:innen als auch dem Gesundheitssystem teuer zu stehen kommen. Hautkrebs ist eine der häufigsten Krebsarten in Österreich. Alleine im Jahr 2022 wurden der ÖGK mehr als 2.800 neue Diagnosen von Hautkrebs gemeldet. Je später eine Krebserkrankung gefunden und behandelt werden muss, desto gefährlicher kann sie sein – und desto teurer die Behandlung. Diese Kosten tragen dann aber wiederum nicht die Ärzt:innen, sondern die Kassa. Das ist für viele Menschen überlebenswichtig.
Das “bösartige Melanom”, also der schwarze Hautkrebs, betrifft rund die Hälfte aller Patient:innen. Der sogenannte weiße Hautkrebs bildet seltener Metastasen, kann aber dennoch schwerwiegende gesundheitliche Folgen haben.
Unterschiede bei Vorsorge in den Bundesländern
In manchen Bundesländern ist die Vorsorge-Muttermal-Ganzkörperkontrolle bereits eine Privatleistung. So gibt es in der Steiermark zwar die Möglichkeit, sich auf Kosten der Gesundheitskasse einzelne auffällige Muttermale untersuchen zu lassen, eine ganzumfängliche Vorsorgekontrolle aller Muttermale wird allerdings nicht übernommen und muss privat bezahlt werden. Das ist auch in Tirol der Fall, wo für die Privatleistung rund 50 Euro anfallen, erfährt MOMENT.at auf Nachfrage bei den Kontaktstellen der Bundesländer.
Die effektivste Methode, im Kampf gegen Krebs ist aber die frühzeitige Erkennung durch ein engmaschiges Vorsorgenetz. Eine 2023 von MSD Österreich beauftragte Studie zeigt, dass es in Österreich zwar ein hohes Bewusstsein für die Relevanz von Krebsvorsorge gibt, in Anspruch genommen wird sie aber zu selten. Die Früherkennung hänge in erster Linie von privater Initiative ab. Bei Menschen, die zum Hautarzt gehen, funktioniere sie also sehr gut.
Ausbau statt Abbau der Vorsorge
Was es bräuchte, wären aber “umfassende strukturelle Maßnahmen von öffentlicher Hand”, wie Christoph Höller, Dermatologe und Koordinator des Hauttumorzentrums des Comprehensive Cancer Center (CCC) der Med-Uni Wien an der Klinik für Dermatologie erklärt. Für ihn wäre hinsichtlich der kontinuierlich steigenden Fallzahlen ein Ausbau der Vorsorge “wirklich wünschenswert”. Denn gerade bei Hautkrebs wäre Früherkennung mit relativ einfachen Mitteln möglich.
Auch die ÖGK ist sich der hohen Heilungschancen bei frühzeitiger Erkennung von Hautkrebs bewusst und empfiehlt auf ihrer Website neben einer regelmäßigen Selbstkontrolle “eine hautärztliche Vorsorgeuntersuchung pro Jahr”. Umso problematischer wäre es, die kostenlose Vorsorgeleistung zu privatisieren. Das könnte Menschen im schlimmsten Fall von einer regelmäßigen Untersuchung abhalten.
Kampf der UV-Strahlung
UV-Strahlung ist ein Hauptrisikofaktor für Hautkrebs. Sie kann Hautzellen und das darin liegende Erbgut schädigen. Zwar hat unsere Haut Selbstheilungskräfte, doch haben wir zum Beispiel einen Sonnenbrand, können nicht alle Schäden immer repariert werden. Über längere Zeit kann sich in dem betroffenen Gewebe dann Hautkrebs entwickeln oder zumindest das Risiko erhöhen.Von April bis September ist es in Österreich besonders hoch – besonders in den Bergen. Die Klimakrise wird das künftig noch verschärfen und die UV-Belastung der Bevölkerung auf unterschiedliche Weise erhöhen.
Vorsorge im Alltag ist daher besser als Nachsicht. Einfachster und effektivster Tipp für den Schutz an sonnigen Tagen: im Schatten bleiben und genügend Wasser trinken. Das ist natürlich nicht immer möglich oder gewollt. Deswegen ist, abgesehen davon, Sonnencreme wichtig für den Schutz vor UV-Strahlen. Unabhängig vom Hauttyp sollte sie auch im Schatten oder an bewölkten Tagen großzügig benutzt werden.
Auch wenn man sich im Alltag gut vor UV-Strahlen schützen oder verstecken kann: eine regelmäßige Vorsorge-Ganzkörper-Muttermalkontrolle ist essentiell im Kampf gegen Hautkrebs. Österreich ist bei der medizinischen Vorsorge in vielen Bereichen schlecht. Statt sie nun auch Hautarzt-Patient:innen in Wien zu erschweren, müsste sie österreichweit ausgebaut werden.