Wer weniger arbeitet, schützt das Klima
Weniger arbeiten macht glücklicher! Das zeigen Studien und leben Betriebe vor, in denen Angestellte nur noch 30 Stunden in der Woche arbeiten. Aber nicht nur das: Vom Dogma wegzukommen, dass wir alle in sogenannter Vollzeit 40 Stunden oder mehr in der Woche arbeiten sollen, kann helfen, die Klimakrise zu bekämpfen. Mehr noch: ForscherInnen sagen, dass es irgendwann sogar unabdingbar sein könnte, die Arbeit zu reduzieren, wenn wir unseren Planeten retten wollen.
„Eine Einschränkung wirtschaftlicher Aktivitäten könnte in Zukunft notwendig werden“, sagt Philipp Frey vom Institut für Technikfolgenabschätzung und Systemanalyse im deutschen Karlsruhe zu MOMENT. Er legte in diesem Jahr eine Studie vor, in der er für zahlreiche Länder berechnete, wie viele Stunden die Menschen arbeiten dürften, damit ihr Land klimaneutral wäre. Soviel sei gesagt: Wir hätten plötzlich verdammt viel Freizeit!
Denn jede Fahrt zum Arbeitsplatz verursacht CO2, ebenso Waren herzustellen oder am Computer im Büro bei aufgedrehter Klimaanlage zu sitzen. Wer stattdessen Freizeit habe, der erzeuge signifikant weniger Treibhausgase, kalkuliert der Forscher. In Österreich wäre „eine 6,5-Stunden-Woche innerhalb des CO2-Budgets noch möglich“, sagt Frey.
Das Budget meint hier die Menge an CO2, die jede Person auf der Welt jährlich verursachen darf, damit das große Ziel, die Erderwärmung auf 2 Grad zu begrenzen, erreicht werden kann. Das sind laut ForscherInnen jährlich 1.610 Kilogramm CO2. Ein Wert, den man übrigens schon mit einem Flug von Wien über Frankfurt nach New York weit übertrifft.
Wenn wir soviel Freizeit haben, wer unterrichtet dann unsere Kinder?
Der Haken: Von jetzt auf gleich nur noch 6,5 Stunden pro Woche zu arbeiten, macht das Leben, wie wir es kennen, unmöglich. Lebensmittel würden knapp, die Müllabfuhr käme wohl nicht mehr wöchentlich. Und wer fährt dann eigentlich unsere Straßenbahnen und unterrichtet unsere Kinder?
„Eine radikale Verkürzung der Arbeitszeit auf 10 Stunden die Woche oder weniger wäre ein kultureller wie ökonomischer Schock“, sagt auch Frey. „Das könnte eine ganze Reihe von Problemen nach sich ziehen.“ Mit seiner Studie möchte er vielmehr einen Denkanstoß geben. „Schon eine moderat kürzere Arbeitszeit, beispielsweise im Rahmen einer Vier-Tage-Woche, könnte einen wichtigen Beitrag zu einer nachhaltigeren Wirtschaft leisten”, so Frey.
Für seine Berechnungen betrachtete Frey die Zahlen darüber, wie viel Treibhausgase in den einzelnen Ländern der OECD ausgestoßen werden, um einen Dollar des BIP zu erzeugen. Daneben schaute er sich an, wie viele Stunden die Menschen in Deutschland, Großbritannien, Schweden und anderen Staaten der OECD tatsächlich pro Woche arbeiten und errechnete daraus, wie viel wir arbeiten „dürften“.
In einigen anderen Ländern könnten die Menschen demnach mehr arbeiten als in Österreich: In Großbritannien wären es im Schnitt 9 Stunden in der Woche, in Schweden fast 12. Das liegt einerseits an der weniger produktionsintensiven Wirtschaft dort. Andererseits wurden dort bereits mehr Maßnahmen als bei uns gesetzt, um den CO2-Ausstoß zu senken. Schwedische Forscher berechneten, dass ein Prozent weniger zu arbeiten, den eigenen CO2-Ausstoß um 0,8 Prozent verringern könnte. Schon mit 30 statt 40 Stunden wöchentlicher Arbeitszeit könnten wir unseren CO2-Fußabdruck um ein Drittel senken, so eine US-Studie.
Tatsächlich müsste die Wirtschaft wohl schrumpfen
Um wirklich klimaverträglich zu arbeiten, müssten wir allerdings unseren Lebensstil radikal ändern und unser Wirtschaftssystem überdenken: hin zu einer „auf menschliche Bedürfnisbefriedigung und nicht auf den Profit abzielenden Wirtschaft“, wie Frey sagt. Güter sollten langlebiger sein und auf ökologischere Weise produziert werden. Gehen sie kaputt, könnten Menschen sie in ihrer dazu gewonnenen Freizeit reparieren, anstatt einfach etwas Neues zu kaufen. Wer aber die neue Freizeit dafür nutzt, ausgiebig mit dem Flugzeug um die Welt zu jetten, reduziert seinen CO2-Fußabdruck eher nicht.
Und tatsächlich müsste die Wirtschaft wohl schrumpfen. „Wachstum heißt immer zusätzlicher Ressourcenverbrauch“, sagte die Klimaforscherin Helga Kromp-Kolb im Interview mit MOMENT. „Ein System, das Wachstum braucht, um stabil zu sein, kann niemals nachhaltig sein“, so die emeritierte Professorin an der Wiener Universität für Bodenkultur. Uns von dem Gedanken zu lösen, dass das BIP Jahr für Jahr ein Stückchen zulegt, fällt aber sehr schwer.
„Die Chancen, das umzusetzen halte ich für sehr gering. Ich sehe nicht, wer das vorantreibt“, sagt Kromp-Kolb. Denn vom Wachstum profitierten viele, die nicht bereit seien, zugunsten des Überlebens unserer Zivilisation darauf zu verzichten, Profite zu machen, sagte sie dem deutschen Online-Magazin “ze.tt”.
Wie wir innerhalb der planetaren Schranken unsere Bedürfnisse befriedigen können, sollte dringend diskutiert werden.
Philipp Frey, Technikfolgenforscher
Weniger zu arbeiten, müsse im globalen Maßstab geschehen, sagte Rolf Gleißner, stellvertretender Leiter der Abteilung für Sozialpolitik der österreichischen Wirtschaftskammer, dem „Standard“. „Es ist sinnlos, wenn Industriearbeitsplätze bei uns verschwinden und dafür in Indien entstehen.“
Dieses Problem sieht auch Philipp Frey: Weniger zu arbeiten, zu produzieren und zu konsumieren, funktioniere nur „durch eine transnationale Koordination, etwa im Rahmen eines internationalen Green New Deal“, so Frey. „Die Frage, wie wir innerhalb der planetaren Schranken unsere Bedürfnisse bestmöglich befriedigen können, sollte dringend diskutiert werden.“